FG Münster 3 K 3184/17 Erb
Keine Erbschaftsteuerbefreiung bei verzögerter Selbstnutzung eines Familienheims

14.10.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

FG Münster
24.10.2019
3 K 3184/17 Erb
DStRE 2020, 289

Leitsatz | FG Münster 3 K 3184/17 Erb

Für die Steuerfreiheit des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG muss der Erbe die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmen, wobei ein Zeitraum von sechs Monaten in der Regel angemessen ist.

Sachverhalt | FG Münster 3 K 3184/17 Erb

Mit der Klage vom 13.07.2017, gerichtet gegen einen Erbschaftssteuerbescheid vom 21.20.2015 und Einspruchsentscheidung vom 12.09.2017 des Beklagten, verfolgt der Kläger das Ziel der Gewährung der Steuerbegünstigung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.

Der Kläger ist Alleinerbe seines am 10.10.2013 verstorbenen Vaters. Kläger und Vater bewohnten jeweils eine aneinander angrenzende Doppelhaushälfte. Nach dem Tod des Vaters verband der Kläger beide Doppelhaushälften baulich und katastermäßig zu einer Einheit und nutzt diese nach umfangreichen Sanierungs- und Renovierungsarbeiten seit August 2016 als eine Wohnung.

Der Klage voran ging umfangreiche Korrespondenz zwischen den Beteiligten mittels Bescheiden und Einsprüchen.

Im Wesentlichen trägt der Kläger vor, dass sich durch die umfangreichen und erforderlichen Renovierungsarbeiten die Selbstnutzung unverschuldet verzögert habe. Die Planungen der notwendigen Bau- und Sanierungsmaßnahmen hätten im Dezember 2013 stattgefunden. Die Vornahme der geplanten Maßnahmen durch den beauftragten Bauunternehmer habe sich aufgrund der Witterungsbedingungen und engen Auftragslage bis April 2014 verzögert. Weitere Verzögerungen seien durch umfangreiche Baumaßnahmen im Außen- und Innenbereich wegen Feuchtigkeitsschäden entstanden (... der Kläger führte hier zu den einzelnen Maßnahmen aus). Diese Maßnahmen haben zwingend vor der eigentlichen Renovierung des Innenbereichs stattfinden müssen.

Die Beklagte stützt ihr Vorbringen auf ein Urteil des BFH vom 23.06.2015 – II R 39/13 und wandte sich gegen die vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Diesen sei nicht zu entnehmen, wann und wem Aufträge zu Baumaßnahmen erteilt worden seien. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass die schwerpunktmäßigen Umbaumaßnahmen im Innenbereich erst ab Januar 2016 stattgefunden hätten. Dass die Arbeiten im Außenbereich für die Renovierungsarbeiten im Innenbereich abgeschlossen werden mussten und somit kausal für die Verzögerung sind, habe der Kläger nicht belegt.

Entscheidung | FG Münster 3 K 3184/17 Erb

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der Steuerfreiheit gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.

Steuerfrei bleibt der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem bebauten Grundstück ua durch Kinder iSd Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.

Zu Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken ist gegeben, wenn der Erwerber die Absicht hat, das Haus selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Der innere Wille kann dabei nur anhand äußerer Umstände festgestellt werden.

Zwar sei dem Erben eine angemessene Prüfungs- und Überlegungszeit einzuräumen. Angemessen ist ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Innerhalb dieser Zeit muss die Absicht zur Eigennutzung tatsächlich umgesetzt werden. Darüber hinaus kann der Zeitraum angemessen sein, wenn der Erbe darlegt und glaubhaft macht, dass ein früherer Einzug nicht möglich gewesen ist und aus welchen Gründen er diese Verzögerung nicht zu vertreten hat. Je größer der zeitliche Abstand zwischen Anfall der Erbschaft und tatsächlichem Einzug des Erben ist, desto höher sind die Anforderungen an die Darlegung und die Begründung. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist hier eine enge Auslegung der Vorschrift geboten (BFH v. 23.06.2015 – II R 13/13 - und - II R 39/13; BFH v. 28.05.2019 – II R 37/16).

Ein tatsächlicher Einzug hat hier nicht stattgefunden. Nicht ausreichend für die Bestimmung zur Selbstnutzung ist die Einleitung von umfassenden Baumaßnahmen. Dabei handelt es sich nach Auffassung des Senats lediglich um Vorbereitungshandlungen, die dem erforderlichen unverzüglichen Einzug iS der Selbstnutzung nicht gerecht wird. Der Einzug des Klägers erfolgte unstreitig erst im August 2016. Aufgrund der den Zeitraum von 6 Monaten weit überschreitenden Zeit von fast drei Jahren nach Eintritt des Erbfalls, sind hohe Anforderungen an die Begründung des Klägers zu stellen. Nach Auffassung des Senats liegen hier keine Gründe vor, die der Kläger keine Entscheidungsgewalt über die Umstände gehabt hätte.

Der Senat verkennt hier nicht, dass die vorgebrachten Feuchtigkeitsschäden bereits im Erbfall belegbar vorhanden gewesen sind. Allerdings wären bautechnisch andere, insbesondere schnellere Maßnahmen möglich gewesen. Diese hat der Kläger aber nicht mal angefragt. Zudem sollten wesentliche Arbeiten auf Anweisung des Klägers im Heizungs- und Sanitärbereich erst nach weitgehendem Verbrauch des Heizöls vorgenommen werden. Der Kläger hat trotz Kenntnis der angespannten Auftragslage das ausführende Bauunternehmen beauftragt. Zudem ist das Haus vom Kläger nicht rechtzeitig geräumt und entrümpelt worden. Die maßgeblichen Umbaumaßnahmen haben erst Anfang 2016 begonnen.

Der BFH gibt dem Kläger insoweit Recht, als dass es für die Entscheidung nicht auf die Unmittelbarkeit der Selbstnutzung sondern auf die Unverzüglichkeit der Bestimmung zur Selbstnutzung ankommt. In enger, verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift ist zur Bestimmung der Unverzüglichkeit der Bestimmung zur Selbstnutzung auf den zeitnahen Beginn der Selbstnutzung abzustellen. Hier lag es in mehreren Punkten in der Entscheidungsgewalt des Klägers die Baumaßnahmen zu beschleunigen.

Gegen das Urteil hat der Kläger Revision beim BFH eingelegt. Das dortige Revisionsverfahren läuft noch und bleibt abzuwarten.

Praxishinweis | FG Münster 3 K 3184/17 Erb

Die Entscheidung des FG Münster zeigt exemplarisch auf, dass die Anforderungen an Steuerentlastungen hoch sind. Die vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausnahmen von der Steuerlast und der damit verbundenen Finanzierung des Allgemeinwohls sind eng auszulegen. Insbesondere bei Überschreitung der in der Rechtsprechung als angemessen anerkannte Übergangszeiträume sind hohe Anforderungen an das Vertreten des Betroffenen zu stellen.

Zwar bleibt die Entscheidung im Revisionsverfahren abzuwarten. Die Möglichkeit, die das FG Münster und die langjährige Rechtsprechung des BFH hier grundsätzlich offenlassen, ist die vor Einzug geplante Renovierung des Eigenheims des Erblassers. Allerdings muss derjenige, der in den Genuss der Steuerbefreiung kommen möchte, Vorsicht walten lassen und die Arbeiten so zügig wie möglich abschließen. Nicht erforderlich ist der Einzug in ein stark renovierungsbedürftiges Eigenheim und die nachträgliche Vornahme von Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen, die mit einem „Leben auf einer Baustelle“ verbunden wären. Der Erbe muss aber die Entscheidungsmöglichkeiten, die ihm bei Planung und Vornahme der Baumaßnahme obliegen, so nutzen, dass Verzögerungen nicht in seinem Verantwortungsbereich auftreten können.

Gegen die Entscheidung ist Revision beim BFH Az. II R 46/19 eingelegt worden. Das Verfahren ist derzeit noch anhängig.