01.08.2022
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Brandenburg
18.05.2022
7 AktG 1/22
ZIP 2022, 1322
Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin streiten über die Wirksamkeit von Verschmelzungsbeschlüssen einer Familiengesellschaft. Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass zum Erhalt der Eigenart der Gesellschaft als Familiengesellschaft Geschäftsanteile nur dann an eine nicht nach Gesellschaftsvertrag „erbberechtigte“ Person abgetreten werden können, wenn alle Gesellschafter zustimmen. Ebenfalls regelt der Vertrag, dass bestimmte Beschlussgegenstände z.B. über Gewinnausschüttung, Feststellung des Jahresabschlusses, aber auch Vertragsänderungen, Auflösung der Gesellschaft, Ausschluss eines Gesellschafters und ebenso „sonstige Angelegenheiten von besonderer Bedeutung“ mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können.
Im Verschmelzungsvertrag ist eine Änderung der Eigenart der aufnehmenden Antragstellerin als Familiengesellschaft ausgeschlossen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Verschmelzungsbeschlüsse hätten gem. § 13 Abs. 2 UmwG ihrer Zustimmung bedurft.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das OLG Brandenburg wies die Klage ab. Keiner der mit der Klage vorgetragenen Erwägungen spreche für die Unwirksamkeit der Verschmelzungsbeschlüsse.
Nach § 13 Abs. 2 UmwG unterliege das Zustimmungserfordernis zum Verschmelzungsvertrag den gleichen Voraussetzungen und Zweckbindungen wie das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen nach den Gesellschaftsverträgen. Die Vertragsregel sei dabei sinnerhaltend auf die Zustimmung zur Verschmelzung zu übertragen. Im zu entscheidenden Fall dürfe damit jeder Gesellschafter einer Verschmelzung entgegentreten, die dazu führe, dass die entstehende oder fortbestehende Gesellschaft keine Familiengesellschaft mehr wäre. Insbesondere dürfe er eine Verschmelzung verhindern, als deren Ergebnis familienfremde, nicht „erbberechtigte“ Gesellschafter an dem entstehenden oder aufnehmenden Rechtsträger teilhätten. Im vorliegenden Fall sei die Wahrung der Familiengesellschaft aber gegeben. Ein Zustimmungsbedürfnis und mithin ein Sonderrecht zum Verhindern der Verschmelzung bestehe daher nicht.
Des Weiteren sei das dispositive Einstimmigkeitserfordernis des § 43 Abs. 1 UmwG aufgrund von § 43 Abs. 2 UmwG im Gesellschaftsvertrag abbedungen. Die betreffende Klausel sei nicht zu unbestimmt, da auch Verhandlungs- und Beschlussgegenstände ausdrücklich bezeichnet seien, die die Verfassung der Gesellschaft grundlegend ändern oder umstürzen, nämlich Vertragsänderungen, die Auflösung der Gesellschaft, der Ausschluss eines Gesellschafters und ebenso „sonstige Angelegenheiten von besonderer Bedeutung“. Die fehlende Benennung von Umwandlung oder Verschmelzung hindere deren Einordnung als Angelegenheit von besonderer Bedeutung nicht. Entscheidungen über eine Umwandlung stünden in ihrem Gewicht den ausdrücklich benannten Änderungen des Gesellschaftsvertrags gleich. Auch wenn der Gesellschaftsvertrag die Beschlussgegenstände grundsätzlich dem Erfordernis einfacher Mehrheit unterwerfe, führe er aus, dass dies in den Grenzen des Zulässigen - hier Dreiviertelmehrheit -geschehen solle. Die Gesellschafter stimmten mit Dreiviertelmehrheit für die Verschmelzungen.
Zuletzt stellt das OLG Brandenburg fest, dass die Frage des Umtauschverhältnisses nicht Gegenstand der Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG sei. Abweichend vom allgemeinen Beschlussmängelrecht führe es nicht zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit eines Verschmelzungsbeschlusses, wenn das Abfindungsangebot komplett fehle, zu niedrig bemessen oder aus anderen Gründen als nicht ordnungsgemäß zu beurteilen sei. Solche Mängel seien im Spruchverfahren geltend zu machen.
Der vorliegende Fall führt die Besonderheiten einer Familiengesellschaft vor Augen und unterstreicht, wie wichtig eine vorausschauende (Gesellschafts-)Vertragsgestaltung gerade in solchen Konstellationen ist.