LG Berlin 19 O 55/20
Kaufpreisanspruch aus Bauträgervertrag verjährt in drei Jahren

19.01.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Berlin
21.09.2021
19 O 55/20
IBR 2022, 17

Leitsatz | LG Berlin 19 O 55/20

  1. Der Kaufpreisanspruch aus einem Bauträgervertrag verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
  2. Entstanden ist ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung, wenn er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage - auch der Feststellungsklage - durchgesetzt werden kann.
  3. Jede Kaufpreisrate verjährt selbstständig.

Sachverhalt | LG Berlin 19 O 55/20

Die Beklagten erwarben von der Schuldnerin eine Wohnungseigentumseinheit. Die Schuldnerin nahm das Kaufangebot i.H.v. 383.000 Euro mit Urkunde vom 11.05.2007 an, wodurch sich die Schuldnerin auch zu umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen verpflichtete. Der Kaufpreis soll nach Bauvorschritt auf einem Notaranderkonto hinterlegt werden, wobei die letzte Rate i.H.v. 14 % des Kaufpreises (53.620 Euro) nach Bezugsfertigkeit Zug um Zug gegen Besitzübergabe gezahlt werden soll. 3,5 % von dieser Rate sollen allerdings erst gezahlt werden, wenn der erste Bauabschnitt einschließlich Außenanlagen und Beseitigung im Protokoll vermerkter Mängel vollständig fertiggestellt ist.

Am 28.11.2008 zeigte die Schuldnerin den Beklagten die Bezugsfertigkeit an und verlangte Zahlung der letzten Rate und am 02.12.2008 übergab die Schuldnerin den Beklagten die Wohnung. In der Folgezeit stritten die Schuldnerin und die Beklagten über das Vorliegen von Mängeln und die Beklagten wurden als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagten zahlten den Kaufpreis, behielten allerdings einen Betrag von 13.820 Euro ein.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 21.12.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und forderte die Beklagten am 02.11.2018 zur Zahlung der restlichen 13.620 Euro auf. Die Beklagten behaupten, sie hätten den Betrag gegen Mängelrechte der Beklagten verrechnet und erhoben die Einrede der Verjährung. Der Kläger behauptet die im Abnahmeprotokoll vermerkten Mängel bestünden nicht mehr.

Entscheidung | LG Berlin 19 O 55/20

Die zulässige Klage ist unbegründet. Sofern der geltend gemachte Anspruch bestehe, seien die Beklagten gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Der Anspruch sei jedenfalls verjährt.
Grundsätzlich sei es umstritten, ob auf Ansprüche aus dem Bauträgervertrag die Verjährungsfrist des § 196 BGB oder § 195 BGB angewendet werden soll, was bislang noch nicht durch eine höchstrichterliche Entscheidung abschließend geklärt wurde. Einerseits werde vertreten, der Anspruch verjähre gemäß § 196 BGB nach zehn Jahren, da der Zahlungsanspruch des Bauträgers als einheitlicher Anspruch anzusehen sei und sich der Anspruch des Erwerbers auf Eigentumsübertragung des Grundstücks mit dem zu errichtenden Bauwerk als wesentlicher Bestandteil richte. Dagegen werde vertreten, dass es sich bei dem Bauträgervertrag nicht um einen Grundstücksvertrag i.S.d. § 196 BGB handele. Vielmehr handele es sich um einen Vertrag eigener Art, auf den die allgemeine Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB Anwendung finden soll. Eine vermittelnde Ansicht versuche die Anwendbarkeit durch den Schwerpunkt des Vertrages zu ermitteln.

Das LG Berlin hält die allgemeine Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB für anwendbar. Bei dem Bauträgervertrag handele es sich um einen gemischttypischen Vertrag, der sowohl kaufvertragliche als auch werkvertragliche Elemente aufweise. Welche Vorschriften auf diesen Vertrag Anwendung finden sei daher durch Auslegung des Vertrages nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Der Schwerpunkt im vorliegenden Fall liege auf den Bauleistungen. Die Schuldnerin sollte laut Vertrag umfassende Baumaßnahmen ausführen. Darüber hinaus stimmte sie der Eigentumsumschreibung zu, obwohl die Kaufpreisrate noch nicht gezahlt wurde. Dagegen würde eine Anwendung des § 196 BGB dem Bestehen einer Bauverpflichtung nicht ausreichend Rechnung tragen. Das Grundstück allein habe für den Erwerber ohne die Bauleistung vielmals keinen Wert. Darüber hinaus sei der Zweck des § 196 BGB, einen Gleichlauf der Verjährung des Eigentumsverschaffungsanspruches und des Vergütungsanspruches, durch die Anwendung des § 196 BGB nicht zu erzielen. Denn die Kaufpreisraten seien zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig und somit nicht zwingend gelichzeitig mit dem Eigentumsverschaffungsanspruch.

Mithin begann die Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Ablauf des 31.12.2008 zu laufen und ist mit Ablauf des 31.12.2011 verjährt. Die Einrede der Verjährung wurde von den Beklagten vorprozessual und im Prozess erhoben (§ 214 BGB).

Praxishinweis | LG Berlin 19 O 55/20

Eine höchstrichterliche Entscheidung über die Anwendbarkeit der Verjährungsvorschriften auf den Bauträgervertrag bleibt noch immer aus. Da oftmals in der Rechtsprechung die Anwendung des § 195 BGB befürwortet wird, sollte schnell gehandelt werden, sofern die letzte Kaufpreisrate fällig ist. Es handelt sich allerdings um eine Einzelfallentscheidung, sodass bei anders liegenden Umständen die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist nicht ausgeschlossen ist. Für die beklagte Partei ist von Bedeutung, dass die Einrede der Verjährung unbedingt erhoben werden muss, da sie vom Gericht ansonsten nicht berücksichtigt werden kann.