BFH II R 22/19
Grunderwerbsteuer bei treuhänderischem Erwerb

13.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
23.02.2021
II R 22/19
DStR 2021, 1703 (m. Anm. Kugelmüller-Pugh)

Leitsatz | BFH II R 22/19

  1. Erwirbt ein Treuhänder von einem Dritten für den Treugeber ein Grundstück (Erwerbstreuhand), ist sowohl der Grundstückserwerb durch den Treuhänder als auch der Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Treugeber grunderwerbsteuerpflichtig.
  2. Für Grund und Umfang von Steuerbefreiungen sind grundsätzlich beide Erwerbsvorgänge getrennt zu betrachten.
  3. Die Festsetzung von Grunderwerbsteuer und die abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO begründen zwei selbständige Verfahren.
  4. Hat das FA im Rahmen einer die Festsetzung betreffenden Einspruchsentscheidung erstmals über einen Billigkeitsantrag entschieden, stellt eine unmittelbar erhobene Klage insoweit eine Sprungklage dar. Stimmt das FA dieser nicht zu, gilt sie als Einspruch. Das Verfahren ist formlos an das FA abzugeben.

Sachverhalt | BFH II R 22/19

Die A, eine GbR an der X und Y beteiligt sind, war Eigentümerin eines Grundstücks. An der Klägerin und Revisionsbeklagten, ebenfalls einer GbR, sind X zu 94 % und Z zu 6 % beteiligt. Die Klägerin erteilte Z den Auftrag, das Grundstück im eigenen Namen als Treuhänder und im Innenverhältnis auf Rechnung der Klägerin zu erwerben. Aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen X und Z sollte Z das Grundstück für die Klägerin halten, nach ihren Anweisungen verwalten, Nutzungen herausgeben u.s.w. Mit notariell beurkundetem Vertrag veräußerte die A GbR das Grundstück an Z. Das beklagte Finanzamt setzte daraufhin nicht nur gegenüber Z, sondern gem. §1 II GrEStG auch gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Die Bemessungsgrundlage setzte sich zusammen aus dem an Z erstatteten Kaufpreis, zuzüglich der dem Z ebenfalls erstatteten Grunderwerbsteuer sowie abzüglich eines nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfreien Teils von 6 %, welcher der Höhe der Beteiligung von Z an der Klägerin entsprach. Die Klage der GbR gegen die Festsetzung als auch gegen die ablehnende Billigkeitsentscheidung hatte Erfolg, woraufhin die Bemessungsgrundlage drastisch herabgesetzt wurde. Das FG führte aus, nach dem Regelungszweck von § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG scheide eine Erhebung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb der Verwertungsbefugnis aus. Eine teilweise Steuerbefreiung sei jedenfalls aus Billigkeitsgründen zu gewähren.

Mit der Revision rügt das Finanzamt, die Klägerin habe die Verwertungsbefugnis allein von Z erworben. X habe deshalb keine Verwertungsbefugnis zurückbehalten können und die Festsetzung sei daher richtig. Hinsichtlich der Billigkeitsmaßnahme habe das FG seine Prüfungskompetenz nach § 102 FGO überschritten, indem es eine eigene Ermessensentscheidung getroffen habe, ohne eine Bescheidung zu erwägen.

Entscheidung | BFH II R 22/19

Die Revision ist begründet und das Urteil des FG wird aufgehoben.

Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Aufgrund der Treuhandvereinbarung hat die Klägerin durch den Erwerb des Z von der A GbR im unmittelbaren Anschluss von Z die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück erworben. Dieser Vorgang ist nach § 1 II  GrEStG i.V.m. § 5 II GrEStG mit einem Anteil von 94 % steuerpflichtig.

Durch die Treuhandabrede wird eine Verwertungsbefugnis des Treugebers begründet, da durch den Geschäftsbesorgungsvertrag der Geschäftsherr die Rechtsmacht erlangt z.B. die Auflassung des Grundstücks zu verlangen. Erwirbt der Geschäftsbesorger im eigenen Namen das Grundstück, unterliegen sowohl dieser Erwerbsvorgang als auch gemäß § 1 II GrEStG die damit dem Geschäftsherrn verschaffte Rechtsmacht der Grunderwerbsteuer. Hinsichtlich der Verwertungsbefugnis liegt hierbei ein Erwerb vom Treuhänder und nicht vom ursprünglichen Veräußerer vor.

Der steuerbare Erwerb der Verwertungsbefugnis war gemäß § 5 II GrEStG in einem Umfang von 6 % steuerbegünstigt. Nach dieser Vorschrift wird, wenn ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand übergeht, die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist.

§ 6 III S. 1 GrEStG, wonach § 6 I GrEStG entsprechend beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand gilt, findet auf den Erwerb keine Anwendung. Denn die Klägerin hat die Verwertungsbefugnis nicht von A, sondern dem Treuhänder Z erworben.

Eine analoge Anwendung von §§ 5, 6 GrEStG scheitert an einer ausfüllungsbedürftigen Lücke. Aus §§ 5, 6 GrEStG ergibt sich, dass die Personengesellschaft grundsätzlich grunderwerbsteuerrechtlich intransparent ist und nur in bestimmten Ausnahmen und unter besonderen Voraussetzungen die Grunderwerbsteuer nicht erhoben wird. Des Weiteren knüpfen die Befreiungsvorschriften lediglich an unterschiedliche Formen der Mitberechtigung an, überspringen aber nicht die Glieder einer Leistungskette.

Es fehlt auch eine Grundlage, um die begehrte Steuerbefreiung auf eine Gesamtbetrachtung zu stützen. Der Streitfall erlaubt keine Zusammenschau der steuerbefreienden Normen. Zwar wäre das Ergebnis grunderwerbsteuerrechtlich günstiger zu erreichen gewesen, es wurde jedoch ein anderer Weg gewählt. Dessen Besteuerung kann nicht durch diejenige eines fiktiven Sachverhalts ersetzt werden.

Soweit es den Antrag nach § 163 AO betrifft, ist das Verfahren formlos als Einspruch an das FA abzugeben. Das FG hat entgegen § 66 FGO insoweit über eine nicht anhängige Klage in der Sache entschieden. Über eine Verpflichtungsklage darf nach § 44 I FGO nur entschieden werden, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Ausnahmsweise ist die Klage nach § 45 I S. 1 FGO als sog. Sprungklage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu befinden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Stimmt die Behörde, wie hier, nicht zu, ist die Klage nach § 45 III FGO als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln. Nach der darin liegenden Umwandlung in einen Einspruch ist das Verfahren formlos an das FA abzugeben.

Praxishinweis | BFH II R 22/19

Erwirbt ein Treuhänder von einem Dritten für den Treugeber ein Grundstück, erwirbt der Treugeber die Verwertungsbefugnis direkt vom Treuhänder. Dies unterfällt der Grunderwerbssteuerpflicht gem. § 1 II GrEStG. Dieser Vorgang ist auch hinsichtlich etwaiger Steuerbefreiungen separat von dem Erwerbsvorgang zwischen dem Dritten und dem Treuhänder zu betrachten. Zwar ist eine Steuerbefreiung aufgrund einer Gesamtbetrachtung möglich, jedoch kann nicht der gegebene Sachverhalt durch einen fiktiven, grunderwerbsteuerrechtlich günstigeren ersetzt werden.

Über eine Verpflichtungsklage darf nur entschieden werden, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf erfolglos geblieben oder die zuständige Behörde gegenüber dem Gericht einer Sprungklage ohne Vorverfahren zustimmt. Ansonsten ist die Klage nach § 45 III FGO als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln. Nach der darin liegenden Umwandlung in einen Einspruch ist das Verfahren formlos an die zuständige Behörde abzugeben.