BFH II R 20/17
Grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage bei Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum

25.12.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
22.05.2019
II R 20/17
DStR 2019, 2317

Leitsatz | BFH II R 20/17

Erwirbt nach dem Beginn der Auseinandersetzung einer grundbesitzenden GbR ein Gesellschafter/Miteigentümer oder ein Dritter alle Anteile an einer beteiligten Gesellschafter-GbR, der bereits Wohnungs- oder Teileigentum im Rahmen der Auseinandersetzung der grundbesitzenden GbR zugewiesen war, und erhält der Erwerber aufgrund einer geänderten oder neuen Auseinandersetzungs- und Teilungserklärung das der Gesellschafter-GbR zugewiesene Wohnungs- oder Teileigentum, ist grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der geänderte oder neue Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag.

Bei einem steuerpflichtigen Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum aufgrund eines geänderten oder neuen Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrags, der die Vereinbarung über den Erwerb aller Anteile an einer Gesellschafter-GbR umsetzt, bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung für den Erwerb der Anteile.

Sachverhalt | BFH II R 20/17

Im Wesentlichen streiten Kläger und Beklagte über die heranzuziehende Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbssteuer.

Der Kläger ist Gesellschafter einer GbR 1. Weitere Gesellschafter sind u.a. die GmbH 1 und die GmbH 2, die wiederum gemeinsam eine GbR 2 bilden. Die GbR 1 ist Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Mit notariellem Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag vom 29.01.2010 setzt sich die GbR 1 auseinander mit dem Ziel, dass jeder Gesellschafter künftig Miteigentumsanteile nebst Sondereigentum an bestimmten Räumlichkeiten er-wirbt. Der Wert des Gesamtgrundstücks beträgt 1.450.000 €.

Dem Kläger ist in diesem Zusammenhang Miteigentumsanteil nebst Sondereigentum an einer Wohnung zugewiesen worden. Die GbR 2, bestehend aus der GmbH 1 und der GmbH 2, erhielt entsprechenden Miteigentumsanteil am Gesamtgrundstück nebst Sondereigentum an der Wohnung Einheit Nr. 4.

Mit Anteilsübernahmevertrag vom 04.02.2010 erwarb der Kläger von der GmbH 1 und der GmbH 2 sämtliche Anteile an der GbR 2, der das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 4 zugewiesen ist. Der Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile betrug insgesamt 181.450 €.

In der Folge änderten die Gesellschafter mit notariellem Vertrag vom 03.08.2010 den Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag vom 29.01.2010 dahingehend, dass der Kläger künftig die Wohnung Nr. 4 hält.

Mit Bescheid vom 11.03.2011 setzte die Beklagte (das zuständige FA) für den Erwerb des Wohnungseigentums Nr. 4 aufgrund des Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrags Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG iHv 4.579 € fest. Bemessungsgrundlage war der anteilige Wert des Wohnungseigentums Nr. 4 am Gesamtgrundstück.

In der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2013 erhöhte die Beklagte die Grunderwerbsteuer auf 6.350 €, wobei diesmalig als Bemessungsgrundlage die Gegenleistung für den Erwerb der Anteile an der GbR 2 iHv 181.450 € herangezogen worden ist.

Mit der Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 8 Abs. 1 GrEStG geltend. Es handele sich um einen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, sodass sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GrEStG nach den Grundbesitzwerten iSd § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 iVm § 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen müsste.

Entscheidung | BFH II R 20/17

Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BFH handele es sich nicht um einen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage iSd § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 3 GrEStG, weil ein solcher nur Grundstücksübergänge zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erfasse, durch die die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht berührt oder verändert wird. Wird bei einer grundbesitzenden GbR (hier GbR 1) mit Zustimmung aller Gesellschafter durch eine gesonderte vertragliche Vereinbarung alle Anteile an einer Gesellschafter-GbR (hier GbR 2), die Anteile an der grundbesitzenden GbR hält und aufgrund bereits erfolgten Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrags einen Anspruch gegen die grundbesitzende GbR auf Übereignung des Wohnungs- oder Teileigentums hält, durch einen der Gesellschafter erworben, werde seine Gesellschafterstellung rechtlich nicht berührt.

Die Grunderwerbsteuer entsteht mit Abschluss des notariell beurkundeten Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrages. Grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei der Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag vom 03.08.2010, da dieser die Umsetzung der Anteilsübernahme an der GbR 2 darstelle. Anlass für den Erwerb der Wohnung Nr. 4 durch den Kläger war die Übernahme der Anteile an der GbR 2.

Heranzuziehen für die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung für den Erwerb der Anteile an der GbR 2.

Praxishinweis | BFH II R 20/17

Der BFH sieht nicht in der reinen Anteilsübertragung den grunderwerbsteuerbaren Vorgang, sondern in der nachträglichen Änderung des Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrages. Die Entscheidung des BFH zeigt einmal mehr die Relevanz und die Risiken der Gestaltungsmöglichkeiten grundrechtlicher Geschäfte und ihre Risiken auf, die in enger Zusammenarbeit von Steuerberatern und spezialisierten Notaren gelöst werden können.