BFH II R 45/17
Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft

17.03.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
27.05.2020
II R 45/17
DStR 2020, 2675

Leitsatz | BFH II R 45/17

  1. Grundbesitzende Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann sowohl eine Personen- als auch eine Kapitalgesellschaft sein.
  2. Bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten (mittelbaren) Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist für eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend.
  3. Hält der Erwerber bereits unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer unmittelbarer oder mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

Sachverhalt | BFH II R 45/17

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war mit 100 % an der B-GmbH beteiligt. Die B-GmbH war als Kommanditistin zu 95 % am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden KG beteiligt. Weitere Kommanditistin der KG mit einem Anteil von 5 % am Gesellschaftsvermögen war die G-GmbH. Komplementärin der KG ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen war die D-GmbH. An der D-GmbH war mit 100 % die V-GmbH beteiligt.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.08.2011 (Kaufvertrag) verkaufte die V-GmbH ihre 100% Anteile an der D-GmbH an die Klägerin. Die D-GmbH wurde umbenannt in A-GmbH. Des Weiteren verkaufte die G-GmbH ihre 5%ige Kommanditbeteiligung an der KG an die B-GmbH. Nach den Verkäufen und in der Folge durchgeführten Übertragungen waren somit an der KG ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen die A-GmbH als Komplementärin und als Kommanditistin zu 100% am Gesellschaftsvermögen die B-GmbH beteiligt. Die Klägerin war sowohl an der B-GmbH als auch an der A-GmbH zu 100 % beteiligt.

Das Finanzamt setzte gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Es ging davon aus, dass der Erwerb der Kommanditbeteiligung an der KG seitens der B-GmbH und der Erwerb aller Anteile an der D-GmbH seitens der Klägerin durch den Kaufvertrag den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) erfüllt habe.

Einen Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, der Erwerbsvorgang erfülle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht, da die Klägerin schon zuvor über ihre 100%ige Beteiligung an der B-GmbH mittelbar mit 95% am Gesellschaftsvermögen der KG beteiligt gewesen sei, wies das FA als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte ebenso wenig Erfolg.

Entscheidung | BFH II R 45/17

Die Revision ist begründet. Der Erwerbsvorgang begründet keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand. Als „Anteil der Gesellschaft“ i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist auch bei einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Gesellschaft anzusehen.

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer - soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt - ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95% der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden.

Die Vorschrift ist gleichermaßen auf grundbesitzende Personen- und Kapitalgesellschaften sowie den unmittelbaren wie mittelbaren Erwerb anwendbar. Bei einer grundbesitzenden Gesellschaft setzt ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, voraus, dass der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft) oder bei den Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen. Dies ist beispielsweise bei Vorhandensein einer einzigen Zwischengesellschaft der Fall, wenn der Anteilserwerber mindestens 95% der Anteile an der Zwischengesellschaft hält und diese ihrerseits zu mindestens 95% an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Beteiligung der Gesellschaft, die Gesellschafterin der grundbesitzenden Gesellschaft ist, für Zwecke des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG dem Anteilserwerber als mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet. Hierbei ist der Anteil am Vermögen der Gesellschaft maßgebend, weil nur dieser den beteiligten Gesellschafter die rechtliche Möglichkeit vermittelt, den Willen in der Gesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen.

Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich bei der grundbesitzenden Gesellschaft oder der Zwischengesellschaft um eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt. Der Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG würde verfehlt, wenn man insoweit zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften unterscheiden würde. Es spricht viel dafür, dass dies auch für die unmittelbare Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft gilt. Im Streitfall muss diese Rechtsfrage allerdings nicht entschieden werden, da es nicht um die unmittelbare, sondern um die mittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile der grundbesitzenden Personengesellschaft geht.

Hält der Erwerber bereits mittelbar mindestens 95% der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mittelbar zu 95% an der KG beteiligt. Diese Beteiligung wurde vermittelt durch ihre 100%ige Beteiligung an der zwischengeschalteten B-GmbH, die ihrerseits 95 % Anteile am Vermögen der KG hielt. Der mittelbaren Beteiligung der Klägerin an der KG in Höhe von mindestens 95 % steht nicht entgegen, dass vor Abschluss des Kaufvertrags die G-GmbH als weitere Kommanditistin und die D-GmbH - bzw. mittelbar die V-GmbH - als Komplementärin an der KG beteiligt waren. Denn für die mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden KG kommt es nicht auf die gesamthänderische Mitberechtigung, sondern auf den Anteil am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft an.

Praxishinweis | BFH II R 45/17

Der BFH setzt seine Rechtsprechung zur mittelbaren Anteilsvereinigung konsequent fort und schafft damit Rechtssicherheit. Der BFH stellt zunächst klar, dass es sich bei dem Anteil iSd § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG immer um den Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft handelt. Weiterhin kommt es nicht auf die Gesellschaftsform der Zwischengesellschaft und der grundbesitzenden Gesellschaft an. Zur Beurteilung der mittelbaren Anteilsvereinigung ist stets auf den prozentualen Anteil am Gesellschaftsvermögen abzustellen. Mangels entgegenstehender Gesichtspunkte, wird der BFH diese Grundsätze voraussichtlich auch auf unmittelbare Beteiligungen anwenden.