OLG Frankfurt a. M. 20 W 145/19
Generalvollmacht eines GbR-Gesellschafters

29.01.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a. M.
27.01.2020
20 W 145/19
FGPrax 2020, 110

Leitsatz | OLG Frankfurt a. M. 20 W 145/19

  1. Grundsätzlich begegnet auch die Erteilung umfassender Vollmachten durch Gesellschafter einer GbR an einen Nichtgesellschafter keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Gesellschafter selbst die organschaftliche Vertretungsbefugnis behalten.
  2. Aus einer derartigen Generalvollmacht kann die Berechtigung des Bevollmächtigten hergeleitet werden, den Vollmachtgeber auch in Angelegenheiten zu vertreten, die dessen Handeln als Gesellschafter betreffen; die Vollmacht muss nicht die ausdrückliche Ermächtigung enthalten, ihn als Gesellschafter der GbR zu vertreten.
  3. Die Übertragung von Wohnungseigentum zugunsten einer GbR, deren alleinige Gesellschafter die Söhne des Veräußerers sind, erfordert bei entsprechender Veräußerungsbeschränkung durch Verwalterzustimmung (§ 12 Abs. 1 WEG) auch bei festgelegter Ausnahme hiervon bei Übertragung auf Verwandte in gerader Linie, die Zustimmung des Verwalters. (Leitsatz der Redaktion)

Sachverhalt | OLG Frankfurt a. M. 20 W 145/19

Der Beschwerdeführer richtet sich mit seiner Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes im Verfahren zur Umschreibung des Eigentums.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden A) übertrug mit notarieller Urkunde vom 13.11.2018 Wohnungseigentum auf eine GbR, dessen alleinige Gesellschafter die beiden Söhne des Antragstellers sind. Bei Vertragsabschluss handelte der A im eigenen Namen als Veräußerer und im Namen seiner Söhne als Gesellschafter der GbR auf Erwerberseite. Dem Vertrag lag die Ausfertigung einer notariellen Generalvollmacht des Sohn 1 (im Folgenden S1) aus dem Jahr 1999 bei. In § 3 des Übertragungsvertrages vom 13.11.2018 einigten sich die Vertragsbeteiligten über den bezeichneten Eigentumsübergang und bewilligten und beantragten den Vollzug im Grundbuch.

Mit Schreiben vom 12.12.2018 hat der Notar die notarielle Urkunde zum Vollzug beim Grundbuchamt eingereicht.

Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes hat mit Zwischenverfügung darauf hingewiesen (nur entscheidungsrelevantes, da mit Beschwerde gerügtes, wiedergegeben), dass 1) die Verwalterzustimmung zur Übertragung erforderlich und nachzureichen sei sowie 2) der Übertragungsvertrag der Genehmigung des S1 bedürfe, da die Generalvollmacht den A lediglich berechtige, den S1, nicht aber die hier verfügende GbR zu vertreten.

Mit seiner Beschwerde bringt A vor, dass die Veräußerungsbeschränkung der Verwalterzustimmung im Grundbuch für die Veräußerung an Verwandte grader Linie eine Befreiung von der Zustimmungspflicht vorsehe und es aufgrund der vorliegenden Generalvollmacht zudem keiner Genehmigung des S1 bedürfe.

Entscheidung | OLG Frankfurt a. M. 20 W 145/19

Die statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Nach Auffassung des Senats ist das Grundbuchamt zurecht davon ausgegangen, dass die Befreiung von der Verwalterzustimmung bei Veräußerung an Verwandte gerader Linie im konkreten Fall der Veräußerung an eine GbR, deren alleinige Gesellschafter die Söhne des Veräußerers sind, nicht einschlägig sei. Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 WEG und der damit verbundenen Regelung durch die Wohnungseigentümer des Bedarfs einer Verwalterzustimmung ist der Schutz vor Eindringen fremder Personen in die Eigentümergemeinschaft gegen den Willen der verbleibenden Eigentümer. Die vereinbarte Ausnahme bei Verwandten in gerader Linie sei ein Ausdruck dessen, dass bei Veräußerungen an Verwandte ein weniger starkes Risiko der Gefährdung eigener Interessen der Gemeinschaft bestehe. Die GbR als rechts- und grundbuchfähige Personengesellschaft könne schon begrifflich nicht mit dem Veräußerer verwandt sein. Auch in weiter Auslegung des Befreiungstatbestandes, da die GbR ausschließlich von den Söhnen des Veräußerers, somit Verwandten in gerader Linie, als alleinige Gesellschafter gelenkt werde, ergibt sich keine Befreiung. Denn der Schutzgedanke des § 12 Abs. 1 WEG wäre unterwandert, da zukünftige Gesellschafterwechsel innerhalb der GbR außerhalb des Grundbuchs und somit losgelöst von der Verwalterzustimmung entgegen den Interessen der Eigentümergemeinschaft möglich wären.

Die Auffassung, dass eine Genehmigung des Übertragungsvertrages durch S1 über die bereits vorgelegte Vollmacht hinaus erforderlich sei, teilt der Senat hingegen nicht.

Grundsätzlich werde die nach der ständigen Rechtsprechung des BGH als rechtsfähige und gemäß § 899a BGB, § 47 Abs. 2 GBO eintragungsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch ihre Gesellschafter gemeinschaftlich vertreten (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB). Dabei können die Gesellschafter die ihnen zustehende Vertretungsmacht durch rechtsgeschäftliche Vollmacht auf Dritte übertragen. Ob die vorgelegte Vollmacht zur Vertretung der GbR ausreichend ist, sei durch Auslegung zu ermitteln.

Soweit die Gesellschafter ihre organschaftlichen Vertretungsbefugnisse behalten, sei eine Bevollmächtigung Dritter (auch durch Generalvollmacht) zulässig. Die konkret vorliegende Generalvollmacht aus dem Jahr 1999 erlaubt nach ihrem Wortlaut „...soweit gesetzlich zulässig, jede rechtlich bedeutsame Handlung vorzunehmen...“. Dabei sei insbesondere „die Ausübung von Gesellschaftsrechten“ umfasst. Eine derartige Vollmacht ist nicht auf bereits bestehende Gesellschaften beschränkt, sondern gilt ohne weitere Einschränkungen im Wortlaut auch für nach Bevollmächtigung gegründete Gesellschaften. Dies ergebe sich bereits aus dem Sinn und Zweck einer unbeschränkten Generalvollmacht. Nicht erforderlich sei die ausdrückliche Ermächtigung zu bestimmten Handlungen. Die Generalvollmacht soll gerade, soweit keine benannten Einschränkungen vorliegen, dem Bevollmächtigten für alle Eventualitäten Vertretungsmacht einräumen. Die nicht abschließende Auflistung expliziter Rechte schließt dies nicht aus. Der vorliegende Wortlaut des Ausübungsrechts von Gesellschaftsrechten befürwortet hingegen die Berechtigung zur Ausübung von Stimmrechten des Gesellschafters und der Vertretung des Gesellschafters einer GbR. Nach Auffassung des Senats sei bei Berechtigung der Vertretung der Gesellschafter durch Generalvollmacht in der Folge auch eine Vertretung der GbR als Rechtssubjekt durch Ausübung der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht der Gesellschafter abzuleiten.

Praxishinweis | OLG Frankfurt a. M. 20 W 145/19

Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main zeigt einerseits die flexible Gestaltung und Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit einer juristischen Person, speziell der GbR auch in Krisenzeiten auf. Insbesondere in der derzeitigen pandemischen Lage ist es nahezu unerlässlich, für den Fall gesundheitlicher oder anderweitiger Einschränkungen der Gesellschafter durch Vollmachten die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen.

Anderseits zeigt die Entscheidung erneut auf, dass die Generalvollmacht ohne weitgehende und bestimmte Beschränkungen der Vertretungsmacht einen weiten Handlungsspielraum der missbräuchlichen Nutzung eröffnet. Nur bei einem ausgeprägten Vertrauensverhältnis zum Bevollmächtigten sollte man in Abwägung der Chancen und Risiken einer solchen Bevollmächtigung diese auch erteilen.

Die Entscheidung sollte Anlass darstellen, bisher bestehende rechtsgeschäftliche Vertretungsstrukturen zu überdenken und gegebenenfalls an die heutigen gesellschaftlichen Umstände, persönliche Lebenslagen und veränderten Verhältnisse anzupassen.