BGH IV ZR 174/20
Keine Berücksichtigung von Grabpflegekosten bei der Berechnung des Zusatzpflichtteilsanspruchs

19.01.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
26.05.2021
IV ZR 174/20
NJW 2021, 2115

Leitsatz | BGH IV ZR 174/20

  1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.
  2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.
  3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gem. § 2305 BGB.

Sachverhalt | BGH IV ZR 174/20

Die am 05.03.2017 verstorbene Erblasserin war ledig und hatte keine leiblichen Kinder. Den Kläger hatte sie als ehelichen Abkömmling durch Adoption angenommen. Die Erblasserin hatte ein eigenhändiges Testament hinterlassen, in welchem sie die Beklagte zur Testamentsvollstreckerin benennt und weitere Personen namentlich mit einem gewissen Anteil ihres Vermögens begünstigt. Der verbliebende Teil soll für die Grabpflege genutzt werden. Nach dem Beschluss des Nachlassgerichts am 06.09.2017 wird die Beklagte zur Testamentsvollstreckerin ernannt und ihr ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt.

Der Kläger beziffert den Aktivnachlass auf 16.102,74 Euro und die Nachlassverbindlichkeiten, die Grabpflegekosten nicht eingeschlossen, auf 6.337,55 Euro. Der Kläger forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung von 3.559,77 Euro auf, was diese ablehnte und ihm lediglich 809,44 Euro überwies.

Der Kläger behauptet, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 3.559,77 Euro insgesamt zu, woraus sich abzüglich der gezahlten 809,44 Euro ein verbleibender Anspruch in Höhe von 2.750,33 Euro ergebe. Dies begründet er mit der Ansicht, die Grabpflegekosten seien bei dem Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen. Nachdem sowohl seine Klage als auch seine Berufung abgelehnt wurden, verfolgt er in der Revision sein Begehren teilweise weiter: Er verlangt die Zahlung von 3.209,04 nebst Zinsen gegen die Beklagten zu 1-6, die Duldung der Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu 6 sowie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Entscheidung | BGH IV ZR 174/20

Die Revision des Klägers hat Erfolg und die Sache wird an das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Der Kläger sei der einzige Abkömmling der Erblasserin und pflichtteilsberechtigt gemäß § 2303 Abs. 1 BGB. Ihm stehe die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, mithin ein Betrag in Höhe von 3.209,04 Euro, zu. Die Auslegung der letztwilligen Verfügung ergebe, dass die Erblasserin die eingesetzten Personen als alleinige Erben einsetzen wollte. Demnach stehe dem Kläger laut Testament eine Erbquote von 9,09 % und mithin ein Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 S. 1 BGB von 40,91 % zu.

Das Revisionsgericht sieht den Anspruch, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, mit der Zahlung von 809,44 Euro als nicht erfüllt an. Vielmehr seien die Kosten für die Grabpflege bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Insbesondere fielen die Kosten der Grabpflege nicht unter die Verpflichtung der Erben zum Tragen der Beerdigungskosten gemäß § 1968 BGB. Daran ändere im vorliegenden Fall auch die Anordnung zur Grabpflege der Erblasserin im Testament nichts, da die Erblasserin noch keinen Grabpflegevertrag zu Lebzeiten geschlossen habe, der die Erben binden würde. Vielmehr gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 Abs. 2 BGB unter anderem auch die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten. Die Anordnung zur Grabpflege stelle eine Auflage gemäß §§ 1940, 2192 BGB dar, welche nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs führe. Letztere seien gegenüber Ansprüchen aus Vermächtnissen und Auflagen vorrangig zu behandeln. Bei der Berechnung des Zusatzpflichtteils blieben Beschränkungen und Beschwerungen, wie die Auflage der Grabpflege, gemäß § 2305 BGB außer Betracht, sodass dem Kläger ein Anspruch in Höhe von 3.209,04 Euro zustehe.

Praxishinweis | BGH IV ZR 174/20

Der BGH klärt zunächst den Umfang der Beerdigungskosten und kommt zu einer engen Begriffsauslegung. Die Beerdigung und mithin die Pflicht zum Tragen der Kosten sei beendet, sobald eine zur Dauereinrichtung bestimmte und geeignete Grabstätte errichtet wurde. Darüber hinaus ist nun geklärt, dass Auflagen, die aus einer Verfügung von Todes wegen resultieren nicht als Erblasserschulden, sondern vielmehr als Erbfallschulden einzuordnen sind, und somit nicht zur Kürzung des Pflichtteils- und Zusatzpflichtteilsanspruchs führen. Ist ein Erblasser hingegen gewillt, den Pflichtteilsanspruch durch die Kosten für die Grabpflege zu verringern, so sollte ein Vertrag über die Grabpflege bereits zu Lebzeiten durch den Erblasser geschlossen werden.