BFH II R 36/19
Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen

19.12.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
25.01.2022
II R 36/19
BFHE 276, 234

Leitsatz | BFH II R 36/19

  1. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sind diejenigen Leistungen, die für den Erwerb des Grundstücks i.S.d. bürgerlichen Rechts zu erbringen sind. Eine Gegenleistung für Scheinbestandteile gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.
  2. Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen. Dazu können auch Forstbäume zählen.

 

Sachverhalt | BFH II R 36/19

Der Kläger betreibt ein forstwirtschaftliches Unternehmen, dessen Geschäftsbetrieb im Erwerb und dem Betrieb forstwirtschaftlich bewirtschafteter Flächen besteht. Dazu gehört insbesondere das Fällen und Anpflanzen neuer Bäume. 2018 erwarb der Kläger mehrere Flächen mit teils fällreifem Baumbestand. Dieser Baumbestand war dabei bereits bei der Aufforstung für die Abholzung bestimmt. Der Gesamtkaufpreis von 105.000 EUR gliederte sich dabei in einen Teilbetrag von 73.500 EUR für den Baumbestand und 31.500 EUR für Grund und Boden.

Das zuständige Finanzamt stellte zum Zwecke der Grunderwerbsteuerfestsetzung einen Kaufpreis von 105.000 EUR fest, mit der Begründung, der Wald sei wesentlicher Bestandteil des Grundstücks i.S.v. § 94 BGB.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg: Der zu erntezwecken gepflanzte Wald, sei nur Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB und damit für die Grunderwerbsteuer unbeachtlich.

Mit der Revision rügt das Finanzamt eine Verletzung der §§ 94, 95 BGB.

Entscheidung | BFH II R 36/19

Die Revision ist zulässig aber unbegründet.

Der BFH entscheidet, dass der auf den Baumbestand entfallende Kaufpreis bei der Bemessung der Grundsteuer nicht zu berücksichtigen ist. Denn bei dem Baumbestand handelt es sich um Scheinbestandteile, die nicht Teil des Grundstücks sind. Die Grunderwerbsteuer ist aufgrund des Erwerbs von Grund und Boden zu zahlen, sodass auch nur die Gegenleistung für den Grund und Boden als Bemessungsgrundlage dienen kann.

In Grunderwerbsteuersachen gilt gem. § 2 Abs. 1 S. 1 GrEStG der bürgerlich rechtliche Grundstücksbegriff. Damit finden die §§ 94, 95 Anwendung. Weil Baumbewuchs fest mit Grund und Boden verbunden ist, handelt es sich dabei dem Grundsatz nach um wesentliche Bestandteile des Grundstücks gem. § 94 BGB. Sofern aber beim Verbinden des Bestandteils mit dem Boden (also dem Anpflanzen) nach dem inneren Willen des Einfügenden die spätere Aufhebung der Verbindung beabsichtigt ist, handelt es sich gem. § 95 Abs. 1 S. 1 BGB nur um Scheinbestandteile, die nicht Bestandteil des Grundstücks werden.
Auf eine Sichtbarkeit der Scheinbestandteilseigenschaft kommt es dabei nicht an. Ebenso wenig auf den zeitlichen Horizont der Verbindung des Bestandteils mit dem Boden.

Praxishinweis | BFH II R 36/19

Die Entscheidung reiht sich in die jüngere Rechtsprechung des BFH ein. Dieser entschied ebenfalls 2022, dass Weihnachtsbaumbewuchs, der zur Abholzung vorgesehen ist, Scheinbestandteil eines Grundstücks ist (BFH v. 23.02.2022 – II R 45/19, DStRE 2022, 1130).

Praxisrelevant ist die Entscheidung insbesondere deshalb, weil sie verdeutlicht, wie wichtig es sein kann, beim Immobilienkauf Scheinbestandteile von Grundstücken zu identifizieren und gesondert im Kaufvertrag auszuweisen. Um Streitigkeiten mit dem Finanzamt zu vermeiden, ist es ebenfalls sinnvoll, die Umstände zu dokumentieren, welche die Scheinbestandteilseigenschaft begründen. Also zum Beispiel die bei Anpflanzung bestehende Absicht, Pflanzen später zu entfernen.

Da sich die Entscheidung abstrakt mit der Reichweite des § 95 BGB beschäftigt, ist sie freilich auch auf Grundstücke anwendbar, auf denen andere Pflanzen angebaut werden. Ausschlaggebend für eine Einschlägigkeit des § 95 BGB ist dabei, dass die konkreten Bestandteile bei Anpflanzung dazu bestimmt sind, vom Grundstück entfernt zu werden. Denn dann sind sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Boden verbunden: nämlich dem Wachstum.