BGH V ZB 87/20
Maßgeblichkeit des Gesellschaftsvertrags für Vererbung des Grundstücksanteils eines GbR-Gesellschafters

10.06.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
10.02.2022
V ZB 87/20
ZIP 2022, 687

Leitsatz | BGH V ZB 87/20

  1. Nach dem Tod des Gesellschafters einer im Grundbuch als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragenen GbR stellt die Buchposition des Gesellschafters keine gesondert vererbliche Rechtsposition dar; die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung vollzieht sich insgesamt nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags.
  2. Soll eine auf dem Grundstück einer GbR lastende Grundschuld nach dem Tod eines Gesellschafters mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers und der verbliebenen Gesellschafter gelöscht werden, ohne zuvor das Grundbuch zu berichtigen, muss die Zustimmungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nachgewiesen werden [Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 13.07.2017 – V ZB 136/16, ZIP 2017, 2109 = NJW 2017, 3715 Rz. 16 a.E. = EWiR 2017, 727 (Zipperer)].
  3. Der Nachweis der Zustimmungsbefugnis ist jedenfalls dann erbracht, wenn sich aus der in der Form des § 29 GBO eingereichten Zustimmungserklärung des Testamentsvollstreckers und der übrigen Gesellschafter ergibt, dass es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt und besondere gesellschaftsvertragliche Abreden für den Todesfall nicht getroffen worden sind, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Angaben bestehen; eidesstattlicher Versicherungen bedarf es nicht.

 

Sachverhalt | BGH V ZB 87/20

Die Eigentümerin des Wohnungseigentums ist die Beteiligte zu 1 (GbR), dessen Gesellschafter der Beteiligte zu 2 und der inzwischen verstorbene FZ sind. Der Beteiligte zu 3 ist der Testamentsvollstrecker über den Nachlass des FZ. Die Beteiligte zu 4 hatte zu Ihren Gunsten eine brieflose Grundschuld im Grundbuch eingetragen, dessen Löschung sie mit notarieller Urkunde bewilligte. Der Löschung stimmten für die GbR die Beteiligten zu 2 und 3 zu.

Das Grundbuchamt hatte den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Löschung der Grundschuld zurückgewiesen. Nachdem die hiergegen gerichtete Beschwerde erfolglos blieb, erhob die GbR Rechtsbeschwerde.

Entscheidung | BGH V ZB 87/20

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet und hat somit Erfolg.

Die GbR lege im Rahmen der Zulässigkeit schlüssig dar, dass sie durch die Beteiligten zu 2 und 3 als Liquidationsgesellschaft wirksam vertreten werde.

Die Rechtsbeschwerde sei auch begründet, da ein rückwirkend nicht behebbares Eintragungshindernis nach § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GBO nicht angenommen werden könne. § 27 S. 1 GBO setze für die Löschung der Grundschuld die Zustimmung der GbR voraus, welche grundsätzlich von allen gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 GBO im Grundbuch eingetragenen Gesellschaftern vorzunehmen sei. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts sei nicht zwischen dem Erfordernis der Voreintragung und der Bewilligungsbefugnis des Beteiligten zu 3 zu unterscheiden. Die Rechtsnachfolge der Gesellschafterstellung vollziehe sich grundsätzlich nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages. Die Buchposition des Gesellschafters sei keine gesondert vererbliche Rechtsposition. Die Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs nach § 891 BGB sei widerlegt, wenn ein eingetragener Gesellschafter einer GbR verstorben ist. Dann müssen dessen Rechtsnachfolger in den Gesellschaftsanteil die Zustimmung erklären. In Bezug auf das Erfordernis der Voreintragung gemäß § 39 Abs. 1 GBO gelte grundsätzlich nichts anderes. Allerdings sei die Voreintragung für die Zustimmung entbehrlich, wenn die Bewilligungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nachgewiesen sei. Dieser Nachweis sei zumindest dann erbracht, wenn sich aus der in der Form des § 29 GBO eingereichten Zustimmungserklärung des Beteiligten zu 3 und der übrigen Gesellschafter ergibt, dass es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt und besondere gesellschaftsvertragliche Abreden für den Todesfall nicht getroffen wurden. Dabei sei dem Grundbuchamt eine freie Beweiswürdigung gestattet., weshalb einfache Erklärungen insoweit ausreichend seien.

Der Schlussfolgerung des Beschwerdegerichts, dass ein Bestehen einer Liquidationsgesellschaft nicht vorliege, weil der verstorbene Gesellschafter unter der Anschrift des Wohnungseigentums wohnhaft war und er deshalb das Wohnungseigentum selbst genutzt habe, sei nicht zu folgen. Mithin sei der Beteiligten zu 1 durch Zwischenverfügung aufzugeben, die fehlenden Erklärungen in angemessener Frist zu übermitteln. Die erklärte Zustimmung nach § 27 S. 1 GBO sei wirksam, sofern sich aus den Erklärungen ergeben sollte, dass der Testamentsvollstrecker anstelle des verstorbenen Gesellschafters die Befugnisse des Abwicklers in der Liquidationsgesellschaft wahrnehmen soll. Dadurch werde die Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 40 Abs. 1 Alt. 1, § 47 Abs. 2 S. 2 GBO entbehrlich.

Folglich sei die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Gericht zurückzuweisen. Sodann habe das Grundbuchamt durch Zwischenverfügung von der GbR den Nachweis einzufordern die erforderlichen Erklärungen der Beteiligten 2 und 3 zu erbringen.

Praxishinweis | BGH V ZB 87/20

Das Grundbuchamt muss allein wegen des Vorliegens eines Testamentsvollstreckers nicht automatisch davon ausgehen, dass nach dem Tod eines Gesellschafters die Liquidation der Gesellschaft gewollt sei. Sofern Anhaltspunkte vorliegen, dass das Fortführen der Gesellschaft durch die Erben gewollt gewesen sei, sei die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Erben erforderlich. Dann sei auch deren Zustimmung zur Löschung einer Grundschuld erforderlich. Sofern der Testamentsvollstrecker der Ansicht ist, dass eine Liquidationsgesellschaft gewollt war, sollte er gemeinsam mit den übrigen Gesellschaftern nachweisen, dass es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt und weitere Vereinbarungen für den Todesfall nicht getroffen wurden. Dieser Nachweis sollte separat von der Zustimmung zur Löschung ausdrücklich erbracht werden.