OLG Naumburg 2 Wx 31/20
Entlassung eines Testamentsvollstreckers wegen unterlassener Entrichtung der Erbschaftsteuer

04.04.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Naumburg
23.02.2021
2 Wx 31/20
ZEV 2021, 385

Leitsatz | OLG Naumburg 2 Wx 31/20

  1. Etwaige in einem vorangegangenen Entlassungsverfahren festgestellte Pflichtverletzungen eines Testamentsvollstreckers sind in einem späteren Entlassungsverfahren nicht verbraucht.
  2. Die fehlende Entrichtung der Erbschaftsteuer stellt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers dar.

Sachverhalt | OLG Naumburg 2 Wx 31/20

Die Erblasserin war verheiratet mit dem 2007 vorverstorbenen Ehemann. Die Ehegatten hatten keine leiblichen Kinder und jeweils keine Geschwister. Die Beteiligten zu 2 und zu 3 waren ihre Pflegetöchter.
Die Ehegatten hatten 2002 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin setzten sie sich wechselseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein und befreiten den Letztlebenden von allen Beschränkungen in der Verfügung über den Nachlass. Für den Fall, dass der Letztlebende von der Möglichkeit der letztwilligen Verfügung keinen Gebrauch macht, setzten sie die Beteiligten zu 2 und zu 3 je zur Hälfte als Schlusserbinnen ein. Zugleich bestimmten sie verschiedene Vermächtnisse, teilweise unter Auflagen, und den Beteiligten zu 1 zu ihrem Testamentsvollstrecker. Das Testament wurde nach dem Ableben der Erblasserin eröffnet.

2015 wurde dem Beteiligten zu 1 vom Nachlassgericht ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt; der Beteiligte zu 1 nahm seine Tätigkeit auf.

Aufgrund von Phasen der Untätigkeit, die dazu führten, dass einzelne Maßnahmen eine nicht mehr tolerierbare zeitliche Dauer in Anspruch nahmen, stellte die Beteiligte zu 2 im Juli 2017 einen Antrag, den Testamentsvollstrecker zu entlassen. Dieser Antrag blieb trotz der vom Nachlassgericht erkannten Pflichtverletzungen erfolglos. Denn das Gericht sah in den Verletzungen noch nicht die Qualität eines wichtigen Grundes, der eine Entlassung rechtfertigt, erreicht.

Sein Verhalten änderte der Testamentsvollstrecker nicht. Die ihm aufgezeigten Versäumnisse wurden nicht abgestellt. Ende 2019 wurde dann ein zweiter Entlassungsantrag gestellt. Das Gericht sah nun die objektiven Voraussetzungen eines wichtigen Grundes als gegeben an und ordnete im März 2020 die Entlassung des Beteiligten zu 1 aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker an.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde. Die Beteiligten zu 2 und 3 begehren die Zurückweisung der Beschwerde und sind sich darin einig, dass der Nachlass nicht weiter auseinandergesetzt werden soll.

Entscheidung | OLG Naumburg 2 Wx 31/20

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 hat keinen Erfolg. Nach § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund kann insbesondere in einer groben Pflichtverletzung oder in der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung begründet sein. Dabei müssen die tatsächlichen Umstände in ihrer Gesamtheit die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes erfüllen. Das OLG Naumburg entschied, dass hierbei auch die im vorangegangenen Beschwerdeverfahren angeführten Umstände einbezogen werden könnten. Denn mit der Entscheidung im vorangegangenen Beschwerdeverfahren seien nicht etwa sämtliche dort als Pflichtverletzungen angeführten Umstände „verbraucht“ worden, sondern die Entscheidung war so zu verstehen, dass die damaligen tatsächlichen Umstände gerade noch nicht für eine Entlassung genügten, aber tendenziell im Falle der Fortführung dieser pflichtwidrigen Art der Testamentsvollstreckung eine Entlassung unmittelbar bevorsteht. Da es in der von dem Beteiligten zu 1 geführten Testamentsvollstreckung immer wieder monatelange Phasen der vollständigen Untätigkeit gab und B 1 die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Testamentsvollstreckung jedenfalls im Hinblick auf die Entrichtung der Erbschaftsteuer grob fahrlässig verletzte, das Nachlassgericht und die beiden Erbinnen nicht regelmäßig unterrichtete und diese Umstände verfestigte, indem er die benannten Pflichtverletzungen während des Verlaufes des Beschwerdeverfahrens nicht abgestellte, reichten die Umstände in der Gesamtschau aus, den Testamentsvollstrecker zu entlassen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts.

Praxishinweis | OLG Naumburg 2 Wx 31/20

Für den Testamentsvollstrecker entscheidend ist, dass selbst wenn eine oder mehrere Pflichtverletzungen der Testamentsvollstreckungstätigkeit vorliegen, ein Entlassungsantrag nicht zwangsläufig erfolgreich sein muss, da ein Entlassungsermessen besteht. Allerdings können die in einem früheren Entlassungsverfahren bereits bewerteten Gründe in einem späteren Verfahren herangezogen werden.

Die Entlassung des Testamentsvollstreckers ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Aufhebung der Testamentsvollstreckung. Steht aufgrund der Auslegung des Testaments fest, dass der Erblasser sicherstellen wollte, dass sein letzter Wille durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers erfüllt wird, muss im Falle der Kündigung oder Entlassung des durch den vom Erblasser benannten Testamentsvollstreckers ein neuer Testamentsvollstrecker vom Nachlassgericht bestimmt werden, wenn der Erblasser für diesen Fall keine Regelung in seinem Testament getroffen hat.

Über diesen Fall hinaus, wäre es auch denkbar, dem Testamentsvollstrecker selbst, z.B. im Krankheitsfall, die Möglichkeit einzuräumen, seinen Nachfolger zu benennen.