Sächs. Finanzgericht 2 K 121/21
Gewährung einer Steuerbefreiung bei der Grunderwerbsteuer im Falle der Ausgliederung zur Neugründung einer Gesellschaft

26.11.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

Sächs. Finanzgericht
30.06.2021
2 K 121/21
juris

Leitsatz | Sächs. Finanzgericht 2 K 121/21

  1. Ein Umwandlungsvorgang, bei dem eine abhängige Gesellschaft neu gegründet wird, ist begünstigungsfähig, obwohl die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren aus rechtlichen Gründen nicht bestehen kann.
    § 6a Satz 4 GrEStG wird dahingehend ausgelegt, dass die Vorbehaltensfrist nur in Bezug auf die abgebende Gesellschaft eingehalten werden muss. (nichtamtl. Leitsatz)
  2. Gemäß § 351 Abs. 1 AO kann ein Verwaltungsakt, der einen unanfechtbaren Verwaltungsakt ändert, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, sofern sich nicht aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt. (Rn. 23, nichtamtl. Leitsatz)

 

Sachverhalt | Sächs. Finanzgericht 2 K 121/21

Die Klägerin ist eine Gesellschaft, dessen alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin Frau Y ist. Frau Y war Eigentümerin eines Grundstücks, welches sich im Betriebsvermögen der Einzelunternehmung von Frau Y (X Y e.K.) befand. Im Wege der Ausgliederung übertrug die Firma X Y e.K. ihr Vermögen als Ganzes mit notariellem Vertrag auf die Klägerin, welche mit Gesellschaftsvertrag vom selben Tag neu gegründet wurde. Das Grundstück wurde im Ausgliederungsplan im Wege der Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG übertragen, was 2018 im Handelsregister eingetragen wurde.

Der Beklagte setzt mit Bescheid, welcher gemäß § 169 AO vorläufig erging, im Jahr 2019 gegenüber der Klägerin die Grunderwerbsteuer fest. Der Grundbesitzwert solle gesondert festgestellt werden. Das Finanzamt Z stellt diesen Wert im Oktober 2019 fest, wogegen die Klägerin Einspruch einlegte. Daraufhin änderte der Beklagte den Grunderwerbsteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und erklärte ihn für endgültig. Den dagegen eingelegten Einspruch der Klägerin wies der Beklagte als unbegründet zurück.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die Grunderwerbsteuer 2019 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf 0 Euro festzusetzen.

Entscheidung | Sächs. Finanzgericht 2 K 121/21

Die zulässige Klage der Klägerin sei teilweise begründet.

Zunächst befasst sich das Gericht mit dem Bestehen einer Steuerbefreiung gemäß § 6a GrEStG. Bei dem durch die Verschmelzung bewirkten Übergang des Eigentums an den Grundstücken der Frau Y auf die Klägerin handele es sich um einen gesetzlichen Eigentumswechsel, der gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliege. Allerdings lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß § 6a GrEStG vor.

§ 6a Satz 1 GrEStG sei nur anwendbar, sofern an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und eine (oder mehrere) von diesem abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Eine Gesellschaft sei gemäß § 6a Satz 3 GrEStG abhängig, wenn an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen für einen Zeitraum im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG beteiligt sei. Demnach müsse das dort bestimmte Abhängigkeitsverhältnis innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren vor (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach (Nachbehaltensfrist) dem Umwandlungsvorgangs bestanden haben. Dem Wortlaut nach seien somit sämtliche Umwandlungsvorgänge, bei denen eine beteiligte Gesellschaft neu entsteht (oder erlischt) nicht begünstigungsfähig, da die zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllt werden könne. Indem die beteiligte Gesellschaft – die Klägerin – erst neu gegründet wurde, wäre der Umwandlungsvorgang nicht begünstigungsfähig.

Allerdings folge der Senat bei der Auslegung des § 6a GrEStG der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und kommt mithin zu folgendem Ergebnis: Es liege eine Ausgliederung gemäß § 6a Satz 1 GrEStG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 123 Abs. 3 Nr. 2, 152, 158 UmwG vor. Die übertragende Rechtsträgerin sei Frau Y, welche als herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG anzusehen sei. Die übernehmende Rechtsträgerin sei die Klägerin als Kapitalgesellschaft. Frau Y war Alleininhaberin ihres Unternehmens und wurde Alleingesellschafterin der Klägerin. Bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung lege der Bundesfinanzhof § 6a Satz 3, 4 GrEStG dahingehend aus, dass die Vorbehaltensfrist nur in Bezug auf die abgebende Gesellschaft und die Nachbehaltensfrist in Bezug auf beide abhängigen Gesellschaften eingehalten werden müsse. Daher könne bei einer Neugründung einer Kapitalgesellschaft durch Ausgliederung eines Unternehmens bei einer natürlichen Person eine Steuerbefreiung gewährt werden. Eine solche Auslegung entspreche auch dem Zweck der Vorschrift. Dieser liege in der Erleichterung von Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen mittels Steuerbegünstigungen, damit Unternehmen flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können.

Dennoch könne eine Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 Euro nicht vorgenommen werden, da der Beklagte die Grunderwerbsteuer mit bestandskräftigem Grunderwerbsteuerbescheid festgesetzt habe, gegen welchen die Klägerin keinen Einspruch eingelegt habe. Nachdem das Finanzamt Z den Grundbesitzwertbescheid erlassen habe, habe die Beklagte den ursprünglichen Bescheid gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. Gemäß § 351 Abs. 1 AO könne die Klägerin mithin lediglich eine Änderung in Höhe der Differenz der Grunderwerbsteuer erreichen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Grundlagenbescheid noch nicht bestandskräftig ist, da eine Änderung der Bemessungsgrundlage über die Regelung des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO im Folgebescheid berücksichtigt werden könne. Die Höhe der Bemessungsgrundlage sei jedoch ohnehin unerheblich, da der Einbringungsvorgang steuerfrei sei. Es bleibe mithin bei der ursprünglichen Festsetzung der Grunderwerbsteuer.

Praxishinweis | Sächs. Finanzgericht 2 K 121/21

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Auslegung des Bundesfinanzhofes im Sinne von Ausgliederungen zur Neugründung dahingehend erfolgt, dass auch diese von einer Steuerbefreiung gemäß § 6a GrEStG erfasst werden. Sollte entgegen dieser Annahme trotzdem eine Grunderwerbsteuer erhoben werden, sollte gegen den ersten ergangenen Bescheid Einspruch eingelegt werden. Wird kein Einspruch eingelegt, kann der Bescheid auch im Klageweg nicht auf eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 0 Euro geändert werden, obwohl eine Steuerbefreiung vorläge.