BGH X ZR 107/16
Geschäftsgrundlage einer Schenkung an Lebenspartner

13.11.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
18.06.2019
X ZR 107/16
NZFam 2019, 822

Leitsatz | BGH X ZR 107/16

  1. Die vom (mit-)beschenkten Partner des eigenen Kindes geteilte oder jedenfalls erkannte Vorstellung des Schenkers, eine zugewendete Immobilie werde vom eigenen Kind und dessen Partner dauerhaft als gemeinschaftliche Wohnung oder Familienwohnung genutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages bilden.
  2. Die Schenkung begründet jedoch kein Dauerschuldverhältnis. Für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage reicht es deshalb nicht aus, dass die Lebensgemeinschaft nicht bis zum Tod eines der Partner Bestand hat. Hat jedoch die gemeinsame Nutzung der Immobilie entgegen der mit der Schenkung verbundenen Erwartung nur kurze Zeit angedauert, kommt regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht.
  3. In diesem Fall ist der Schenker in der Regel berechtigt, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten und das gesamte Geschenk oder dessen Wert zurückzufordern.

Sachverhalt | BGH X ZR 107/16

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Finanzierungsbeiträgen für eine Wohnimmobilie. Die Klägerin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Betrag von über 100.000 € an ihre Tochter und deren ehemaligen Lebensgefährten, den Beklagten, gezahlt.

Die Tochter und der Beklagte befanden sich seit 2002 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Im Jahr 2011 kauften sie ein Hausgrundstück zum gemeinsamen Wohnen, dessen Mitfinanzierung der zugewendete Betrag galt. Anfang 2013 trennten sich die Tochter der Klägerin und der Beklagte. Anfang 2014 verlangte die Klägerin die zugewandten Beträge zurück.

Das Landgericht gab der Klage statt, die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Hiergegen wendet er sich nunmehr mit der Revision.

Entscheidung | BGH X ZR 107/16

Die zulässige Revision hielt der BGH für unbegründet.

Der Klägerin stehe ein Rückzahlungsanspruch gem. §§ 313 Abs. 3 S. 1, 313 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB zu. Das Rücktrittsrecht ergebe sich aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage und der Unzumutbarkeit einer Vertragsanpassung.

Die Vorstellung der Klägerin als Schenkerin, die zugewendete Immobilie werde vom eigenen Kind und dessen Partner dauerhaft als gemeinschaftliche Wohnung genutzt, sei Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrages geworden und durch die Trennung nach zwei Jahren seit Schenkung nachträglich weggefallen.

Das Gericht umreißt hier zunächst seine Maßstäbe zur Ermittlung der Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages. Hiernach sei zu beachten, dass der Schenkungsvertrag kein Austauschvertrag sei, bei dem Leistung und Gegenleistung in einem synallagmatischen Verhältnis stehen. Die Leistung des Schenkers sei mit der Übertragung des Schenkungsgegenstandes erbracht, eine Gegenleistung des Beschenkten bestünde gerade nicht. Er schulde gewissermaßen nur „Dank“ für die Zuwendung, der jedoch beim Schenkungsvertrag unter Berücksichtigung des § 530 Abs. 1 BGB (grober Undank) und § 528 Abs. 1 BGB (Verarmung des Schenkers) andauere.

Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dem Beschenkten eine rechtliche Verpflichtung aufzuerlegen, die in Widerspruch zu der vereinbarten Unentgeltlichkeit stehe und die unbedingte und unwiderrufliche Zuwendung in eine bedingte oder widerrufliche Übertragung eines Vermögensgegenstandes wandele. Hierfür seien § 525 BGB (Schenkung unter Auflage) oder § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB (Zweckabreden) einschlägig.

Dennoch liege der der Zuwendung von Grundeigentum, das vom Beschenkten bewohnt werden soll, oder zu einem entsprechenden Grunderwerb bestimmter Geldbeträge aber regelmäßig die Vorstellung des Schenkers zugrunde, die Wohnnutzung des Grundstücks werde jedenfalls von einiger Dauer sein. Denn typischerweise sei die beabsichtigte Langfristigkeit der Nutzung ein wesentlicher Beweggrund für die Zuwendung privaten Grundeigentums, und regelmäßig sei ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt, der Schenker hätte den Geschäftswillen zur Zuwendung nicht entwickelt, wenn er gewusst hätte, dass die (gemeinsame) Nutzung der Immobilie durch die Beschenkten nur kurzfristig sein werde.

Dies begründet der Senat mit der Erwägung, dass ein Schenker in Konstellationen wie dieser regelmäßig damit rechnen müsse, dass die Ehe seines Kindes mit dem mitbeschenkten Ehegatten nicht auf Lebenszeit Bestand habe. Im Gegenteil entspreche die Annahme, dass der Geschäftswille des Schenkers auf der Vorstellung von einer bestimmten oder gar lebenslangen Dauer der Beziehung aufbaue, vor dem Hintergrund der Scheidungsraten (im Jahr 2017) nicht der allgemeinen Lebenserfahrung.

Für den Wegfall der Geschäftsgrundlage reiche es deshalb nicht aus, dass die Lebensgemeinschaft nicht bis zum Tod eines der Partner Bestand habe. Habe jedoch die gemeinsame Nutzung der Immobilie entgegen der mit der Schenkung verbundenen Erwartung nur kurze Zeit angedauert, komme ein Wegfall der Geschäftsgrundlage regelmäßig in Betracht.

So liege es hier, da tatrichterlich festgestellt wurde, dass die Zuwendung in der Erwartung erfolgt sei, dass nicht nur die Beziehung zwischen der Tochter und dem Beklagten andauern werde, sondern das zu erwerbende Grundeigentum die räumliche Grundlage des Weiteren, insbesondere nicht nur kurzfristigen Zusammenlebens der Partner bilden.

Praxishinweis | BGH X ZR 107/16

Die Entscheidung überrascht, da die Rechtsprechung bislang vor dem Hintergrund der Entscheidung des XII. Zivilsenats im Jahr 2010 (Az. XII ZR 189/06) davon ausgegangen war, der Schenkung liege die von den Beteiligten geteilte Vorstellung zugrunde, die Partnerschaft werde nicht durch eine Trennung der Partner, sondern durch den Tod eines Partners enden. Der Unterschied zu dieser Rechtsprechung liegt darin, dass die Vorstellungen über die Wohnnutzung nicht mehr für die Dauer bis zum Tod eines Partners reichen müssen, sondern nur von „einiger“ Dauer sein müssen. Daraus ergeben sich Unsicherheiten für die Rechtspraxis über den Inhalt der Geschäftsgrundlage bei Schwiegerelternschenkungen. Hierdurch entsteht das Bedürfnis, die Vorstellungen auch in den Vertrag einzubeziehen. Naheliegend ist es, das Geld nur seinem Kind zuzuwenden und diesem eine Vertragsvereinbarung mit dessen Lebensgefährten zu überlassen. Dies kann auch unter Pflichtteilsanrechnung, Ausgleichungspflichten oder Pflichtteilsverzicht stattfinden. Vorgeschlagen wird außerdem die Ausgestaltung der Zuwendung an das Schwiegerkind als zinsloses Darlehen, das mit der Auflösung der Partnerschaft zurückzuzahlen ist.