FG Bremen 1 K 152/21
Schenkung von Anteilen in Familienunternehmen kein Arbeitslohn

15.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

FG Bremen
27.01.2022
1 K 152/21
GWR 2022, 354

Leitsatz | FG Bremen 1 K 152/21

  1. Können in einer Familien-Unternehmensgruppe zur qualifizierten Leitung von operativen Unternehmen nur leibliche Abkömmlinge eines bestimmten Familienmitglieds Gesellschafter werden und werden einem bislang nur als Prokurist bei einem Unternehmen der Gruppe tätigen Familienmitglied Kommanditanteile an mehreren Gesellschaften der Gruppe im Wege der Schenkung übertragen, deren Wert die Höhe seines Arbeitslohns weit übersteigt, so ist davon auszugehen, dass die Übertragungen der Gesellschaftsanteile nicht als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des beschenkten Familienmitglieds, sondern zur Regelung der Unternehmensnachfolge innerhalb des Familienverbundes erfolgt sind. Es handelt sich nicht um Arbeitslohn, sondern um Schenkungen im Sinne von § 7 I Nr. 1 ErbStG.
  2. Insoweit ist unerheblich, dass die Schenkung an eine Tätigkeit innerhalb der Unternehmensgruppe geknüpft ist und befristet widerrufen werden kann. Der Umstand, dass die Zuwendung ohne die berufliche Tätigkeit nicht erfolgt wäre, führt nicht zur Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn.

Sachverhalt | FG Bremen 1 K 152/21

Der Kläger war Geschäftsführer bei einer operativen Gesellschaft einer Unternehmensgruppe, deren Holdinggesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG jeweils seinen beiden Onkeln gehörten.

2014 übertrugen ihm beide Onkel schenkungsweise Kommanditanteile iHv jeweils 12,5 % an diesen Holdinggesellschaften. In den Schenkungsverträgen war vorgesehen, dass die „Gesellschafterstellung die Tätigkeit (des Klägers) im Unternehmensverbund voraussetzt.“ Die Schenker behielten sich das Recht vor, die Schenkung im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der A-GmbH zu widerrufen.

Das FA setzte unter Anwendung der Steuerbefreiung für Betriebsvermögen (§ 13a ErbStG) die Schenkungsteuer mit 0,00 € fest. Mit Einkommensteuerbescheid für den VZ 2014 setzte das FA die Einkommensteuer des Klägers antragsgemäß fest. Die Schenkung der Kommanditanteile war als Arbeitslohn weder erklärt noch in der Festsetzung berücksichtigt.

Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung bei der A-GmbH wurden durch geänderten Einkommensteuerbescheid für 2014 die Schenkungen der Kommanditanteile an den Kläger als steuerpflichtiger Arbeitslohn des Klägers behandelt und die Einkommensteuer des Klägers entsprechend erhöht.

Den Einspruch des Klägers verwarf das FA. Es nahm an, dass die Zuwendung an den Kläger zu Belohnungszwecken oder als Ansporn für die zukünftige Arbeitsleistung erfolgt sei. Die Schenkungsverträge und insbesondere das Widerrufsrecht legten nahe, so das FA, dass die Schenkungen nicht nur der Nachfolge von Verwandten in das Unternehmen dienten, sondern ein Entgelt für Arbeitsleistung sein sollen.

Entscheidung | FG Bremen 1 K 152/21

Ob eine Zuwendung als Arbeitslohn zu qualifizieren ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung. Dies gilt auch für die Zuwendung durch einen Dritten. Dabei liegt kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Gemessen an diesen Maßstäben waren die erhaltenen Zuwendungen von Anteilen an den jeweiligen KGs privat veranlasst und damit dem nichtsteuerbaren Bereich zuzurechnen. Persönliche Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten sind unerheblich, da objektive Tatumstände entscheidend sind. Ferner sind Steuerbescheide nur aufgrund von nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen zu ändern. In diesem Fall war eine Änderung nicht möglich, da alle Tatsachen zur rechtlichen und steuerlichen Beurteilung bereits vorlagen.

Liegt das Motiv der Übertragung in der Unternehmensnachfolge, spricht dies gegen die Annahme von Arbeitslohn (FG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14.06.2021, BeckRS 2021, 18146). Das Erfordernis der Tätigkeit im Unternehmen im Rahmen der Nachfolgeplanung stellt eine nachvollziehbare Anforderung dar. Der Umstand, dass die Zuwendung ohne die berufliche Tätigkeit nicht erfolgt wäre, führt nicht zur Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn. Gegen die Schenkung zum Zwecke der Unternehmensnachfolge kann nicht eingewendet werden, dass durch das Widerrufsrecht eine Verknüpfung zwischen Vorteilsgewährung und Arbeitsverhältnis hergestellt werde. Denn ein solches befristetes Widerrufsrecht erscheint gerade im Hinblick auf den Zweck der Unternehmensnachfolge plausibel.

Praxishinweis | FG Bremen 1 K 152/21

Einkommensteuer-Aspekte sind bei der Nachfolge eines im Unternehmen angestellten Familienangehörigen zwingend zu beachten. Ob eine Vorteilsgewährung aus eigenem Interesse oder Interesse des Arbeitgebers erfolgt, ist selten leicht zu differenzieren. Deshalb ist auf eine ausreichende Dokumentation zu achten, dass die Anteilsübertragung im Rahmen der Unternehmensnachfolge geschieht. Andererseits sind die kostenfreie, aber im Veranlagungsverfahren unverbindliche Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) oder die verbindliche Auskunft, das Mittel der Wahl für den steuerlichen Berater in einer solchen Konstellation.