BGH I ZR 113/22
Keine wirksame Vereinbarung einer Reservierungsgebühr in AGB

15.05.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
20.04.2023
I ZR 113/22
juris

Leitsatz | BGH I ZR 113/22

  1. Ein im Nachgang zu einem bereits bestehenden Immobilienmaklervertrag geschlossener Reservierungsvertrag stellt eine der uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende Nebenabrede zum Maklervertrag dar, wenn zwischen den beiden in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschlossenen Verträgen eine unmittelbare Verbindung besteht und die Verpflichtung zum exklusiven Vorhalten der Immobilie deshalb als maklerrechtliche Zusatzleistung anzusehen ist (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 - III ZR 21/10, NJW 2010, 3568).
  2. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr für das zeitlich begrenzte exklusive Vorhalten einer Immobilie zu seinen Gunsten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus der Reservierungsvereinbarung für den Kunden weder nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist (Bestätigung von BGH, NJW 2010, 3568).

Sachverhalt | BGH I ZR 113/22

Die Kläger schlossen im Juli 2019 einen Maklervertrag mit der Beklagten. Daraufhin wies die Beklagte den Klägern ein Grundstück mit Einfamilienhaus nach. Über dieses schlossen die Parteien im September 2020 eine Reservierungsvereinbarung, in welcher eine Reservierung für einen Monat und eine Reservierungsgebühr i.H.v. 4.200 € (1 % des Kaufpreises) vereinbart wurde. Bei Abschluss eines Kaufvertrags sollte die Gebühr auf die Maklerprovision angerechnet werden. Da den Klägern keine Finanzierung gelang, nahmen sie vom Kauf Abstand und verlangten von der Beklagten die Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auch das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen, da die Reservierungsvereinbarung eine eigenständige Vereinbarung und mangels nach §§ 307 ff. BGB kontrollfähigen Inhalts auch wirksam sei.

Entscheidung | BGH I ZR 113/22

Die Revision hat Erfolg. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB sowie einen Zinsanspruch aus § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Zunächst unterliegt der Reservierungsvertrag der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Eine solche Kontrolle findet grundsätzlich nicht bei Hauptleistungspflichten, also Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand statt. Ob solche vorliegen, ist durch Auslegung der Vereinbarungen zu ermitteln. Vorliegend ist festzustellen, dass die Vermittlung der Immobilie als Maklerleistung, Hauptleistung des Vertrags war. Im Verhältnis dazu ist die getroffene Reservierungsvereinbarung eine bloße Nebenabrede, die im Zusammenhang mit der Hauptleistung steht. Hierfür spricht zunächst, dass die Parteien im Reservierungsvertrag als „Makler“ und „Kaufinteressent“ bezeichnet werden. Außerdem wird durch die Reservierungsgebühr eine bestimmte Maklerleistung honoriert. Schließlich scheint eine Reservierungsverpflichtung ohne Maklervertrag nicht sinnvoll und die Reservierungsgebühr soll gerade auf die Maklerprovision angerechnet werden. Nicht von Belang ist hingegen, dass die beiden Leistungen separat und mit deutlichem zeitlichem Abstand vereinbart wurden. Denn sonst könnten Makler Reservierungsvereinbarungen allein durch die Wahl der Vertragsgestaltung der AGB Kontrolle entziehen.

Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Maklerkunden unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen durchsetzen will, ohne einen angemessenen Ausgleich herzustellen. Im konkreten Fall ist die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen, ohne dass der Kunde nennenswerte Vorteile aus dem Vertrag erhält. Zwar bietet die Beklagte die Immobilie nicht weiter an, trotzdem kann der Verkäufer weiterhin von dem Verkaufsinteresse Abstand nehmen oder seine Immobilie anderweitig veräußern. Durch die Gebühr entsteht außerdem ein gewisser Druck für die Kläger, die Immobilie auch zu erwerben. Auch bringt die Beklagte kaum einen Verzicht, da die Reservierung nur für einen Monat andauert und sie im Zweifel in so kurzer Zeit keinen anderen Interessenten gefunden hätte. Des Weiteren hat die Beklagte keine anderweitige Leistung erbracht, wie z.B. die Unterstützung der Kläger bei einer Finanzierung. Schließlich kommt der Reservierungsvertrag einer erfolgsunabhängigen Provision gleich. Dies widerspricht aber dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrags, wonach eine Provision nur geschuldet ist, wenn die Maklertätigkeit erfolgreich war.

Somit ist der Reservierungsvertrag gem. § 307 Abs. 1 S, 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Daher kann offenbleiben, ob auch eine Nichtigkeit gem. §§ 311 Abs. 1 S. 1, 125 BGB oder § 138 BGB vorliegt.

Praxishinweis | BGH I ZR 113/22

Entgeltliche Reservierungsvereinbarungen sind in der Maklerpraxis bisher nicht unüblich. Durch das vorliegende Urteil hat der BGH aber zumindest der formularmäßigen Vereinbarung solcher Vereinbarungen eine Absage erteilt. Bei Individualvereinbarungen sind die inhaltlichen Ansprüche hoch, es muss sichtbar sein, dass es ein Geben und Nehmen gibt. Ist dies nicht der Fall, können Kunden eine in AGB vereinbarte Reservierungsgebühr vom Makler zurückverlangen. Damit hat der BGH die Rechte der Verbraucher gestärkt. Weiterhin möglich bleiben selbstverständlich unentgeltliche Absprachen.