BGH IX ZR 243/18
Keine Gleichstellung des aus einer Treuhand begünstigten Darlehensgebers mit einem Gesellschafter bei doppelseitigem Treuhandverhältnis

16.04.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
25.06.2021
IX ZR 243/18
DStR 2020, 1928

Leitsatz | BGH IX ZR 243/18

  1. Der Insolvenzverwalter hat für eine Anfechtung einer Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens Befriedigung gewährt hat, darzulegen und zu beweisen, dass der Dritte kein Gesellschafter des Schuldners ist. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Dritte einem Gesellschafter gleichzustellen ist, trifft hingegen den Anfechtungsgegner.
  2. Ansprüche eines Darlehensgebers stehen wirtschaftlich einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens gleich, wenn sich die Tätigkeit der Gesellschaft für den Darlehensgeber in einer Gesamtbetrachtung aufgrund seiner einem Gesellschafter vergleichbaren Rechtsstellung als eine eigene unternehmerische Betätigung darstellt. Hierzu sind bei der jeweiligen Gesellschaftsform die bestehende Gewinnbeteiligung des Darlehensgebers, seine gesellschaftergleichen Rechte und seine Teilhabe an der Geschäftsführung in einem Gesamtvergleich mit der Rechtsposition eines Gesellschafters zu betrachten.
  3. Ein doppelseitiges Treuhandverhältnis, bei dem der Gesellschafter als Treugeber seinen Gesellschaftsanteil auf einen Treuhänder überträgt, der ihn zugleich treuhänderisch zugunsten des Darlehensgebers hält, führt nicht dazu, dass der Darlehensgeber allein aufgrund der zu seinen Gunsten bestehenden treuhänderischen Berechtigung einem Gesellschafter gleichzustellen ist. Auch insoweit kommt es darauf an, wie die Rechtsstellung des Darlehensgebers im Vergleich zu einem Gesellschafter ausgestaltet ist.
  4. Eine bloß faktische Möglichkeit des Darlehensgebers, Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft zu nehmen, genügt nicht für eine Gleichstellung mit einem Gesellschafter.

(amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | BGH IX ZR 243/18

Ein Bankenkonsortium gewährte der Insolvenzschuldnerin ein u.a. über eine doppelseitige Treuhand besichertes Darlehen als Sanierungskredit. Im Anfechtungsprozess des Verwalters gegen die Muttergesellschaft (einer GmbH & Co.) der Schuldnerin gem. § 135 Abs. 2 InsO streiten die Parteien darüber, ob das Bankenkonsortium einem Gesellschafter der Schuldnerin gleichzustellen und daher richtiger Beklagter gem. § 135 Abs. 1 InsO ist.

Das LG hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Auf die Berufung des Verwalters hat das Oberlandesgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Entscheidung | BGH IX ZR 243/18

Der BGH wies die Revision der Beklagten ab, da die Banken gesellschaftsfremde Dritte i.S.v. § 135 Abs. 2 InsO seien.

Der BGH führt aus, dass die Darlehensgewährung durch einen Dritten keiner anderen Beurteilung unterliege als die Stellung eines atypischen stillen Gesellschafters. Es gehe daher darum, wie bei der jeweiligen Gesellschaftsform ein Dreifachtatbestand aus Gewinnbeteiligung des Darlehensgebers, seinen gesellschaftergleichen Rechten und seiner Teilhabe an der Geschäftsführung in einem Gesamtvergleich mit der Rechtsposition eines regulären Gesellschafters zu betrachten sei. Zur Gleichstellung des Darlehensgebers mit einem Gesellschafter reiche die Gewährung von Sicherheiten für ein Darlehen alleine nicht aus. Der Darlehensgeber müsse über seine Rolle als Fremdkapitalgeber hinausgehen.

Der BGH stellte heraus, dass auch eine im Zusammenhang mit einem Treuhandverhältnis erfolgte Rechtshandlung wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprechen könne. Dafür sei entscheidend, wie sich die gesamte Rechtsstellung des Darlehensgebers im Rahmen des Treuhandverhältnisses gestalte. Solange sich die dem Darlehensgeber aus der doppelseitigen Treuhand eingeräumten Rechte auf eine Sicherungsfunktion beschränkten sei der Darlehensgeber nicht mit einem Gesellschafter gleichzustellen. Gleiches gelte, wenn der Treuhandvertrag im Hinblick auf den Darlehensgeber einen Treuhandvertrag zugunsten Dritter darstelle. In einem solchen Fall stünden dem Darlehensgeber nur die im Innenverhältnis eingeräumten Rechte zu. Im Regelfall, so der BGH, sei die Situation eines durch eine doppelseitige Treuhand begünstigten Drittdarlehensgebers daher vergleichbar mit der eines typischen Pfandgläubigers, der sich im Sicherungsfall ebenfalls nur aus dem Wert des Gesellschaftsanteils befriedigen könne. Bei einer typischen Ausgestaltung der doppelseitigen Treuhand scheide eine Einbeziehung in die Regelungen über Gesellschafterdarlehen daher grundsätzlich aus.

Der BGH stellte fest, dass der Fall anders läge, wenn die dem Darlehensgeber aufgrund der Treuhandvereinbarung und ggf. sonstiger Abreden zustehenden Rechte in einer Gesamtwürdigung den schon erwähnten Dreifachtatbestand aus Gewinnbeteiligung, gesellschaftergleichen Rechten und Teilhabe an der Geschäftsführung in einer Weise erfüllten, dass seine Rechtsposition der eines regulären Gesellschafters entspreche. Im zu entscheidenden Fall bestünde jedoch keine gesellschaftergleiche Stellung der Banken, da die Beteiligung der Banken am Gewinn der Schuldnerin nicht besonders hoch sei. Die in der Treuhandvereinbarung festgelegte Beteiligung am Verwertungserlös und sonstigen Zahlungen sei der Höhe nach ausdrücklich auf die Ansprüche der Banken einschließlich Nebenkosten wie Zinsen und Kosten beschränkt und begründe somit in erster Linie eine Sicherheit. Diese allenfalls indirekte Beteiligung am Gewinn könne nur ein schwaches Indiz für eine Gleichstellung als Gesellschafter sein. Darüber hinaus entspräche sie in ihrem Umfang den Ansprüchen bei einem Fremddarlehen. Ein Kommanditist erhielte nach §§ 167 ff. HGB eine deutlich höhere Gewinnbeteiligung als die Banken.

Hierzu führte der BGH aus, dass die in der Treuhandvereinbarung und den weiteren Vereinbarungen getroffenen zusätzlichen Abreden nicht genügten, den Banken einen gesellschaftergleichen unternehmerischen Einfluss zu gewähren. Eine doppelseitige Treuhand reiche hierfür nicht aus, da die Treuhänderin weisungsfrei sei und ihre Befugnis, Stimmrechte und Gesellschafterrechte eigenverantwortlich ausübe. Es sei für eine Gleichstellung eines Darlehensgebers mit einem Gesellschafter anders als im Eigenkapitalersatzrecht nicht ausreichend, dass die Gesellschafter in grundsätzlichen Fragen nicht mehr eigenverantwortlich entscheiden können. Zu Fragen sei, wem die Entscheidungsbefugnis zuwachse. Diese liege im vorliegenden Fall bei der Treuhänderin.

Die Banken hätten keine Möglichkeit gehabt, die Entscheidungen der Treuhänderin oder der Schuldnerin in rechtlich begründeter Art zu beeinflussen. Selbst die Richtigkeit der Behauptungen der Beklagten unterstellt, die Banken hätten jeweils die Person des Geschäftsführers der Treuhänderin und der Schuldnerin durchgesetzt würde es an einer rechtlich begründeten Stellung der Banken, die Geschäftsführer der Treuhänderin oder der Schuldnerin zu beeinflussen fehlen. Ebenso wenig begründe es eine Leitungsmacht der Banken, wenn diese auf einem bestimmten Treuhänder bestehen. Auch die Befugnis der Treuhänderin, Organe der Schuldnerin und anderer Gruppengesellschaften zu bestellen und abzuberufen, verschaffe den Banken keinen gesellschaftergleichen Einfluss.

Der BGH kommt damit zum Ergebnis, dass das streitbefangene doppelseitige Treuhandverhältnis auch bei einer Gesamtwürdigung von Gewinnbeteiligung, Einfluss auf die Geschäftsführung und eingeräumten Rechten der Banken selbst auf Grundlage der Behauptungen der Beklagten nicht zu einer Gleichstellung der Banken mit einem Gesellschafter führe.

Zutreffend habe schon das Berufungsgericht angenommen, dass eine bloß faktische Möglichkeit, Einfluss auf die Entscheidungen der Schuldnerin zu nehmen, für eine Gleichstellung mit einem Gesellschafter nicht genüge. Gleiches gelte für eine nur wirtschaftliche Machtposition. Ob dies anders sei, wenn der Darlehensgeber faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin ist, könne hier dahinstehen. Zwischen Treugebern und Banken bestehe keine BGB-Gesellschaft mit konzernrechtlichen Folgen i.S.d. §§ 15 ff. AktG. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Treugeber und die Banken letztlich keine deckungsgleichen Ziele verfolgten und daher keine stillschweigende Vereinbarung über die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts getroffen hätten.

Praxishinweis | BGH IX ZR 243/18

Diese Grundsatzentscheidung des BGH ist für die Praxis außerordentlich wichtig, da sie für Rechtssicherheit sorgt. Der Dreifachtatbestand aus Gewinnbeteiligung des Darlehensgebers, gesellschaftergleichen Rechten und Teilhabe an der Geschäftsführung einerseits und einem vorzunehmenden Gesamtvergleich mit der Rechtsposition eines regulären Gesellschafters andererseits eröffnet der Praxis die Möglichkeit, schon in der Vertragsgestaltung Diskussionen über eine gesellschaftergleiche Stellung der Darlehensgeber zu vermeiden. Eine zweite für die Praxis wichtige Feststellung ist, dass der BGH keine Bedenken hat, wenn Darlehensgeber die Einsetzung eines bestimmten Treuhänders und/oder die Einsetzung einer bestimmten Person als Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft und/oder des Kreditnehmers zur Auflage machen. Damit steht es im freien Ermessen der Banken, ob sie die Auswahl des Treuhänders den Treugebern überlassen wollen oder aber diese Entscheidung selbst treffen.