BGH II ZR 252/16
Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen Anspruch aus einer einem Geschäftsführer erteilten Versorgungszusage

21.10.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
02.07.2019
II ZR 252/16
NZA-RR 2019, 491

Leitsatz | BGH II ZR 252/16

Eine GmbH kann Ansprüchen aus einer ihrem Geschäftsführer erteilten Versorgungszusage nur dann den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten, wenn der Versorgungsberechtigte seine Pflichten in so grober Weise verletzt hat, dass sich die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue nachträglich als wertlos oder zumindest erheblich entwertet herausstellt (Festhaltung BGH, NZG 2000, 498 = ZIP 2000, 380, 381 f.). Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft durch das grobe Fehlverhalten des Begünstigten in eine ihre Existenz bedrohende Lage gebracht wurde; ob im Einzelfall die Zufügung eines außerordentlich hohen Schadens genügen kann, kann offenbleiben.

(amtl. Leitsatz)

Sachverhalt | BGH II ZR 252/16

Der Kläger war mit einem Anteil von 98 % Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der beklagten GmbH, die 1995 gegründet und im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge tätig wurde. Im Jahr 1999 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Pensionszusage, zu deren Deckung die Beklagte in der Folgezeit erhebliche Vermögenswerte bei einer Bank deponierte. Ab dem Jahr 2011 bezog der Kläger die vereinbarte Altersvorsorge. Im Jahr 2013 veräußerte er 51 % der Geschäftsanteile an die E-GmbH, des Weiteren wurden die beiden Söhne des Klägers sowie der Geschäftsführer der E-GmbH zu weiteren Geschäftsführern der Beklagten bestellt.

In der Folgezeit kam es zu einem nachhaltigen Zerwürfnis zwischen den Mitgesellschaftern. Der Kläger verpfändete namens der Beklagten zu seinen Gunsten Vermögenswerte im Wert von ca. 710.000€ oder ca. 600.000 € die zur Deckung der Pensionszusage bei einer Bank deponiert waren. Nachdem die Pensionszahlung daraufhin ausgeblieben war, teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er von seinem Recht auf Kapitalabfindung Gebrauch mache und veranlasste den Transfer der zu seinen Gunsten verpfändeten Vermögenswerte auf ein für ihn und seine Ehefrau geführtes Konto. Daneben verweigerten er und seine Söhne ihnen bekannten Mitarbeitern der E-GmbH den Zutritt zu den Geschäftsräumen.

In einer Gesellschafterversammlung vom 09.10.2013 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und die ihm erteilte Pensionszusage zu widerrufen. Diesen Beschluss hat der Kläger in einem Parallelverfahren erfolgreich angefochten. Am 28.11.2013 wurden mehrheitlich Beschlüsse gefasst, die die Abberufung der beiden Söhne des Klägers als Geschäftsführer sowie die Kündigung der Anstellungsverträge mit dem Kläger und seinen Söhnen betrafen. Zu TOP 4 wurde die Bestätigung des Gesellschafterbeschlusses v. 09.10.2013 über den Widerruf der dem Kläger erteilten Pensionszusage beschlossen; weiter wurde beschlossen, den Widerruf vorsorglich erneut zu erklären.

Neben der Beklagten bestand die Dr. L. GmbH, für die der der Kläger ebenso im Bereich der betrieblichen Altersversorgung tätig wurde. Demgegenüber hat die Beklagte ihre Geschäftstätigkeit mittlerweile eingestellt. Sie erhebt den Vorwurf, dass der Kläger und seine Söhne die Bestandskunden der Beklagten bzw. die für die Kundenwerbung maßgebenden „Multiplikatoren“ auf die Dr. L. GmbH übergeleitet hätten.

Mit seiner Anfechtungsklage wendet sich der Kläger gegen die am 28.11.2013 zu TOP 1 bis 4 gefassten Gesellschafterbeschlüsse. Das LG hat die Klage auch hinsichtlich des erneuten Widerrufs der Pensionszusage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die Anfechtung des zu TOP 4 zum erneuten Widerruf der Pensionszusage gefassten Gesellschafterbeschlusses weiter.

Entscheidung | BGH II ZR 252/16

Die Revision hatte Erfolg.

Das Gericht führte aus, dass der angegriffene Gesellschafterbeschluss zum Widerruf der Pensionszusage nur Bestand haben könne, wenn die Verpflichtungen der Beklagten aus der Zusage nicht mehr bestünden oder die Beklagte eine Erfüllung dieser Verpflichtungen verweigern, insbesondere dem Kläger den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten könne. Die Voraussetzungen hierfür seien nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht erfüllt.

Insofern seien nach gefestigter Rechtsprechung Versorgungszusagen nur dann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt, wenn der Pensionsberechtigte seine Pflichten in so grober Weise verletzt habe, dass sich die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue als wertlos oder zumindest erheblich entwertet herausstelle. Hierfür genüge es allerdings nicht, das ein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Anstellungsverhältnisses bestünde oder dass das Leistungsorgan gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Vielmehr sei erforderlich, dass der Versorgungsberechtigte den Versprechenden in eine seine Existenz bedrohende Lage gebracht habe.

Das Berufungsgericht habe aber nicht festgestellt, dass die – wohl bestehende – Existenzgefährdung maßgebend auf grobe Pflichtverletzungen des Klägers zurückzuführen sei.

Hierfür genügten die Feststellungen zur Einflussnahme auf das Kundenverhalten nicht. Ebendies gelte auch für der dem Kläger außerdem vorgeworfene eigenmächtige Zugriff auf Vermögenswerte der Beklagten, die keine Schädigung der Gesellschaft erkennen ließen, auf die eine Verweigerung der Pensionszahlungen gestützt werden könnte.

Praxishinweis | BGH II ZR 252/16

Der BGH verdeutlicht erneut, dass der Widerruf einer Pensionszusage strengen Voraussetzungen unterliegt. Es bedarf nunmehr auch einer Kausalität zwischen der groben Pflichtverletzung des Versorgungsberechtigten und der Existenzgefährdung der versprechenden Gesellschaft. Nichts desto trotz bleibt weiterhin offen, ob unter Würdigung aller Gesamtumstände des Einzelfalls ein Widerruf auch ohne Existenzgefährdung stattfinden könnte. Erforderlich bleibt allerdings, dass die Pflichtverletzungen in einem hohen Schaden für den Versprechenden münden.