OLG Naumburg 1 U 125/19 (Hs)
Genossenschaft: Erlöschen des ursprünglichen Rechtsträgers bei Umwandlung durch Formwechsel

30.07.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Naumburg
12.12.2019
1 U 125/19 (Hs)
NZG 2020, 715

Leitsatz | OLG Naumburg 1 U 125/19 (Hs)

  1. Die Genossenschaftsmitgliedschaft einer eingetragenen Genossenschaft endet nicht nach oder analog § 77a GenG mit ihrer Umwandlung durch Formwechsel in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Eine solche Umwandlung hat weder die Auflösung noch das Erlöschen der eingetragenen Genossenschaft zur Folge. Ebenso wenig tritt eine Rechtsfolge ein.
  2. Wird in der Mitgliederliste dennoch die Beendigung der Mitgliedschaft vermerkt, hat die Gesellschaft gegen die Genossenschaft einen auf Berichtigung gerichteten Anspruch.

Sachverhalt | OLG Naumburg 1 U 125/19 (Hs)

Die Klägerin, zunächst in der Rechtsform einer eG ist Mitglied bei der Beklagten, die ebenfalls in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft organisiert ist. Nach Rechtsformwechsel der Klägerin von der eG hin zu einer GmbH teilte sie die Änderung der eigenen gesellschaftsrechtlichen Struktur der Beklagten mit. Die Beklagte informierte die Klägerin darüber, dass mit Rechtsformwechsel, gestützt auf § 77a GenG sowie § 8 der Satzung der Beklagten (identisch im Wortlaut), die Mitgliedschaftsrechte der Klägerin mit Ablauf des 30.06 (Schluss des Geschäftsjahres) erlöschen. Die Beklagte nahm eine entsprechende Eintragung/Löschung im Mitgliederverzeichnis vor. Hauptsächlich stützt sich die Beklagte auf die Ansicht, durch den Formwechsel, sei die vormalige eG (Klägerin) erloschen und die GmbH Rechtsnachfolgerin entsprechend des Wortlautes von § 77a GenG. Die Klägerin wendet sich hiergegen mit der Feststellungsklage vor dem Landgericht Magdeburg, nunmehr in Berufung vor dem OLG Naumburg und vertritt die Auffassung, durch der Formwechsel habe eine vollständige Rechtsidentität vorgelegen, sodass § 77a GenG und § 8 der Satzung bereits in den Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Vorinstanz stellt hier auf eine analoge Anwendung des § 77a GenG ab, da die Klägerin als vormalige eG aus dem Genossenschaftsregister gelöscht worden ist.

Weitergehende Details zum Sachverhalt sind im Vorgang des Verfahrens beim Landgericht Magdeburg, 14.05.2019, 31 O 2 /19 ersichtlich.

Entscheidung | OLG Naumburg 1 U 125/19 (Hs)

Die Mitgliedschaft der Klägerin ist gegenüber der Beklagten nicht durch Formwechsel erloschen.

Mit Wirksamkeit des Formwechsels besteht der formwechselnde Rechtsträger (eG) in der im Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform (GmbH) weiter. Ein Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge findet nicht statt. Auf die Rechtsverhältnisse im Außenverhältnisse kann sich gerade keine Auswirkung des Formwechsels ergeben, insbesondere sind schuldrechtliche Beziehungen des vormalig in der eG strukturierten Rechtsträgers zu Dritten in Ihrer Wirksamkeit nicht durch den Formwechsel des Rechtsträgers beeinträchtigt. § 77a GenG und wortgleich § 8 der Satzung der Beklagten knüpfen dem Wortlaut nach ausschließlich an den Erlöschenstatbestand an. Da der Rechtsträger wirtschaftlich und rechtlich identisch fortbesteht, bleibt für eine direkte Anwendung des § 77a GenG allerdings kein Anwendungsspielraum. Entsprechend kann auch keine Rechtsnachfolge eintreten. Einer analogen Anwendung des § 77a GenG steht entgegen, dass § 77a GenG in seiner systematischen Stellung zu §77 GenG eng auszulegen ist. In Anlehnung an § 77 GenG muss sich für eine analoge Anwendung jedenfalls ein endgültiges Ausbleiben der Möglichkeit der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte in der Person des Berechtigten ergeben. Zweck des § 77a GenG ist die zeitnahe Regelung und Klärung der Mitgliedschaftlichen Verhältnisse bei Genossenschaften. Vorliegend ist durch den Rechtsformwechsel keine andere Person in die Rechtsnachfolge eingetreten. Es besteht insoweit schon kein Klärungsbedarf, da die Mitgliedschaft schon nicht fraglich ist. Für die Möglichkeit der Rechtsausübung kann der Formwechsel keine Auswirkungen haben. Es fehlt somit schon an einer vergleichbaren Sachverhaltslage, die für eine analoge Anwendung erforderlich wäre.

Erweitert wird seitens des OLG Naumburg ausgeführt, dass die Rechte Dritter unverändert gegenüber dem Rechtsträger neuer Form fortbestehen. Es gäbe kein Rücktrittsrecht für Dritte und es sei auch keine Zustimmung des Dritten zum Formwechsel erforderlich, weil es eben keine Beeinträchtigung seiner Rechte gäbe. Dem Dritten wird ausreichender Gläubigerschutz durch das Recht auf Sicherheitsleistung gemäß §§ 22, 204 UmwG gewährt.

Das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Mitgliedschaft ergibt sich aus dem Rechtsschein der (zwar nur deklaratorisch geführten) Mitgliederliste.

 

Praxishinweis | OLG Naumburg 1 U 125/19 (Hs)

In Abgrenzung zur der vom Landgericht Magdeburg herangezogenen und interpretierten Entscheidung des OLG Stuttgart (Urteil vom 24.02.1989 – 2 U 113/87) bekräftigt das OLG Naumburg die Entscheidung zu Gunsten der Rechtssicherheit bei Formwechseln. Auf das Verhältnis zu Dritten in schuldrechtlicher Hinsicht hat der Formwechsel keine Auswirkungen. Würde man Auswirkungen im Außenverhältnis zulassen, wäre jeder Umwandlungsvorgang mit starken Rechtsunsicherheiten belastet. Das wandelnde Unternehmen könnte sich durch Umwandlung ansonsten allzu leicht von unliebsamen Vertragsbindungen lösen. Die klare Einordnung des § 77a GenG als eng mit § 77 GenG korrespondierende Ausnahmevorschrift überrascht insoweit nicht. Durch die Entscheidung wird auch der Gläubigerschutz nicht in Abrede gestellt oder beeinträchtigt. Der Beklagten ist vorliegend schon entgegen Zweck von § 77a GenG gar keine Unsicherheit über die Zuordnung der Mitgliedschaftsrechte entstanden. Dem wandelnden Rechtsträger muss es freistehen, die eigene Struktur verändern zu können, ohne im Verhältnis zu Dritten Rechte zu verlieren. Unabhängig von der konkreten Entscheidung des OLG Naumburg sind Umwandlungen hochkomplexe Rechtsvorgänge, die aus diesseitiger Sicht von spezialisierten Notaren begleitet werden sollten. Auch zukünftig empfiehlt es sich entsprechende Vorhaben langfristig und ordentlich aufbereitet zu planen.