BGH I ZR 160/17
Pflichten beim Makleralleinauftrag „höchstbietend“

27.01.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
24.01.2019
I ZR 160/17
NJW 2019, 1596

Leitsatz | BGH I ZR 160/17

  1. Der Makler, der aufgrund eines Makleralleinauftrags damit beauftragt ist, dem Verkäufer Kaufinteressenten für ein Grundstück nachzuweisen oder zu vermitteln, verletzt seine Pflichten und ist deshalb zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er dem Verkäufer gegenüber ein Kaufangebot unzutreffend darstellt, ihm ein Kaufangebot verschweigt, den Kontakt zu Kaufinteressenten abreißen lässt, keine ausreichenden Vermarktungsbemühungen unternimmt oder bei eigenem Kaufinteresse Kaufinteressenten überhöhte Preisvorstellungen der Verkäuferseite nennt, um sie von einer Abgabe eines Kaufangebots abzuhalten.
  2. Der Maklerkunde, der dem pflichtwidrig handelnden Makler sein Eigentum zu einem Preis unter Wert veräußert, kann von diesem im Weg der Naturalrestitution die Rückabwicklung des Kaufvertrags beanspruchen. Sein Schadensersatzanspruch ist nicht auf den Ausgleich des Mehrwerts des Kaufgegenstands beschränkt.
  3. Tritt der geschädigte Verkäufer Ansprüche aus dem Maklervertrag und aus dem mit dem Makler abgeschlossenen Kaufvertrag ab und ermächtigt er den Zessionar außerdem, vom Kaufvertrag zurückzutreten, steht dem Zessionar und nicht dem Zedenten das Wahlrecht zu, ob er vom Schädiger Schadensersatz in Form von Naturalrestitution oder Wertersatz verlangt.
  4. Der Maklerkunde kann vom Makler die Rückzahlung einer nicht geschuldeten Provision unabhängig von einem gegen diesen bestehenden Schadensersatzanspruch verlangen, bei dem er sich eine fiktive Maklerprovision als Vorteilsausgleich anrechnen lassen muss.

(amtl. Leitsätze)

Sachverhalt | BGH I ZR 160/17

Die Zedentin P, die Eigentümerin einer Hofstelle mit landwirtschaftlichen Nutzflächen war, welche zum Teil an die Klägerin verpachtet waren, beauftragte den Beklagten zu 1, einen Immobilienmakler, Kaufinteressenten nachzuweisen oder zu vermitteln. In dem Makleralleinauftrag wurde dabei festgehalten, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen höchstbietend verkauft werden sollten.

Die Beklagten zu 1 und 2 erwarben das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 15.03.2012. Die Zedentin zahlte dem Beklagten zu 1 seine Maklerprovision.

Im Dezember 2015 trat die Zedentin dem Kläger alle Ansprüche aus dem Maklervertrag und dem Grundstückskaufvertrag ab.

Der Kläger hat behauptet, der Bekl. zu 1 habe die Zedentin wahrheitswidrig über die Bedingungen eines Kaufangebots der Niedersächsischen Landgesellschaft (N) zu einem Preis von ca. 300.000 € unterrichtet, so dass dieses Angebot nicht habe angenommen werden können. Der Bekl. zu 1 habe der Zedentin zudem verschwiegen, dass der Zeuge R ein schriftliches Angebot für den Erwerb des Objekts zum Preis von 350.000 € übergeben habe; R sei auch bereit gewesen, einen Kaufpreis i.H.v. 400.000 € zu zahlen. Der Bekl. zu 1 habe ferner andere Kaufinteressenten unter Hinweis auf eine behauptete Kaufpreiserwartung der Zedentin von 550.000 – 600.000 € abgeblockt.

Der Kl. hat die Bekl. auf Übereignung und Herausgabe des von der Zedentin veräußerten Grundbesitzes mit Ausnahme der weiterveräußerten Hofstelle, Zug um Zug gegen Zahlung von 205.000 €, in Anspruch genommen (Klageantrag zu 1). Außerdem hat er die Feststellung der Pflicht der Bekl. zur Erstattung der für die Eigentumsumschreibung erforderlichen Kosten und zum Ersatz aller weiteren Schäden, die der Zedentin durch den Kaufvertrag mit den Bekl. entstanden sind und noch entstehen, begehrt (Klageantrag zu 2). Des Weiteren hat er vom Bekl. zu 1 die Rückzahlung der gezahlten Provision nebst Zinsen beansprucht (Klageantrag zu 3). Hilfsweise zum Klageantrag zu 1 hat er beantragt, den Bekl. zu 1 zur Zahlung von weiteren 120.000 € nebst Zinsen als Schadensersatz zu verurteilen.

Entscheidung | BGH I ZR 160/17

Nachdem das LG Lüneburg der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat, hat das OLG Celle den Bekl. 1 lediglich zur Zahlung von 70.000 € nebst Zinsen verurteilt. Die Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt, hat Erfolg.

Die Zedentin P hat durch privatschriftliche Vereinbarung wirksam alle im Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche an den Kläger abgetreten.

Dem Kläger stehen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gem. §§ 280 I, 249 I, 251 I BGB Ansprüche auf Rückübertragung und Herausgabe des Eigentums an den landwirtschaftlichen Flächen Zug um Zug gegen Rückzahlung des hierauf entfallenden Teils des Kaufpreises i.H.v. 205.000 € (Klageantrag zu 1 im Hauptantrag idF der Berufungsinstanz) sowie die daran anknüpfenden Ansprüche auf Feststellung der Pflicht zur Erstattung der Kosten der Eigentumsumschreibung und zum Ersatz aller weiteren Schäden zu.

Der Beklagte zu 1 hat seine Pflichten aus dem Maklervertrag dadurch verletzt, dass er gegenüber der Zedentin die Bedingungen aus einem Kaufangebot des N unrichtig dargestellt und darüber hinaus das Kaufangebot des R verschwiegen hat.

Weiterhin hat der Beklagte zu 1 keine ausreichenden Bemühungen unternommen, das Objekt zu einem angemessenen Preis zu vermarkten sowie Kaufinteressenten gegenüber angegeben, das Objekt sei bereits vergeben, um für sich selbst einen Kaufvertragsabschluss erzielen zu können.

Dem Kläger ist durch den wirtschaftlich nachteiligen Vertragsabschluss mit dem Beklagten zu 1 ein Schaden entstanden. Bei ordnungsgemäßer Maklertätigkeit hätte das Objekt zu einem höheren und angemessenen Preis verkauft werden können, sodass dem Kläger nun ein Wahlrecht zusteht, in welcher Form er vom Schädiger Ersatz verlangen möchte. Er kann zum einen, im Weg des Schadensersatzes vom Schädiger, Rückgängigmachung der Folgen des mit Dritten abgeschlossenen Vertrags verlangen, hierzu das Erlangte dem Schädiger zur Verfügung stellen und seine Aufwendungen ersetzt zu bekommen. Andererseits kann er auch an dem Vertrag mit dem Dritten insgesamt festhalten und vom Schädiger lediglich Entschädigung seines enttäuschten Vertrauens fordern. Er kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie es der von ihm aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Schädigers angenommenen Situation entsprochen hätte.

Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Maklerprovision zu, weil der Beklagte zu 1 um die von der Zedentin geleistete Provisionszahlung ungerechtfertigt bereichert ist, § 812 I 1 Alt. 1 oder S. 2 Alt. 2 BGB. Vorliegend ist das erstrebte Geschäft zwischen dem Auftraggeber und dem Makler selbst zustande gekommen, sodass es sich um ein nicht provisionspflichtiges Eigengeschäft handelt. Eine Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit erfolgte gerade nicht, sodass der Maklervertrag nicht als erfüllt anzusehen ist.

Zugleich hat der Beklagte zu 1 und 2 vorvertragliche Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag verletzt, indem er durch Darstellen unwahrer Tatsachen pflichtwidrig auf die Willensbildung des Geschädigten eingewirkt hat. Er hat dafür zu sorgen, dass der Kaufgegenstand höchstbietend verkauft wird. Stattdessen hat der Beklagte zu 1 jedoch seine ihm als Makler eingeräumte Position ausgenutzt, um selbst als Verkäufer einen Vertragsschluss erreichen zu können. Das Berufungsgericht wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Beklagten gem. §§ 311 II Nr. 1, 241 II, 280 I BGB oder gem. § 826 BGB eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Zedentin treffen.

Praxishinweis | BGH I ZR 160/17

Den Makler treffen berufsstandsspezifische Aufklärungs- und Beratungspflichten in der Form, dass er seinem Auftraggeber gegenüber zur wahrheitsgemäßen Offenlegung aller Umstände seiner Maklertätigkeit verpflichtet ist, da er als „Mittler“ zwischen den Parteien des Hauptvertrages agiert. Das vorliegende Urteil des BGH verdeutlicht dies und macht die Konsequenzen bei entsprechenden Pflichtverstößen deutlich.

Die zur Rechtsberaterhaftung sowie zur Versicherungsmaklerhaftung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze sind auf Immobilienmakler übertragbar.