OLG Stuttgart 18 UF 67/19
Kein sittenwidriger Ehevertrag bei Rückabwicklung einer Grundeigentumszuwendung nach Scheitern der Ehe

20.07.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Stuttgart
05.06.2020
18 UF 67/19
NotBZ 2020, 237

Leitsatz | OLG Stuttgart 18 UF 67/19

  1. Die Zuwendung von Grundeigentum stellt keine Schenkung nach § 516 BGB dar, wenn ein Rücktrittsrecht vorbehalten wird. Eine Schenkung liegt nur vor, wenn die Zuwendung unentgeltlich zur freien Verfügbarkeit des Empfängers geleistet wird; wird die Zuwendung des Eigentums an die Eheschließung und an den Bestand der Ehe geknüpft, stellt dies eine ehebezogene Zuwendung dar (Rn. 34).
  2. Führt der Zugewinnausgleich zu einem schlechthin unangemessenen Ergebnis, kommt ein ergänzender Ausgleichsanspruch des Zuwenders nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht, der idR aber auch auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet ist, nicht auf eine dingliche Herausgabe der Zuwendung (Rn. 35).

(Ls. nicht amtl.)

Sachverhalt | OLG Stuttgart 18 UF 67/19

Die Beteiligten haben 1994 die Ehe geschlossen. 2015 trennten sich die Ehegatten. 2018 wurde die Zugewinngemeinschaft der Beteiligten vorzeitig aufgehoben. 2019 wurde die Ehe geschieden.

Vor der Eheschließung war der Antragsteller Alleineigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstücks. 1993 erwarb dieser eine Teilfläche eines benachbarten Grundstücks. Die Teilfläche wurde mit dem benachbarten Flurstück, das im Eigentum des Ehemannes stand, vereinigt. Im gleichen Jahr schlossen die Beteiligten einen notariellen Schenkungsvertrag. Dieser beinhaltete, dass die Übereignung deshalb erfolge, weil die Vertragsschließenden beabsichtigten auf dem erworbenen Grundstück ein Wohnhaus für sich darauf zu errichten und zu heiraten. Außerdem wurde in dem Schenkungsvertrag ein Rücktrittsrecht für den Ehemann für den Fall des dauernden Getrenntlebens der Ehegatten eingeräumt. Der Wert der Schenkung wurde mit 17.500 DM beziffert. Der Notar wies bei Vertragsschluss auf die unsichere Rechtslage für eine Rückgewähr im Scheidungsfall hin. 1993 schlossen die Ehegatten einen weiteren notariellen Vertrag, in dem sie regelten, dass das neue Teilgrundstück und das neu gebildete Grundstück im hälftigen Eigentum beider Ehegatten stehen soll. Die Eintragung im Grundbuch erfolgte.

Die Beteiligten errichten auf dem Grundstück wie geplant ein Einfamilienhaus. Baubeginn war bereits vor der Eheschließung. Bis zum Auszug der Antragsgegnerin 2015 wohnten die Beteiligten in dem Wohnhaus. Der Verkehrswert des Grundstücks belief sich am Stichtag auf 300.000 €.

Ende 2015 erklärte der Antragsteller den Rücktritt von dem Schenkungsvertrag und verlangte von der Antragsgegnerin die Rückübertragung ihres hälftigen Miteigentumsanteils.

Die Antragsgegnerin kam der Aufforderung nicht nach. Sie berief sich darauf, dass ehebezogene Zuwendungen vorlägen und daher zu prüfen sei, ob nicht durch den Zugewinn ein angemessener Vermögensausgleich für den Ehegatten gegeben sei. Sie wies außerdem darauf hin, dass sie schenkweise hälftiges Miteigentum an einem unbebauten Grundstück im Wert von 17.500 DM erhalten hatte und nun das Miteigentum für 150.000 € zurückübertragen solle, obwohl sie auch zur Finanzierung des Hauses beigetragen habe. Bereits vor der Eheschließung habe sie ca. 45.000 DM für das Grundstück aufgewendet. Die Rückgewähr des Miteigentumsanteils habe daher nur Zug-um-Zug gegen Zahlung eines finanziellen Ausgleichs zu erfolgen. Die Rücktrittsklausel sei sittenwidrig, da sie sich nicht über die Tragweite der Regelungen im Klaren gewesen sei und im Vertrag keine Regelung für den Scheidungsfall getroffen wurden sei.

Das Amtsgericht verpflichtete die Antragsgegnerin zur Abgabe einer Einigungserklärung für die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils und der Eintragung im Grundbuch, Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages von 131.941 € für notwendige Verwendungen gem. § 347 Abs. 2 BGB. Der Ehemann wendet sich mit der Beschwerde gegen die Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils.

Entscheidung | OLG Stuttgart 18 UF 67/19

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Der Antragsteller sei durch die Rücktrittsklausel berechtigt, von dem Vertrag mit der Antragsgegnerin zurückzutreten. Es bestehe ein Rückgewähranspruch. Eine Erfüllung Zug-um-Zug gegen Zahlung notwendiger Verwendung kann von der Antragsgegnerin nicht verlangt werden.

Der Schenkungsvertrag sei nicht sittenwidrig gem. § 138 Abs. 1 BGB. Die Zuwendung des hälftigen Miteigentumsanteils stelle aufgrund des vorbehaltenen Rücktrittsrechts keine Schenkung dar. Eine Schenkung setze voraus, dass die Zuwendung unentgeltlich und zur freien Verfügung des Empfängers erfolge. Vielmehr sei eine ehebedingte Zuwendung gegeben. Die Zuwendung des hälftigen Miteigentumsanteils sei ausdrücklich an die Eheschließung und den Bestand der Ehe geknüpft.

Mit dem notariellen Schenkungsvertrag sei der Güterstand der Zugewinngemeinschaft modifiziert worden. Dabei sei unbeachtlich, dass die Antragsgegnerin das hälftige Miteigentum an dem Grundstück vorehelich erhalten hat. Auch voreheliche Zuwendungen seien über den Zugewinn auszugleichen.

Nach der sog. „Kernbereichslehre“ dürfe die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen unterlaufen werde. Der Schenkungsvertrag begegne jedoch keinen Bedenken. Der Vertrag enthalte zwar keine Regelung darüber, wie die Wertsteigerung des Grundstücks für den Fall des Rücktritts auszugleichen sei. Die Wertsteigerung sei jedoch absehbar gewesen, da die Beteiligten bei Abschluss des Schenkungsvertrages bereits beabsichtigten, ein Wohnhaus auf dem Grundstück zu errichten. Ebenso sei keine Übervorteilung der Antragsgegnerin ersichtlich. Die Beteiligten haben ausdrücklich auf die Vereinbarung einer Scheidungsklausel verzichtet.

Durch den Rücktritt wandle sich das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis. Im Falle des Rücktritts stehe der Antragsgegnerin der Ersatz der notwendigen Verwendungen und der Zugewinnausgleichsanspruch zu.

Selbst wenn durch den Verweis auf diese Ansprüche die Antragsgegnerin schlechter gestellt sei, begründe dies keine Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB. Die setze die vorliegend nicht erkennbare verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten voraus. In einem unausgewogenem Vertragsinhalt müsse sich die einseitige Dominanz eines Ehegatten, insbesondere durch Ausnutzung einer Zwangslage, die soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit oder intellektuelle Unterlegenheit widerspiegeln.

Vorliegend sei die Antragsgegnerin bei Abschluss des Schenkungsvertrages seit neun Jahren berufstätig gewesen. Außerdem sei nicht erkennbar, dass sie nicht in der Lage war, die Vor- und Nachteile des Rechtsgeschäfts sachgerecht zu bewerten. Der Notar hatte die Beteiligten auf die unsichere Rechtslage für eine Rückgewähr im Scheidungsfall hingewiesen. Der Umstand, dass sie die Tragweite des Rechtsgeschäfts nicht vollständig überblickt habe, falle ausschließlich in ihre Risikosphäre.

Die Voraussetzungen für die Rücktrittserklärung seien gegeben gewesen. Die Ehegatten lebten dauernd getrennt. Hingegen seien nicht die Voraussetzungen für einen Verwendungsersatzanspruch der Antragsgegnerin gem. § 347 Abs. 2, § 994 Abs. 1 BGB gegeben gewesen. Die Wertsteigerung des Grundstücks durch den Hausbau stelle keine notwendige Verwendung dar. Umgestaltungsaufwendungen (sachändernde Verwendungen) seien nach der BGH-Rechtsprechung nicht unter notwendige Verwendungen zu fassen. Die Bebauung eines bisher unbebauten Grundstücks sei nach Auffassung des BGH keine Bestandsverbesserung, sondern eine Zustandsveränderung, sodass die Kosten für die Bebauung keine Verwendungen darstellen.

An der Wertsteigerung des Grundstücks nehme die Antragsgegnerin allein im Rahmen des Zugewinns teil. Dabei sei im Endvermögen des Antragstellers neben seinem hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück auch der Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Rückgewähr des zugewendeten hälftigen Miteigentumsanteils zu berücksichtigen. Es sei unbeachtlich, dass der Antragsteller den Rücktritt erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erklärt habe, da die Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts bereits mit dem Auszug der Antragsgegnerin aus der Ehewohnung gegeben gewesen seien.

Im Aktiv-Endvermögen sei bei der Antragsgegnerin der hälftige Miteigentumsanteil an dem Grundstück zu berücksichtigen. Im Passiv-Endvermögen sei spiegelbildlich die Rückgewährverpflichtung zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den hälftigen Miteigentumsanteil ergebe sich daher rechnerisch kein einzusetzender Wert.

Die vorehelichen Aufwendungen der Antragsgegnerin für das Grundstück blieben unberücksichtigt, da sie sich jedenfalls hälftig in ihrem Anfangsvermögen widerspiegelten und so ihren Zugewinn vermindern.

Praxishinweis | OLG Stuttgart 18 UF 67/19

Mit dieser Entscheidung grenzt das OLG Stuttgart die Schenkung von der ehebedingten Zuwendung ab. In der Regel ist davon auszugehen, dass größere Zuwendungen unter Ehegatten der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen sollen. Zu einem Zahlungsanspruch kommt es bei der Rückabwicklung ehebedingter Zuwendungen nur, wenn der Zugewinnausgleich zu einem untragbaren Ergebnis führt. Sind beide Ehegatten berufstätig und wurden vom Notar über die unsichere Rechtslage belehrt, ist es nicht sittenwidrig, ehevertraglich zu regeln, dass das zugewendete Grundstück im Falle des dauerhaften Getrenntlebens rückübereignet werden muss.