BGH V ZR 250/19
Nachhaftung eines GbR-Gesellschafter für WEG-Beitragsverbindlichkeiten

19.10.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
03.07.2020
V ZR 250/19
DStR 2020, 1970

Leitsatz | BGH V ZR 250/19

Die Nachhaftung des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Wohnungseigentümerin ist, erstreckt sich auf Beitragspflichten, die auf nach seinem Ausscheiden von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüssen beruhen; auch insoweit handelt es sich um Altverbindlichkeiten iSv § 160 Abs. 1 HGB.

(amtl. Leitsatz)

Sachverhalt | BGH V ZR 250/19

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beklagte war einer von drei Gesellschaftern einer GbR, die seit 1994 im Grundbuch als Eigentümerin eines Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit der „Nr. 7“ bezeichneten Büro, eingetragen war. Das Büro wurde nicht errichtet, sondern wich dem Bau von PKW-Stellplätzen. Bis zum Jahr 2010 wurde die GbR nicht zu Hausgeldzahlungen herangezogen.

Nach dem Gesellschaftervertrag der GbR sollte ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden, wenn über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wird. Bei dem Beklagten war dies im Jahr 2002 der Fall. Erst 2017 wurde im Grundbuch eingetragen, dass der Gesellschaftsanteil des ausgeschiedenen Beklagten den Mitgesellschaftern der GbR angewachsen ist.

Im September 2013 beschlossen die Wohnungseigentümer den Wirtschaftsplan für das Jahr 2014: er sah für die „Einheit Nr. 7“ eine monatliche Hausgeldvorauszahlung in Höhe von 495 € vor. Darüber hinaus wiesen die Jahresabrechnungen für 2013 und 2014 eine Abrechnungsspitze für die „Einheit Nr. 7“ von 1.928,42 €, bzw. 3014 € aus.

Das AG gab der Zahlungsklage in Höhe von insgesamt 10.882,42 € statt. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg.

Entscheidung | BGH V ZR 250/19

Der BGH hielt die Revision für unbegründet. Der Beklagte hafte nach § 128 HGB analog, § 736 Abs. 2 BGB i.V.m § 160 Abs. 1 HGB.

Das Bestehen der Verbindlichkeit als solcher ergebe sich vorliegend aus § 16 Abs. 2 WEG. Der persönlichen Haftung des Beklagten nach o.g. Vorschriften stehe nicht entgegen, dass er bereits im Jahr 2002 aus der Gesellschaft ausgeschieden sei und die Beschlüsse erst im Anschluss gefasst worden seien.

Denn zunächst handele es sich bei der Forderung um eine Altverbindlichkeit im Sinne der Vorschrift, da ihre Rechtsgrundlage als Schuldverpflichtung bis zum Ausscheiden des Gesellschafters bereits gelegt worden sei, unabhängig davon, ob sie erst später entstand oder fällig wurde.

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Rechtsgrundlage war also die Frage, ob der Rechtsgrund § 16 Abs. 2 WEG bereits mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt wird oder ob er erst mit dem, jeweiligen Beschluss der Wohnungseigentümer, den Beitrag zu erheben, entsteht.

Zwar erlaube die Vorschrift auf den ersten Blick beide Deutungen. Allerdings sei im Ergebnis die Rechtsgrundlage für die Beitragsverbindlichkeit des Wohnungseigentümers mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt. Denn ab diesem Zeitpunkt schulde er die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums.

Hierfür zieht das Gericht den Sinn und Zweck des § 160 HGB heran, dem eine anderweitige Auslegung seiner Auffassung nach nicht gerecht werden würde. Eine solche würde im Ergebnis dazu führen, dass die Nachhaftung lediglich die nach dem zum Zeitpunkt seines Ausscheidens gültigen Wirtschaftsplans zu leistenden Vorschüsse umfasste sowie bereits beschlossene, aber erst nach seinem Ausscheiden fällig werdende Verbindlichkeiten (z.B. Sonderumlagen). Im Einzelfall könne dann die Nachhaftung sogar nur wenige Tage betragen.

Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Gesellschafter an der Beschlussfassung weder mitwirken, noch anfechten konnte. Insofern ließe sich auch die Rechtsprechung zum unzulässigen Gesamtakt zu Lasten von Rechtsvorgängern nicht übertragen, da es sich hier nicht um einen Beschluss zu Lasten Dritter handele. Denn die Zahlungspflicht beruhe nicht darauf, dass die Wohnungseigentümer den Beschluss fassen, vom Gesellschafter einen Beitrag zu erheben. Vielmehr beruhe sie auf einer Nachhaftung für die Beitragsverbindlichkeit der GbR gem. § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB.

Vorliegend käme zudem auch keine zeitliche Haftungsbegrenzung nach § 160 Abs. 1 S. 2 HGB auf fünf Jahre nach dem Ausscheiden in Betracht. Insoweit sei der Beklagte beweispflichtig im Hinblick auf die Tatsache geblieben, dass die Verwalterin der Klägerin bereits im Jahr 2002 über das Ausscheiden informiert worden sei. Fest stünde vielmehr nur, dass sie lediglich vom Insolvenzverfahren Kenntnis hatte. Allerdings wäre ihre positive Kenntnis von dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft maßgeblich für den Fristbeginn des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB.

Praxishinweis | BGH V ZR 250/19

Das Urteil stärkt die Position der Wohnungseigentumsgemeinschaft gegenüber vereinzelter GbR als Miteigentümer. Zunächst hält es fest, dass die Rechtsgrundlage der Beitragsverpflichtungen im Erwerb des Wohnungseigentums selbst liegt. Über die Nachhaftung kann die Miteigentümergemeinschaft sodann ab Kenntnis der Verwalterin vom Ausscheiden der Gesellschaft bis zu fünf Jahre Ansprüche geltend machen. Der ausscheidende Gesellschafter ist somit durch den weiten Anwendungsbereich des § 160 Abs. 1 HGB gut beraten, wenigstens sein Ausscheiden schnellstmöglich anzuzeigen.