OLG Jena 2 W 53/21
Legitimationswirkung der Gesellschafterliste erst nach Eintragung im Handelsregister

16.01.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Jena
15.02.2021
2 W 53/21
NZG 2021, 1025

Leitsatz | OLG Jena 2 W 53/21

  1. Im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern ist allein die Eintragung der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste maßgeblich. Diese entfaltet Legitimationswirkung für die Geltendmachung sämtlicher Gesellschafterrechte, ohne dass es auf die wahre Berechtigung ankommt. (nichtamtl. Leitsatz)
  2. Für den Eintritt der Legitimationswirkung kommt es auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister an. Bis zur Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister gilt der durch die alte Liste legitimierte Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft weiter als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten. Erst mit der erfolgten Aufnahme der geänderten Liste im Handelsregister tritt der Erwerber als Gesellschafter auch gegenüber der Gesellschaft an die Stelle des Veräußerers und es gehen sämtliche Mitgliedschaftsrechte und -pflichten von diesem Zeitpunkt an auf den Erwerber über. (nichtamtl. Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Jena 2 W 53/21

Die Antragstellerin reichte am 14.12.2020 eine geänderte Gesellschafterliste beim Registergericht ein, welche die G GmbH, nicht wie zuvor die M GmbH, als Alleingesellschafterin ausweist. Dieser wurde der Rechtspflegerin am 15.12.2020 vorgelegt und die geänderte Liste am selben Tag in das Handelsregister eingetragen.

Am 05.01.2021 ging die Anmeldung der Notarin L bei Gericht ein. Diese meldete die Eintragung der Beendigung des zwischen der Antragstellerin und der M GmbH bestehenden Gewinnabführungsvertrag zum 31.12.2020 an. Der Anmeldung waren der notariell beurkundete Aufhebungsvertrag und die, ebenfalls notariell beurkundeten, Zustimmungserklärungen der beteiligten Gesellschaften beigelegt. Das Registergericht wies die Antragstellerin mit Verfügung vom 12.01.2021 daraufhin, die Antragstellerin habe eine notariell beurkundete Zustimmung der G GmbH vorzulegen, weil aus der Gesellschafterliste vom 14.12.2020 ersichtlich sei, dass mit der Vorurkunde sämtliche Anteile an die G GmbH übertragen worden seien und die M GmbH daher nicht berechtigt war, der Aufhebung zuzustimmen. Die Antragstellerin erwiderte, dass die M GmbH berechtigt gewesen sei, da sie zu diesem Zeitpunkt noch in der in das Handelsregister eingestellten Gesellschafterliste eingetragen gewesen sei. Das Registergericht hält an seiner Beanstandung fest und führt ferner an, es habe seiner Prüfung die zum Stichtag 14.12.2020 in den Registerordner eingestellte Gesellschafterliste zugrunde zu legen.

Hiergegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein, welcher das Registergericht nicht abhalf.

Entscheidung | OLG Jena 2 W 53/21

Die statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet. Das benannte Eintragungshindernis bestehe nicht und das Registergericht ist angewiesen, die angemeldeten Tatsachen in das Handelsregister einzutragen.
Der in Rede stehende Gewinnabführungsvertrag zwischen der Antragstellerin und einer weiteren GmbH ist ein Unternehmensvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG. Auf diesen seien die bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrags geltenden Formvorschriften gemäß §§ 53, 54 GmbHG entsprechend anzuwenden. Dies liege daran, dass der durch den Unternehmensvertrag bewirkte Eingriff in den Gesellschaftszweck, die Zuständigkeitskompetenz der Gesellschafter und ihr Gewinnbezugsrecht satzungsgleich die rechtliche Grundstruktur der verpflichtenden GmbH ändere und ihm auch eine einer Satzungsänderung entsprechende Bedeutung zukomme.

Die Heranziehung der Regelungen der §§ 53 und 54 GmbHG liegen im vorliegenden Fall näher als der Rückgriff auf die Regelungen des Aktiengesetzes, da mit der Aufhebung eines Unternehmensvertrages ein Eingriff in die Organisationsstruktur der Gesellschaft verbunden sei und dadurch der rechtliche Status der verpflichtenden Gesellschaft geändert werde. Mithin sei entsprechend § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG die Zustimmung der verpflichtenden Gesellschaft erforderlich.

Bei rechtlicher Annahme, die M GmbH sei am 14.12.2020 noch verpflichtende Gesellschaft gewesen, sei die Zustimmung wirksam: Zwar wurde am selben Tag die Veräußerung und Abtretung des Geschäftsanteils durch die M GmbH an die G GmbH beurkundet. Es komme jedoch vielmehr auf den Inhalt der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste an. Indem § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine relative oder formale Rechtsstellung des Gesellschafters durch Normierung einer gesetzlichen Fiktion begründe, komme es im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern allein auf die Eintragung in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste an. Diese entfalte Legitimationswirkung für die Geltendmachung sämtlicher Gesellschafterrechte, ohne dass es auf die wahre Berechtigung ankomme. Für den Zeitpunkt der Legitimationswirkung der geänderten Gesellschafterliste komme es auf den Zeitpunkt ihrer Aufnahme im Handelsregister an. Im vorliegenden Fall wurde die geänderte Gesellschafterliste zwar am 14.12.2020 erstellt und versendet. Allerdings wurde sie erst am 15.12.2020, mithin zeitlich nach der Gesellschafterversammlung, der Rechtspflegerin vorgelegt und in den Registerordner eingestellt. Die Zustimmung der M GmbH am 14.12.2020 war somit wirksam.

Praxishinweis | OLG Jena 2 W 53/21

Fällt eine rechtserhebliche Handlung des Gesellschafters und die Änderung der Gesellschafterliste im Handelsregister zeitlich aufeinander, so kommt es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Handlung auf den Zeitpunkt der Änderung der Liste im Handelsregister an. Dem Gesellschafter obliegen im Innenverhältnis Gesellschafterrechte, unabhängig von der tatsächlichen materiellen Gesellschafterstellung, bis die Gesellschafterliste wirksam im Handelsregister geändert wurde. Um Unsicherheiten vermeiden zu können, empfiehlt es sich hingegen, wichtige Entscheidungen zeitlich weit im Voraus zu treffen und anschließend die Gesellschafterliste zu ändern.