EuGH C-394/18
Gläubigerschutz bei Spaltungen

29.04.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

EuGH
30.01.2020
C-394/18
ZIP 2020, 314

Leitsatz | EuGH C-394/18

  1. Der Europäische Gerichtshof kann auch dann zuständig sein, wenn Nationalstaaten europäische Richtlinien überschießend in nationales Recht umsetzen.
  2. Art. 12, 19 der sog. Spaltungsrichtlinie stehen nationalen Gläubigerschutzvorschriften, die bei einer Spaltung auch nach ihrer Eintragung dem Gläubiger zusätzlichen Schutz gewähren, nicht entgegen.

Sachverhalt | EuGH C-394/18

Im Jahre 2009 übertrug eine italienische Gesellschaft im Wege der Abspaltung einen Teil ihres Vermögens auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Gesellschaft. Gegen diese Spaltung erhoben einige Gläubiger der übertragenden, abspaltenden Gesellschaft Anfechtungsklage (sog. actio pauliana) mit dem Antrag, dass die Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt werde. Hilfsweise beantragten sie die Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung der übertragenden wie der übernehmenden, neu gegründeten Gesellschaft. Sie sahen sich durch eine Übertragung des Großteils des Vermögens verkürzt.

Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV fragte das italienische Gericht bei dem EuGH an, ob erstens Art. 12 der Spaltungsrichtlinie der Erhebung einer späteren Anfechtungsklage entgegensteht, wenn zuvor nicht von den in Umsetzung dieser Bestimmung geschaffenen Rechtsbehelfen des nationalen Rechts Gebrauch gemacht wurde und zweitens, ob Art. 19 der Spaltungsrichtlinie, der die Nichtigkeit von Spaltungen regelt, einer solchen Anfechtungsklage entgegensteht, die nicht zur Nichtigkeit gegenüber jedermann, sondern nur den anfechtenden Gläubigern gegenüber führt.

Entscheidung | EuGH C-394/18

Der EuGH geht zunächst davon aus, dass die Art. 12 und 19 der Spaltungsrichtlinie, die unmittelbar nach Art. 1 (1) der Spaltungsrichtlinie nur für die Spaltung durch Übernahme gelten, gemäß Art. Art. 22 (1) auch für den Fall der Spaltung durch Gründung neuer Gesellschaften anwendbar sind.

Die erste Vorlagefrage beantwortet der EuGH dahingehend, dass Art. 12 der Spaltungsrichtlinie einer nachträglich erhobenen Anfechtungsklage nicht entgegensteht. Zwar werde eine Anfechtungsklage in Art. 12 der Spaltungsrichtlinie nicht erwähnt. Wie jedoch aus dem Wort „zumindest“ in Art. 12 (2) deutlich werde, will die Richtlinie nur einen Mindestschutz der Gläubiger sicherstellen. Diese in der Richtlinie vorgesehenen Schutzinstrumente der Gläubiger sind umzusetzen. Eine darüber hinausgehende, überschießende Regelung durch die Mitgliedstaaten bleibe aber möglich. Insoweit schaffe die Richtlinie keine Vollharmonisierung.

Genauso würde Art. 19 der Spaltungsrichtlinie der nachträglichen Anfechtungsklage nicht entgegenstehen, wie der EuGH im Rahmen der zweiten Vorlagefrage entschied. Grundsätzlich regelt Art. 19 der Richtlinie die Fälle der Nichtigkeit einer Spaltung. Die erhobene Anfechtungsklage würde jedoch gerade nicht zu einer Nichtigkeit im Sinne der Richtlinie führen. Diese setze nämlich eine Ungültigkeit der Spaltung gegenüber jedermann voraus. Das ist aber nicht die Rechtsfolge der Anfechtungsklage, die nur dazu führe, dass die Wirkungen der Spaltung nur den Klägern nicht entgegengehalten werden könne.

Praxishinweis | EuGH C-394/18

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Spaltungsrichtlinie sind inhaltsgleich in Art. 146, 153 der Richtlinie (EU) 2017/1132 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts aufgegangen, die hier jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht angewendet werden konnte. Der Fall betrifft die Auslegung der Richtlinie für einen genuin italienischen Fall mit der actio pauliana. Auch auf den ersten Blick vergleichbare Rechtsbehelfe, wie die Anfechtung nach dem AnfG oder nach §§ 129 ff. InsO, knüpfen, sofern ihre Anwendbarkeit auf umwandlungsrechtliche Vorgänge überhaupt bejaht wird, nicht an die Umwandlung, sondern die Uneinbringlichkeit der Forderung im Rahmen des AnfG oder die Insolvenz im Rahmen der InsO an. Bedeutung hat die Entscheidung aber insofern, als nun solche schuldrechtlichen Gestaltungen, die den Gläubiger vor Vermögensverschiebungen schützen sollen, unionsrechtlich abgesichert sind.