OLG München 7 U 3250/20
Keine Ausschlussklage bei einer GbR

02.09.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
19.01.2022
7 U 3250/20
NZG 2022, 604

Leitsatz | OLG München 7 U 3250/20

Die Vermutung für das Vorliegen eines Handelsgewerbes kann unter anderem mithilfe der folgenden Kriterien widerlegt werden: Beschäftigtenzahl, Tätigkeitsart, Umsatz, Anlagekapital, Betriebskapital, Leistungsvielfalt, Zahl der Geschäftsbeziehungen und Kreditaufnahme. (nichtamtl. Ls.)

Sachverhalt | OLG München 7 U 3250/20

Der Kläger ist Gesellschafter einer nicht im Handelsregister eingetragenen Personengesellschaft, welche die Vermietung eines Veranstaltungshauses für Events betreibt. Nach längeren Streitigkeiten zwischen dem Kläger und dem Beklagten, der zweite Gesellschafter der Personengesellschaft, gründete der Beklagte die P GmbH. Diese bietet im Internet die Vermietung einer Blockhütte, welche sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Veranstaltungshaus der Gesellschaft befindet, als Eventlokal an. Der Kläger begehrt im Klageweg den Ausschluss des Beklagten von der Gesellschaft. Außerdem werfen sich die Beteiligten wechselseitig eine Vielzahl von Pflichtverletzungen aus dem Gesellschaftsverhältnis vor.

Nachdem das LG der Klage auf Ausschluss des Beklagten stattgegeben hat, legte der Beklagte form- und fristgerecht Berufung ein und wendet sich damit gegen den Ausschluss aus der Gesellschaft.

Entscheidung | OLG München 7 U 3250/20

Die Berufung ist zulässig und begründet und hat mithin Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Gesellschaft keine offene Handelsgesellschaft, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die nichteingetragene Gesellschaft müsse gemäß § 105 HGB ein Handelsgewerbe betreiben, um als OHG eingestuft zu werden, wenn kein Gesellschafter in der Haftung beschränkt ist. Ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 HGB ist jedes Gewerbe, es sei denn, es erfordert keine kaufmännische Einrichtung. Da die vorliegende Vermietung einer Lokalität zum Zwecke der Gewinnerzielung ein Gewerbe darstellt und damit das Bestehen eines Handelsgewerbes vermuten lässt, stehe das Gegenteil zur Darlegungs- und Beweislast des Beklagten.

Auf Basis des Parteivortrags ergebe sich hinsichtlich der Abgrenzung von GbR und OHG hinsichtlich der wesentlichen Kriterien das folgende Bild: Die Gesellschaft erzielte in den vergangenen Jahren Umsätze zwischen 100.000 und maximal 163.000 Euro. Dies falle allenfalls in den Grenzbereich zu einem kaufmännischen Gewerbe. Die durch das Finanzamt erteilte Verpflichtung zur Buchführung wurde auf § 141 Abs. 1 Nr. 4 AO gestützt. Diese Norm gelte nur, wenn nicht ohnehin Bücher nach § 140 AO zu führen seien, was unter anderem für die OHG der Fall ist. Die Art der Tätigkeiten, die die Gesellschafter hauptsächlich selbst vornehmen, setze nicht unbedingt eine kaufmännische Vorbildung voraus und deute somit nicht auf das Bestehen einer OHG hin. Die Absenz von zusätzlichem festem Personal spreche ebenfalls gegen das Erfordernis kaufmännischer Einrichtung. Gleiches gelte hinsichtlich der überschaubaren Vielfalt des Angebots, welches sich auf die Anmietung von Räumen und die Möglichkeit des Bezugs von Getränken beschränkt. Auch die Nichtinanspruchnahme von professionellem Fremdkapital sei für ein kaufmännisches Unternehmen untypisch. Zwar könnte die Kundenanzahl von 706 Kunden seit Gründung der Gesellschaft ein Indiz für das Erfordernis einer kaufmännischen Einrichtung sein, was jedoch nach Umlegung der Kundenzahl auf die Dauer der Existenz der Gesellschaft relativiert werde. Letztlich sei die professionelle Struktur, also das Fehlen eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages und ausdrücklicher Regelungen über die Vertretungsmacht, untypisch für eine OHG.

Das Gericht kommt nach einer Gesamtschau all dieser Umstände somit zu dem Ergebnis, dass der Betrieb der Gesellschaft keine kaufmännische Einrichtung erfordert, weshalb die Vermutung für das Vorliegen eines Handelsgewerbes widerlegt werden konnte. Damit komme eine Ausschlussklage deshalb nicht in Betracht, da diese nur in § 140 HGB vorgesehen ist. Eine vergleichbare Vorschrift gebe es bei der GbR nicht.

Vielmehr erfolge der Ausschluss dort nach § 737 BGB durch Beschluss der übrigen Gesellschafter.

Praxishinweis | OLG München 7 U 3250/20

Die Bewertung, ob im konkreten Fall eine OHG oder eine GbR vorliegt, erfolgt im Wege der Einzelfallbetrachtung mithilfe einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles. Wichtig ist, dass im Falle einer Vermutung des Vorliegens eines Handelsgewerbes, die Darlegungs- und Beweislast bei der beklagten Partei liegt. Führt dieser also keine Argumente an, die gegen das Vorliegen eines Handelsgewerbes sprechen, wird die Vermutung nicht widerlegt.