OLG Oldenburg 11 UF 100/20
Rückforderung von Zuwendungen der Schwiegereltern

09.07.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Oldenburg
14.10.2020
11 UF 100/20
RNotZ 2021, 214

Leitsatz | OLG Oldenburg 11 UF 100/20

  1. Anders als bei der Übertragung einer zur eigenen Wohnnutzung vorgesehenen Immobilie kann der Schenker bei Übertragung sonstigen Vermögens an Kind und Schwiegerkind gerade nicht damit rechnen, dass dieses langfristig für die Lebens- und Beziehungsgestaltung der Ehegatten genutzt werden wird.
  2. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass der Geschäftswille des Schenkers auf der Vorstellung von einer bestimmten oder gar lebenslangen Dauer der Beziehung zwischen eigenem Kind und beschenktem Schwiegerkind beruht. Etwas anderes kann allenfalls aufgrund besonderer, im Einzelfall vom Tatrichter festzustellender Umstände angenommen werden.

(n. amtl. Leitsätze)

 

Sachverhalt | OLG Oldenburg 11 UF 100/20

Die Antragstellerin übertrug eine Wohnung mit einem Wert von laut Notarvertrag 50.000,00 EUR zu gleichen Teilen auf ihre Tochter und ihren Schwiegersohn, den Antragsgegner, gegen Zahlung von 15.000,00 EUR. Die endgültige Trennung der Ehegatten erfolgte zwei Jahre später. Weitere zwei Jahre danach erfolgte die Scheidung. Die Antragstellerin forderte darauf vom Antragsgegner Zahlung des hälftigen Wertes der Zuwendung abzüglich eines Abschlages und beruft sich darauf, mit der Schenkung das Zusammenleben der Ehegatten habe fördern zu wollen. Diese Erwartungen seien nicht erfüllt worden.

Der Antragsgegner tritt dem mit der Behauptung entgegen, dass Hintergrund für die Übertragung Mietstreitigkeiten und der Wunsch nach einer Wiederannäherung zur Tochter gewesen sei. Zudem sei das Objekt stark renovierungsbedürftig gewesen, womit die Antragstellerin sich nicht habe belasten wollen.

Das AG hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass zwar eine gemischte Schenkung vorliege, sich die Vorstellung, dass die Schenkung die Ehe fördern solle, aber weder aus dem Vertrag noch aus den Umständen ergebe. Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde der Antragstellerin.

 

Entscheidung | OLG Oldenburg 11 UF 100/20

Das OLG hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die Annahme einer gemischten Schenkung, deren Geschäftsgrundlage nicht iSv § 313 BGB weggefallen sei, sei zutreffend.
Schon bei der Feststellung der Geschäftsgrundlage sei die Asymmetrie des Schenkungsversprechens zu berücksichtigen. Die Schenkung zeichne sich gerade dadurch aus, dass der Begünstigte grundsätzlich in der Verwendung frei sein soll. Er unterliegt gerade keinen rechtlichen Bindungen.

Die Grenze bilde § 530 BGB. Eine Rückforderung sei möglich, wenn der Beschenkte eine schwere Verfehlung gegenüber dem Schenker oder einem nahen Angehörigen begeht oder sich als grob undankbar erweist. Bis zur Grenze des § 530 BGB habe der Schenker das „Risiko“ zu tragen, dass die künftige Lebensgestaltung des Beschenkten nicht seinen Vorstellungen entspricht.

Um diese gesetzliche Regelung nicht auszuhebeln, sei bei der Feststellung der Geschäftsgrundlage daher Rückhaltung geboten. Zwar führe laut BGH  die Zuwendung von Immobilien die beabsichtigte langfristige Nutzung zu Wohnzwecken iSe räumlichen Mittelpunktes der Lebensgemeinschaft zur Annahme einer entsprechenden Geschäftsgrundlage. Entscheidend sei allerdings, ob die Immobile der Eigen- oder Fremdnutzung diene. Dient sie als Kapitalanlage, kann der Schenker grade nicht damit rechnen, dass sie langfristig für die Lebens- und Beziehungsgestaltung der Ehegatten genutzt wird. Ferner spreche auch der begrenzte Wert der Zuwendung gegen eine auf eine langfristige Nutzung bezogene Zuwendung.

Zwar sei davon auszugehen, dass die Zuwendung mit der bestehenden Ehe im Zusammenhang stehe. Allerdings habe die Antragstellerin nicht dargetan, dass die Zuwendung mit dem Fortbestand stehen und fallen sollte. Vielmehr sei daher von einem Motivbündel auszugehen.

 

Praxishinweis | OLG Oldenburg 11 UF 100/20

Seit einer im Jahr 2010 vollzogenen Rechtsprechungsänderung begreift der BGH schwiegerelterliche Zuwendungen als echte Schenkungen iSd § 516 BGB und hält ein auf § 313 BGB gestütztes Rückforderungsrecht uneingeschränkt für möglich. Geschäftsgrundlage ist dabei die erkennbare Vorstellung und Erwartung des Schenkers, dass die Ehe des Kindes mit dem Schwiegerkind fortbestehen werde und damit dem eigenen Kind auch auf Dauer zugutekommen werde. Das OLG folgt damit der Richtung des X. Senat des BGH. Zwar liege bei der Zuwendung von Immobilien die Vorstellung einer dauerhaften Nutzung zugrunde, diese sei allerdings angesichts der Asymmetrie des Schenkungsversprechens nur mit Zurückhaltung als Geschäftsgrundlage anzusehen. In Anbetracht der Scheidungszahlen entspricht es ferner nicht der Lebenserfahrung, von einer lebenslangen Nutzung auszugehen.

Darauf gestützt zieht das OLG hier die Trennlinie:

Wird eine Eigentumswohnung lediglich als Kapitalanlageobjekt genutzt, sei das Fortbestehen der Ehe nicht als Geschäftsgrundlage anzusehen. Notare sollten diese Konsequenzen mit den Beteiligten erörtern und in der Urkunde entsprechend gestalten.