OLG Brandenburg 7 U 133/21
Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei Auszahlung einer nicht mit der Gesellschaft vereinbarten Vergütung

23.11.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
29.06.2022
7 U 133/21
ZIP 2022, 1975

Leitsatz | OLG Brandenburg 7 U 133/21

  1. Der Beschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG muss grundsätzlich den geltend gemachten Anspruch gegen den angeblich pflichtwidrig handelnden und daher ersatzpflichtigen Geschäftsführer hinreichend konkret beschreiben und identifizierbar benennen und so erkennen lassen, dass die Gesellschafterversammlung über das „Ob“ der Geltendmachung des Anspruchs entschieden hat.
  2. Die Frage, in welcher Höhe das zu zahlende Grundgehalt angesichts der weiteren Gehaltskomponenten eines Geschäftsführers als angemessen anzusehen ist, unterliegt nicht der Berechtigung zur einseitigen Bestimmung des Leistungsinhalts durch diesen. Vielmehr ist zur Entscheidung über die Höhe der Vergütung allein die Gesellschafterversammlung berufen.
  3. Mit der nach § 46 Nr. 5 GmbHG zu beschließenden Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus. Die Entlastung setzt voraus, dass der Geschäftsführer zuvor Rechnung über seine Geschäftsführung gelegt hat. Die Entlastung erstreckt sich zeitlich auf den Zeitraum der Periode, für die Entlastung erklärt wird.
  4. Die Feststellung der Bilanz stellt für das gesellschaftsinterne Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschaftern einen konstitutiv wirkenden Akt der Billigung des aufgestellten Jahresabschlusses durch die Gesellschafter dar, mit dem diese dessen Richtigkeit anerkennen.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 7 U 133/21

Der Geschäftsführer einer GmbH hatte sich vorliegend über Jahre hinweg eine Geschäftsführervergütung ausgezahlt, die nicht den Vereinbarungen mit der GmbH entsprach und deutlich darüber lag. Die erhöhte Vergütung war in den Bilanzen der Jahresabschlüsse aufgeführt worden und für alle Gesellschafter der GmbH ersichtlich. Die Gesellschafterversammlung stellte die Jahresabschlüsse fest und erteilte dem Geschäftsführer zunächst Entlastung. Damit billigt die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführung und die Gesellschaft kann gegenüber dem Geschäftsführer keine Ansprüche mehr geltend machen, die für Gesellschafter erkennbar gewesen sind anhand der vorgelegten Unterlagen und Berichterstattung.

Nachdem nun einige der Gesellschafter von den erhöhten Zahlungen des Geschäftsführers Kenntnis erlangten, nahm die Gesellschaft ihn persönlich auf Rückzahlung der überhöhten Vergütung in Anspruch. Der Geschäftsführer setzte dem entgegen, dass ihm Entlastung erteilt worden sei und die Gesellschaft durch die Feststellung der Jahresabschlüsse auch die Höhe der ausbezahlten Vergütung anerkannt habe.

Entscheidung | OLG Brandenburg 7 U 133/21

Das OLG Brandenburg entschied, dass ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer für die Jahre in denen ihm Entlastung erteilt worden war nicht bestünde. Seine Vergütung sei in den Bilanzen aufgeführt worden und für die übrigen Gesellschafter erkennbar gewesen.

Allerdings, so das OLG, führe die bloße Feststellung des Jahresabschlusses noch nicht zu einem Haftungsausschluss. Die erhöhte Vergütung sei zwar für die Gesellschafter aus den Bilanzen der festgestellten Jahresabschlüsse erkennbar gewesen, diese würden jedoch keine entlastende Wirkung entfalten iSd dass sie nicht zurückgefordert werden könnten wie die Tätigkeitsvergütung des Geschäftsführers eine sog. Drittverbindlichkeit ist.

Drittverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten außerhalb des internen Verhältnisses von Gesellschaft und Gesellschaftern. Vorliegend war der Geschäftsführer von der GmbH angestellt worden, weshalb eine solche Drittverbindlichkeit vorliegt. Bei Drittverbindlichkeiten sei nicht automatisch davon auszugehen, dass die Höhe der Verbindlichkeit (hier also der Vergütung des Geschäftsführers) die in der Bilanz aufgeführt wird von den Gesellschaftern geprüft und dann als angemessen eingestuft wird. Eine Entlastungswirkung kann hier nur angenommen werden, wenn die Parteien es vereinbaren oder allen bewusst ist, dass Uneinigkeit besteht.

Demnach hatten die Feststellungsbeschlüsse vorliegend keine Entlastungswirkung. Die Gesellschafter der GmbH hatten bei der Feststellung der Jahresabschlüsse noch keine Kenntnis von der eigenmächtig erhöhten Geschäftsführervergütung. Eine Billigung derer hätte jedoch zumindest das Kennen der Umstände vorausgesetzt oder das für möglich halten – dies lag nicht vor.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 7 U 133/21

Ein Geschäftsführer sollte nur entlastet werden nach gründlicher Prüfung, wenn keine begründeten Zweifel an seiner Geschäftsführung bestehen. Von dem Haftungsausschluss umfasst sind dabei alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter durch die Unterlagen des Geschäftsführers bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren, die sie nachrechnen oder nachfragen konnten.

Auch der Jahresabschluss sollte nicht zu voreilig festgestellt werden. Gesellschaftsinterne Forderungen und Verbindlichkeiten (eben gerade keine Drittverbindlichkeiten) werden nämlich regelmäßig mit dem Jahresabschluss festgestellt, sodass spätere Nachzahlungs- und/oder Rückforderungsansprüche ausgeschlossen sind.