BGH V ZR 139/19
Keine Beurkundungsbedürftigkeit eines als Bedingung für den Grundstückskauf geschlossenen Durchführungsvertrag

05.11.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
29.01.2021
V ZR 139/19
NotBZ 2021, 213 = MDR 2021, 673

Leitsatz | BGH V ZR 139/19

  1. Dass ein beurkundungsbedürftiges Grundstücksgeschäft unter der Bedingung des Zustandekommens oder des Fortbestands eines anderen Rechtsgeschäfts vorgenommen wird, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, dass die Rechtsgeschäfte nach dem Willen der Parteien eine Einheit bilden und daher beide beurkundungsbedürftig sind. Eine Geschäftseinheit liegt nur vor, wenn Teile des anderen Rechtsgeschäfts Inhalt des Grundstücksgeschäfts sein sollen. (Rn. 11)
  2. Ein notarieller Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, ein Grundstück an eine Gemeinde zu übereignen, ist daher nicht deshalb formunwirksam, weil er unter der (beurkundeten) aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit eines nicht beurkundeten Durchführungsvertrages i.S.v. § 12 Abs. 1 BauGB steht. (Rn. 16)
  3. Die Verjährungsvorschrift des § 196 BGB findet auf Besitzübertragungsansprüche entsprechende Anwendung, wenn der Gläubiger die Besitzeinräumung neben der Verschaffung des Eigentums beanspruchen kann, wie dies etwa bei einem Grundstückskaufvertrag der Fall ist. (Rn. 25)

Sachverhalt | BGH V ZR 139/19

Die Beklagte zu 1 verpflichtete sich mit notariellem Grundstücksvertrag vom 11.09.2007, der Klägerin (Gemeinde) zwei noch zu vermessende Teilflächen eines näher bezeichneten Grundstücks zu übertragen. Dieser aufschiebend bedingte Vertrag sollte erst mit „Rechtskraft“ des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (Anlage 2 der Urkunde) und des Durchführungsvertrages zu diesem Bebauungsplan (Anlage 3 der Urkunde) wirksam werden. Der Durchführungsvertrag wurde am 11.12.2007 geschlossen und nicht notariell beurkundet. Am selben Tag beschloss der Rat der Klägerin den vorhabenbezogenen Bebauungsplan, welcher am 09.05.2008 im Gemeindeblatt bekanntgemacht wurde.

In der Folgezeit übertrug die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 einen Teil der im Grundstücksvertrag mit der Klägerin bezeichneten Grundstücksflächen. Die Beklagte zu 2 wurde 2012 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin verfolgt mit der zugelassenen Revision ihre Ansprüche weiter. Sie verlangt von der Beklagten zu 1 die Herausgabe und Übereignung von näher bezeichneten Grundstücken, die nach der Neuvermessung der im Grundstücksvertrag näher bezeichneten Teilfläche entstanden sind. Darüber hinaus verlangt sie von beiden Beklagten die Herausgabe und Übereignung der Teilfläche, die die Beklagte zu 1 an die Beklagte zu 2 übertragen hat.

Entscheidung | BGH V ZR 139/19

Das Berufungsgericht ist der Annahme, der Grundstücksvertrag und der Durchführungsvertrag bilden eine rechtliche Einheit. Mangels notarieller Beurkundung des Durchführungsvertrages sei dieser gemäß § 125 Satz 1 BGB wegen eines Formmangels nichtig, weshalb die Bedingung der „Rechtskraft“ des Durchführungsvertrages nicht eintreten könne. Der Bundesgerichtshof teilt zwar diesen Ausgangspunkt, fügt hingegen hinzu, dass bei einer rechtlichen Einheit sogar der Grundstückskaufvertrag gemäß §§ 125 Satz 1, 139 BGB nichtig wäre. Diese dürfe allerdings nicht nur aus dem Grund angenommen werden, dass die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages unter der aufschiebenden Bedingung des Durchführungsvertrages gestellt wurde.

Die Auslegung des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe, dass alles zu beurkunden sei, was nach dem Willen der Parteien Inhalt des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts werden soll. Dies ergebe, dass bei einheitlichen Rechtsgeschäften auch an sich nicht beurkundungsbedürftige Geschäfte, der notariellen Beurkundung bedürfen. Ob eine solche Einheitlichkeit vorliegt, unterliege allein dem Willen der Parteien, welcher unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ausgelegt werden müsse. Eine Geschäftseinheit liege nur vor, wenn Teile des anderen Rechtsgeschäfts Inhalt des Grundstücksgeschäfts sein sollen. Sofern die Verträge wie im vorliegenden Fall äußerlich getrennt voneinander geschlossen werden, bedürfe es für den Willen einer Einheitlichkeit genügend Anhaltspunkte. Der Bundesgerichtshof sieht Geschäfte als einheitlich an, die miteinander „stehen und fallen“ sollen. Es komme darauf an, ob die Parteien die Übertragung der Grundstücksflächen von dem Inhalt der Regelungen des Durchführungsvertrages abhängig machen wollten. Der Durchführungsvertrag müsse eine Verpflichtung der Beklagten zu 1 enthalten, Grundstücke auf die Klägerin zu übertragen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich aus dem Durchführungsvertrag allerdings nicht.

Zutreffend gehe das Berufungsgericht im Ergebnis auch davon aus, der Anspruch sei nicht verjährt. Es sei für die Beurteilung zwischen dem Anspruch auf Übereignung und dem Anspruch auf Besitzverschaffung zu unterscheiden:

Die Verjährung des Anspruchs auf Übereignung der näher bezeichneten Grundstücke richte sich nach § 196 BGB. Die Frist beginne mit der Entstehung des Übereignungsanspruchs, also mit der Bekanntmachung des Bebauungsplans am 09.05.2008. Die Klageeinreichung am 07.05.2008 habe zur Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geführt. Der Anspruch sei mithin nicht verjährt. Sofern der Anspruch auf Besitzverschaffung an Grundstücken, wie hier, neben dem Anspruch auf Übereignung geltend gemacht werden soll, werde die Vorschrift des § 196 BGB analog angewandt, sodass auch dieser Anspruch nicht verjährt sei.

Der Bundesgerichtshof weist die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Praxishinweis | BGH V ZR 139/19

Sollten die Parteien eines Grundstückskaufvertrages den Vertrag mit einem anderen Vertrag zu einer rechtlichen Einheit verbinden wollen, so bedarf auch der (ansonsten nicht beurkundungsbedürftige) andere Vertrag der notariellen Beurkundung. Um Unklarheiten bei der Beurteilung einer solchen rechtlichen Einheit zu vermeiden, sollte der Vertrag eindeutig den Willen der Parteien feststellen, dass die Übertragung des Grundstücks von dem Inhalt der Regelungen des anderen Vertrags abhängig sein soll. Es sollten hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine inhaltliche Abhängigkeit der beiden Verträge gewollt ist. Zudem sollten in einem solchen Fall unbedingt beide Verträge notariell beurkundet werden.