OLG Frankfurt 21 W 134/20
Ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsrates bei der SE

13.04.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt
23.02.2021
21 W 134/20
EWiR 2021, 521

Leitsatz | OLG Frankfurt 21 W 134/20

Streitet die Vermutungsregel des § 17 Abs. 2 AktG für ein anderes Unternehmen, das tatsächlich eine Mehrheitsbeteiligung an dem beherrschten Unternehmen hält, so kann ein herrschender Einfluss durch das Unternehmen mit der Minderheitsbeteiligung nur angenommen werden, wenn die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG für das andere Unternehmen widerlegt wird. (Rn.30)

Sachverhalt | OLG Frankfurt 21 W 134/20

Die Beteiligten des Vertrages sind eine SE (bis 31.07.2017: AG) und der Aktionär der AG (Antragsteller). Die AG (Antragsgegnerin) beschloss am 02.06.2017 die formwechselnde Umwandlung der AG in eine SE (Societas Europaea), dessen Eintragung in das Handelsregister am 31.07.2017 erfolgte. Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin bestand aus Vertretern der Anteilseigner. Der Antragsteller begehrt mit Schriftsätzen vom 27.07.2017 und vom 30.09.2017 festzustellen, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nicht nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt sei und je zur Hälfte aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer:innen zusammenzusetzen sei.

Das LG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 23.11.2017 zurückgewiesen. Daraufhin legten der Antragsteller und der Beteiligte zu 3) Beschwerde ein. Der Senat hob die Entscheidung auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurück mit der Zulassung zur Rechtsbeschwerde. Der BGH wies die Rechtsbeschwerde am 23.07.2019 zurück. Der angefochtene Beschluss wurde daraufhin erneut zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde dem OLG Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung | OLG Frankfurt 21 W 134/20

Die Rechtsbeschwerden des Antragstellers und des Beteiligten zu 3) sind gemäß § 99 Abs. 3 AktG als statthafte Rechtsmittel zulässig. Allerdings sind sie unbegründet und haben in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass auf den Beschluss über die Nichtaufnahme von Verhandlungen nach § 16 Abs. 1 SEBG die §§ 34 bis 38 SEBG keine Anwendung finden. Mangels Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht kommt es auf die Bemängelung der formellen Wirksamkeit dieses Beschlusses seitens des Beteiligten zu 3) von vornherein nicht an. Auch habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 07.07.2017 tatsächlich kein mitbestimmter Aufsichtsrat bei der Antragsgegnerin bestand und auch kein Aufsichtsrat nach den gesetzlichen Bestimmungen des Mitbestimmungs- und Drittelbeteiligungsgesetz hätte eingerichtet werden müssen. Denn der Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmer:innen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG wurde nicht überschritten, da die Vorgängergesellschaft lediglich 205 Arbeitnehmer:innen und der Konzern der Antragsgegnerin nur 1.046 Arbeitnehmer:innen beschäftigte.

Im Übrigen sei die B GmbH schon nicht als Konzern der Antragsgegnerin im Sinne von § 18 Abs. 1 AktG einzuordnen, da die Antragsgegnerin nur eine mittelbare Minderheitsbeteiligung (49 %) an der B GmbH innehabe. Zudem habe die Antragsgegnerin keinen beherrschenden Einfluss auf die B GmbH. Ausschlaggebend sei, dass die restlichen Stimmrechte (51 %) der Z Beteiligtengesellschaft allein angehören und sie sich gerade nicht auf mehrere Gesellschafter verteilte. Daher sei von einer Abhängigkeit der B GmbH von der Z Gesellschaft und gerade nicht von der Antragsgegnerin auszugehen, vgl. § 17 Abs. 2 AktG. Die Vermutung, dass die Z Gesellschaft die B GmbH beherrsche, müsse widerlegt werden, damit ein beherrschender Einfluss der Minderheitengesellschaft (Antragsgegnerin) überhaupt angenommen werden kann. Insbesondere hebt das Gericht mehrmals hervor, dass sich ein Abhängigkeitsverhältnis unbedingt aus dem Gesellschaftsrecht ergeben müsse, eine rein durch schuldrechtliche Vereinbarungen ergebende Abhängigkeit reiche nicht aus.

Genau so wenig war die C GmbH nicht Teil des Konzerns der Antragsgegnerin, weshalb deren Arbeitnehmer:innen der Antragsgegnerin nicht zuzurechnen sei. Es komme dabei maßgeblich auf den Juli 2017 an. Für die Einbeziehung künftig zu erwartender Entwicklungen seien konkrete Beschlüsse seitens der Antragsgegnerin erforderlich, welche von den Beschwerdeführern allerdings nicht dargelegt wurden.
Insgesamt wurde mangels Zurechnung der Arbeitnehmer:innen der B GmbH und der C GmbH die Schwelle zur verpflichteten Einrichtung eines Aufsichtsrates nicht überschritten, sodass der Beschluss insgesamt nicht zu beanstanden sei.

Praxishinweis | OLG Frankfurt 21 W 134/20

Das Gericht stellt fest, dass die Entscheidung über die Rüge formeller Mängel eines Beschlusses über die Nichtvornahme von Verhandlungen gem. § 16 SEBG ausschließlich den Arbeitsgerichten vorbehalten sein soll. Sollten somit tatsächlich Bedenken hinsichtlich der formellen Wirksamkeit bestehen, muss eine fristgerechte Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben werden, da anderen Gerichten keine Befugnis zur Entscheidung obliegt. Darüber hinaus können für den relevanten Schwellenwert nur diejenigen Arbeitnehmer:innen zum Konzern zugezählt werden, dessen Gesellschaft auch tatsächlich zum Konzern gehört. Sollte an der Gesellschaft nur eine Minderheitsbeteiligung bestehen, dann muss sie anderweitig beherrscht werden, um dazugezählt werden zu können.