BGH IX ZR 56/12
Insolvenzrechtliche Anfechtung der Aufhebung einer vertraglichen Erbeinsetzung

07.05.2013

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
20.12.2012
IX ZR 56/12
Zerb 2013, 58

Leitsatz | BGH IX ZR 56/12

Die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und kann nicht angefochten werden.

Sachverhalt | BGH IX ZR 56/12

S, die spätere Insolvenzschuldnerin, und die Erblasserin E schlossen am 29.12.2003 einen Erbvertrag, in dem S als Erbin eingesetzt wurde. Mit notariellem Vertrag vom 11.05.2005 hoben S und E diesen Vertrag auf und S wurde lediglich als nicht befreite Vorerbin der E eingesetzt. Als Nacherbin bestimmte E die Beklagte. Nach Gläubigerantrag vom 22.03.2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S am 12.05.2006 eröffnet. Am 05.03.2009 ist E verstorben. Der Insolvenzverwalter (Kläger) hat den zweiten Erbvertrag angefochten.

Entscheidung | BGH IX ZR 56/12

Der Bundesgerichtshof hat eine Anfechtungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters verneint. Die durch notariellen Vertrag erklärte Aufhebung der ursprünglich unbeschränkten Erbenstellung stelle eine höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners dar. Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass sich derjenige, der in notariellem Vertrag an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung mitwirkt, nicht anders zu behandeln sei, als derjenige der die Erbschaft ausschlägt, einen Erbverzicht erklärt, ein Vermächtnis ablehnt oder einen Pflichtteilsanspruch nicht durchsetzt. Für diese Fälle ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits anerkannt, dass die höchstpersönlichen Entscheidungen des Schuldners nicht durch das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters umgangen werden dürfen. Zwar wird der Erbverzicht im Hinblick auf eine bloße Erbaussicht erklärt. Gerade bei der Ausschlagung oder beim Verlust des Pflichtteilsanspruchs wird aber auf angefallenes Vermögen verzichtet. In dieser Situation befindet sich auch die an der Aufhebung des Erbvertrages mitwirkende Schuldnerin.

Die Anfechtungsmöglichkeit kann auch nicht auf die durch einseitige letztwillige Verfügung der E erfolgte Einsetzung der Beklagten als Nacherbin gestützt werden. An diesem Vorgang hat zwar die Schuldnerin nicht vertraglich mitgewirkt, sodass keine höchstpersönliche Entscheidung der Anfechtung entgegenstehen würde. Die einheitlich angelegte Vermögenszuwendung aus Aufhebung der Erbeinsetzung und Vereinbarung der Vor- und Nacherbschaft dürfe jedoch nicht sinnentstellend in Einzelteile zerlegt werden. Gerade nur die mit Einverständnis der Schuldnerin erfolgte Aufhebung des Erbvertrages, die nicht der Insolvenzanfechtung unterliegt, ermöglichte die Einsetzung der Beklagten als Nacherbin.

Praxishinweis | BGH IX ZR 56/12

Höchstpersönliche Entscheidungen können auch in der Insolvenz nur durch den Schuldner selbst getroffen werden. Es besteht somit ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum des (späteren) Insolvenzschuldners, der sich allein an der persönlichen Beziehung zum Erblasser orientiert und nicht an die Interessen der Gläubiger gebunden ist.