BGH II ZR 199/17
Haftung der Gesellschafter wegen Insolvenz nach Verschmelzung mit einer notleidenden Gesellschaft

14.02.2019

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
06.11.2018
II ZR 199/17
ZIP 2019, 114

Leitsatz | BGH II ZR 199/17

  1. Die Gesellschafter der beteiligten Rechtsträger trifft bei der Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Wege der Aufnahme mit Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger im Fall der Überbewertung des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers keine Differenzhaftung.
  2. Ein existenzvernichtender Eingriff kann darin liegen, dass die Verschmelzung eines insolvenzreifen übertragenden Rechtsträgers als Gestaltungsmittel für dessen liquidationslose Abwicklung eingesetzt und hierdurch die Insolvenz des übernehmenden Rechtsträgers herbeiführt oder vertieft wird.

Sachverhalt | BGH II ZR 199/17

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F.GmbH, deren Gesellschafter die Beklagten sind. Im Jahr 2011 wurde die G.GmbH, deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer der Beklagten war, auf die F.GmbH verschmolzen.

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus Existenzvernichtungshaftung, denn die G.GmbH sei zum Zeitpunkt der Verschmelzung zahlungsunfähig und überschuldet gewesen. Sowohl das Landgericht Dresden als auch das OLG Dresden wiesen die Klage des Insolvenzverwalters ab.

Entscheidung | BGH II ZR 199/17

Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Zutreffend sei allerdings, dass der Beklagte nicht nach den Grundsätzen der Differenzhaftung des Sacheinlegers hafte. Gesellschafter unterliegen der Differenzhaftung etwa wegen der abgegebenen Kapitaldeckungszusage bei Gründung. Bei der Verschmelzung geben weder die Gesellschafter der übertragenden GmbH eine derartige Zusage ab, noch lasse sich eine solche aus dem Verschmelzungsvertrag oder -beschluss ableiten. Insofern seien die aufgestellten Haftungsgrundsätze des Senats aus seiner Entscheidung v. 12.03.2007 (Az.: II ZR 302/05) betreffend verschmelzender Aktiengesellschaften auf die Verschmelzung von GmbHs übertragbar.

Das OLG habe allerdings den Rechtsbegriff des Vermögensentzugs verkannt, sodass hier ein existenzvernichtender Eingriff vorliegen könne. Keine Voraussetzung des Vermögensentzugs sei nämlich das Abfließen von Vermögenswerten. Es genüge vielmehr die Erhöhung der Verbindlichkeiten, wenn dadurch den Gläubigern die Haftungsmasse zielgerichtet und aus betriebsfremden Zwecken gekürzt werde. Die Mehrung von Schulden sei aus Sicht der Gläubiger gleichzustellen mit dem Entzug von Aktivvermögen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den §§ 30 ff. GmbHG.

Der BGH stimmt darüber hinaus der Vorinstanz zu, dass die Schädigung nicht sittenwidrig sei, wenn ausschließlich das Gesellschaftsvermögen geschädigt wurde. Es müsse vielmehr das Prinzip der Vermögenstrennung und der Kapitalbindung missachtet wurden sein. Dies könne vorliegend aber dadurch geschehen sein, dass die gewährten Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht dem Wert des übertragenen Vermögens entsprochen hätten. Zudem wäre es sittenwidrig, wenn die Verschmelzung tatsächlich nur zu dem Zweck durchgeführt wurde, um die übertragende Gesellschaft außerhalb des gesetzlichen Verfahrens liquidationslos zu beenden.

Praxishinweis | BGH II ZR 199/17

Der BGH klärte mit seiner Entscheidung die umstrittene Frage zur Gesellschafterhaftung bei Verschmelzungen von GmbHs, wenn die übertragende Gesellschaft bereits finanzielle Schwierigkeiten hat und die übernehmende durch die Verschmelzung sodann selbst in die Insolvenz fällt.