LG Stuttgart 40 O 26/18 KfH
Hinauskündigungsklausel bei Mitarbeitermodellen

02.09.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Stuttgart
12.12.2018
40 O 26/18 KfH
GmbHR 2019, 116

Leitsatz | LG Stuttgart 40 O 26/18 KfH

  1. Hinauskündigungsklauseln - gleich ob gesellschaftsvertraglich oder schuldrechtlich gefasst - verstoßen nach gefestigter Rechtsprechung bei Personenhandelsgesellschaft und GmbH in der Regel gegen § 138 BGB, weil sie die Gefahr begründen, dass der jederzeit von der Ausschließung bedrohte Gesellschafter von seinen Rechten nicht mehr frei Gebrauch macht und die ihm obliegenden Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, sondern sich dem durch das Ausschließungsrecht begünstigten Gesellschafter beugt.
  2. Das Managermodell kann eine Rechtfertigung der freien Hinauskündigungsmöglichkeit auch beim Anteilserwerb zum Verkehrswert sein.

(amtl. Leitsätze)

Sachverhalt | LG Stuttgart 40 O 26/18 KfH

Die Klägerin und ein Familienunternehmen schlossen am 14.08.2008 mit dem Beklagten jeweils inhaltsgleiche „Vereinbarungen über eine Managerbeteiligung an einer GmbH & Co. KG“, durch die der Beklagte für seine Geschäftsführertätigkeit bei einer Verwaltungs-GmbH beteiligt werden sollte.

Zur Realisierung der Beteiligung erwarb der Beklagte einen Kommanditanteil von 5% an der GmbH & Co. KG. In den Vereinbarungen erklärten die Vertragsschließenden, dass sie den Kaufpreis für den Verkehrswert der Anteile hielten. Zudem wurden Rückerwerbsoptionen für die Klägerin und das Familienunternehmen vereinbart. Sie sollten für den Fall gelten, dass der Beklagte als Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH abberufen oder sein Anstellungsvertrag gekündigt wird.

Mit Schreiben vom 16.06.2017 kündigte die Verwaltungs-GmbH den Anstellungsvertrag zum 30.06.2018. Mit Gesellschafterbeschluss vom 16.06.2017 wurde der Beklagten zum 30.06.2018 mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH abberufen.

Die Klägerin und das Familienunternehmen übten im Anschluss die Rückerwerbsoptionen aus den Managerbeteiligungsvereinbarungen aus. Nachdem der Beklagte sich wegen §138 BGB gegen die Wirksamkeit der Rückerwerbsoptionen wendete, beantragte die Klägerin beim Landgericht Stuttgart festzustellen, dass der Beklagte nicht Gesellschafter der GmbH & Co. KG sei.

Entscheidung | LG Stuttgart 40 O 26/18 KfH

Das LG hielt die Rückerwerbsoptionen für wirksam vereinbart.

Das Gericht räumte zwar zunächst ein, dass die Gestaltung der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien einer ins freie Belieben gestellten Hinauskündigungsklausel gleichstünde und diese grundsätzlich sowohl bei Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften gegen §138 BGB verstoßen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH begründeten sie in der Regel die Gefahr, dass der jederzeit von der Ausschließung bedrohte Gesellschafter von seinen Rechten nicht mehr frei Gebrauch machen und die ihm obliegenden Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen könne, sondern sich dem durch das Ausschließungsrecht begünstigten Gesellschafter beugt.

Ebenso sei allerdings anerkannt, dass solche Klauseln bei sachlicher Rechtfertigung wirksam sein könnten. So habe der BGH auch bei dem sogenannten „Managermodell“ eine Hinauskündigungsklausel als sachlich gerechtfertigt angesehen. Für die sachliche Rechtfertigung sei jedoch letztlich die Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen der betroffenen Gesellschafter entscheidend.

Wenngleich die Kommanditanteile nicht wie beim „Manager-Modell“ zum Nenn- sondern zum Verkehrswert veräußert wurden, ergebe sich die Sittenwidrigkeit der Klausel vorliegend jedenfalls nicht aus der Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos. Dieses sei im Übrigen auch nicht ausschlaggebend für die Frage der Sittenwidrigkeit, sondern vielmehr typische Folge der Beteiligung an einer Gesellschaft. Zudem sei entscheidendes Druckmittel auf den Beklagten bei der Ausübung seiner Gesellschafterrechte nicht der Ausschluss aus der Gesellschaft, sondern die drohende Abberufung als Geschäftsführer und/ oder die Kündigung des Anstellungsvertrages gewesen. Diese seien unproblematisch und ohne besondere sachliche Rechtfertigung möglich. Von besonderer Bedeutung sei zudem gewesen, dass es sich bei einer der Rückerwerbsberechtigten um ein Familienunternehmen handele.

Auch ergebe sich auch aus der Höhe der vereinbarten Beteiligung des Beklagten nichts Anderes, da Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Überforderung des Beklagten beim Erwerb der Gesellschaftsanteile nicht schlüssig dargelegt wurden.

Praxishinweis | LG Stuttgart 40 O 26/18 KfH

Das Urteil hält am Regel-Ausnahme-Verhältnis im Hinblick auf die Wirksamkeit von Hinauskündigungsklauseln fest. Es verdeutlicht jedoch die Notwendigkeit einer Einzelfallbetrachtung bei der Beurteilung ihrer sachlichen Rechtfertigung, was Chancen für die Vertragsgestaltung birgt. Insbesondere können die Beweggründe von Familienunternehmen nach dieser Entscheidung besonderes Gewicht haben, da dort die Einbeziehung eines außenstehenden Geschäftsführers als Gesellschafter durch seine Einbindung in die Entscheidungsprozesse einen deutlichen Vertrauensvorschuss beinhalten.