BVerfG 2 BvQ 24/20, 2 BvQ 25/20
Probleme der Kaufpreisausweisung und der Kündigung des werkvertraglichen Teils des Bauträgervertrags

16.12.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BVerfG
15.05.2020
2 BvQ 24/20, 2 BvQ 25/20
ZIP 2020, 1306

Leitsatz | BVerfG 2 BvQ 24/20, 2 BvQ 25/20

Die nach § 32 I BVerfGG erforderliche Folgenabwägung lässt den Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten erscheinen. Die Folgen, die einträten, wenn die Löschung der zugunsten der Antragstellerin bestehenden Auflassungsvormerkung im Grundbuch erfolgte, sich aber später herausstellte, dass die Bestätigung des Insolvenzplans verfassungswidrig war, wiegen erheblich schwerer als die Folgen, die entstünden, wenn der Vollzug des Insolvenzplans insoweit einstweilen untersagt würde, sich aber später herausstellte, dass er ohne Verfassungsverstoß hätte vollzogen werden können.

Sachverhalt | BVerfG 2 BvQ 24/20, 2 BvQ 25/20

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz wegen der Die Antragstellerin schloss mit späteren Insolvenzschuldnerin (nachfolgend: Schuldnerin) einen notariellen Kaufvertrag mit Herstellungsverpflichtung über ein Grundstück ab (nachfolgend: Bauträgervertrag), wobei sich die Schuldnerin verpflichtete, darauf eine Wohnanlage mit 19 Wohneinheiten sowie Tiefgaragenstellplätze zu erstellen.

Zur Sicherung des Anspruchs der Ast. ließ diese sich von der Schuldnerin eine Vormerkung für dieses Grundstück im Grundbuch eintragen. Im Bauträgervertrag wurde ein Gesamtkaufpreis von 4,91 Mio. Euro vereinbart, von dem ein Teilbetrag von 327.600 € auf das Grundstück entfallen sollte. Der restliche Kaufpreis sollte mit dem Fortschritt des Bauvorhabens in Teilbeträgen gezahlt werden.

Bis Anfang 2017 leistete die Antragstellerin insgesamt drei Mio. Euro in drei Raten an die Schuldnerin, bevor es zu Streit zwischen den beiden Vertragsparteien und dem Stopp der Bautätigkeiten kam. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits der Rohbau errichtet und Türen und Fenster eingefügt. Die Antragstellerin kündigte daraufhin den Bauträgervertrag insoweit auf, wie dieser die Bauleistungen der Schuldnerin betraf und verlangte die Auflassung.

Im Juli erhob sie Klage vor dem zuständigen LG in B. gegen die Schuldnerin. Sie bekam mit Urteil vom 14.08.2018 Recht zugesprochen und verurteilte die Schuldnerin zur Auflassung. Gegenansprüche, welche von dieser vorgebracht wurden, wies das LG zurück.

Am 18.12.2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, der Rechtsstreit vor dem LG B. war bereits durch Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots am 07.11.2019 unterbrochen worden. Der Verwalter verkaufte das Grundstück daraufhin Grundstück zu einem Kaufpreis von 4,37 Mio. Euro an einen Dritten, wobei der Kaufvertrag eine Rücktrittsklausel für die Schuldnerin bis zum 28.02.2021 enthielt.

Der Insolvenzplan sah einen „Vergleich“ vor, der darin bestand, den Bauträgervertrag aufzuheben, den Rechtsstreit vor dem LG B. für erledigt erklärt und die Ast. der Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Vormerkung förmlich zustimme. Im Gegenzug erhielte sie einen Betrag iHv. 360.360 Euro im Range einer Masseverbindlichkeit.

Bei der entscheidenden Gläubigerversammlung wurde dem Insolvenzplan des Verwalters von allen Gruppen außer der Antragstellerin zugestimmt, der als eine Art „Vergleich“ zwischen der Antragstellerin und der Schuldnerin vorsieht, dass der Bauträgervertrag einvernehmlich aufgehoben und der Rechtsstreit vor dem LG B. für erledigt erklärt wird. Auch solle die Antragstellerin der Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragen Vermerkung in grundbuchförmlicher Weise zustimmen. Im Gegenzug erhielte sie i.S.d. § 144 I 1 InsO und zur Abgeltung der durch die Vormerkung gesicherten Rechte einen Betrag iHv 360.360 € als Masseverbindlichkeit.

Der Bauträgervertrag sei als teilweise unentgeltliche Leistung der Schuldnerin anfechtbar nach §§ 129, 134 InsO, da der Bauträgervertrag einen deutlich zu geringen anteiligen Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks vorsehe.

Gegen die Bestätigung des Insolvenzplans durch das AG legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein. Das LG wies diese im Freigabeverfahren gem. § 253 IV 1 InsO zurück. Ein Vollzugsinteresse des Insolvenzplanes überwiege die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin. Das Gebäude als einziger Vermögenswert der Schuldnerin sei bei einem etwaigen jahrelangen Rechtsstreit als Rohbau der Witterung ausgesetzt. Ein Rechtsverstoß nach § 253 IV 1 InsO wäre abwegig, da ein strenger Maßstab anzulegen und die Unwirksamkeit des Insolvenzplans offensichtlich sein, ja geradezu „ins Auge springen“ müsse.

Entscheidung | BVerfG 2 BvQ 24/20, 2 BvQ 25/20

Die Antragstellerin wendet sich daraufhin mit ihrem Antrag gegen die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Ag und die Zurückweisung ihrer sofortigen Beschwerde durch das LG, wobei sie die Verletzung von Art. 14 I GG, Art. 19 IV GG sowie Art. 2 I GG rügt. Sie beantragt, das Grundbuchamt anzuweisen, die zu ihren Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung bis zum Abschluss des Verfahrens über die Verfassungsbeschwerde nicht zu löschen. Hilfsweise solle die Löschung durch andere geeignete Maßnahmen verhindert werden.

Der Antrag auf einstweilige Verfügung der Antragstellerin hatte Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte. Dies gegenübergestellt den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre. Die zwischenzeitlich fristgerecht eingelegte Verfassungsbeschwerde wäre weder von vornherein unzulässig, noch offensichtlich unbegründet. Auch erscheine es nicht ausgeschlossen, dass die Begründung der Ablehnung eines besonders schweren Rechtsverstoßes des LGs iSv § 253 IV 2 InsO den Kriterien für Gewährung des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 IV GG nicht genügt.

Die Antragstellerin verlöre mit der Ausführung endgültig ihren Anspruch an dem Grundstück als Sicherungsmittel. Dadurch scheide ein Eigentumserwerb der Antragstellerin endgültig aus, da die Verwaltung nun ungehindert ein unbelastetes Grundstück an einen Dritten veräußern könnte.

Demgegenüber könne der gegebenenfalls verfassungsmäßige Insolvenzplan ohne Weiteres zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden. Er diene lediglich der Liquidierung der Schuldnerin, die weder einen Geschäftsbetrieb unterhalte noch Arbeitnehmer beschäftige. Auch eine weitere Beschädigung der seit Frühjahr 2017 im Rohbau befindlichen Gebäude sei nicht durch das Abwarten der Entscheidung des Hauptverfahrens in schwerwiegender Weise ersichtlich. Der Kaufvertrag könne dem Vortrag des Insolvenzverwalters nach noch bis zum 28.02.2021 noch mit einem Dritten vollzogen werden. Die Verwalterpflicht zur Verwaltung und Verwertung der Masse bestünde auch nach einer etwaigen Anzeige der Masseunzulänglichkeit fort, § 208 III InsO.

Praxishinweis | BVerfG 2 BvQ 24/20, 2 BvQ 25/20

Durch die Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache könnte die Praxis der Amts- und Landgerichte, die lediglich Insolvenzpläne ablehnten, welche in „offensichtlicher und unerträglicher Weise“ Verfahrensgesetze verletzten, revidiert werden. Strategien, die darauf abzielen, einen rechtswidrigen Plan über den Verweis auf Ausgleichsansprüche durchzusetzen, könnten so erschwert werden. Insbesondere bei Verteilungen dem § 245 InsO zuwider gelänge ein verfrühtes und unrechtmäßiges Freigabeverfahren nicht mehr. Maßstab ist dabei jedoch ein erheblicher Nachteil, wie ein endgültiger Rechtsverlust. Hier ist dies der Verlust der Vormerkung. Angedeutet wird bei der Entscheidung, dass sie anders ausfallen könnte, wenn dem Verlust der Rechtsposition ein Arbeitsplatzverlust durch Scheitern der Sanierung entgegengestellt werden könnte. Insoweit gilt dies auch als erheblicher Nachteil. Ein Antrag auf einstweilige Anordnung gegen den Planvollzug wurde mit dieser Rechtsprechung nun erstmals erfolgreich beschieden.