OLG Celle 9 U 3/17
Haftung des „Strohmann“-Geschäftsführers wegen Nichtabführung von Arbeitsentgelt

16.03.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
10.05.2017
9 U 3/17
ZIP 2017, 1325

Leitsatz | OLG Celle 9 U 3/17

Auch ein Geschäftsführer, der als Strohmann fungiert, die Wahrnehmung seiner Kompetenzen Dritten überlässt und sich um die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeiter der Gestaltung nicht kümmert, haftet wegen der Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung und nimmt die Nichtabführung (im Sinne bedingten Vorsatzes) zumindest in Kauf.

Sachverhalt | OLG Celle 9 U 3/17

Die Beklagte war Geschäftsführerin der M. GmbH, die ein Callcenter für Telefondienstleistungen verschiedener Art betrieben hat. Nach Aussage der Beklagten hat sie hier lediglich als „Strohfrau“ fungiert während die Kontrolle über die Gesellschaft allein bei wirtschaftlich interessierten Hintermännern gelegen habe. Insoweit habe sie sich auch nicht mit der Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeiter befasst und ging in der Folge davon aus, dass es sich bei den im Callcenter als Telefonistinnen arbeitenden Mitarbeiterinnen nicht um sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen, sondern um Selbstständige handelte. Dementsprechend wurden auch keine Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abgeführt.

Entscheidung | OLG Celle 9 U 3/17

Das OLG Celle entschied, dass die Beklagte wegen der Vorenthaltung der Arbeitnehmeranteile nach den § 823 Abs. 2 BGB, §§ 266 a, 14 StGB hafte. Sie vermag sich nicht dadurch zu entlasten, dass sie ihre als Geschäftsführerin kraft Gesetzes zustehenden Kompetenzen nicht genutzt, sondern anderen überlassen haben will. Vielmehr sei die formelle Stellung als Geschäftsführerin entscheidend. Zudem handelte die Beklagte zumindest bedingt vorsätzlich. Nicht entscheidend ist, ob sie sich, wie vorgebracht, nicht um die Einzelheiten der Beschäftigungsverhältnisse gekümmert haben will. Wer sich, wie es für ein Strohmannverhältnis typisch ist, nicht in eigener Person um seine Pflichten als Geschäftsführer kümmert, sondern sich auf etwaige, im Streitfall aber nicht näher benannte Hinterleute verlässt, handelt bedingt vorsätzlich.

Praxishinweis | OLG Celle 9 U 3/17

Einen ähnlichen Fall hatte auch der BGH kurz davor zu entscheiden. Auch hier war die Angeklagte alleinige Geschäftsführerin und damit sei sie gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafrechtlich verantwortliches Organ der Gesellschaft. Irrelevant sei, dass der nichtrevidierende Mitangeklagte tatsächlich das Unternehmen führte und die Angeklagte nur ein sog. „Strohmann“ gewesen sei. Ausreichend sei allein die formelle Geschäftsführerstellung, auch wenn ihr rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen wurden. Der Geschäftsführer habe von Gesetzes wegen stets alle rechtlichen und tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten. Fehlen ihm diese, müsse er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen oder sein Amt niederlegen.