KG 21 W 17/19
Einstweilige Verfügung auf Herausgabe einer Wohnung

18.11.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
20.08.2019
21 W 17/19
NJW-RR 2019, 1231

Leitsatz | KG 21 W 17/19

  1. Es besteht ein Grund zum Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Bauträger, die bezugsfertig hergestellte Wohneinheit dem Erwerber zu übergeben, wenn auch unter den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zuverlässig erkennbar ist, dass nach dem materiellen Recht ein dahingehender Anspruch des Erwerbers einredefrei besteht und der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert hat.
  2. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber die Wohneinheit nicht selbst bewohnen, sondern vermieten will. Denn der Verfügungsgrund resultiert nicht aus der beabsichtigten Eigennutzung des Erwerbers, sondern aus der finanziellen Belastung, die ein Bauträgervertrag und eine eventuelle Ersatzbeschaffung für den Erwerber mit sich bringen.
  3. Die Bestimmung in den von einem Bauträger gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgervertrags, wonach die Schlussrate bereits vor vollständiger Fertigstellung des Vertragsgegenstands auf das Anderkonto eines Notars zu zahlen ist, verstößt gegen § 309 Nr. 2 lit. a) BGB und ist unwirksam.

Sachverhalt | KG 21 W 17/19

Die Parteien schlossen im Herbst 2014 einen Bauträgervertrag. Darin verpflichtete sich die Verfügungsbeklagte (Verkäuferin) zur bezugsfertigen Herstellung des Sondereigentums durch Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen bis zum 31.01.2017. Die Parteien vereinbarten außerdem für den Fall der schuldhaften Überschreitung des Fertigstellungstermins der Wohnräume ab dem 01.03.2017 einen Schadenersatzanspruch. Daneben wurde die getrennte Abnahme von Sonder- und Gemeinschaftseigentum vereinbart.

Die Abnahmetermine endeten jeweils ohne Abnahme des Sondereigentums durch die Klägerin. Diese weigerte sich das ihm vorgelegte Abnahmeprotokoll zu unterzeichnen. Darin ist eine unwiderrufliche Abnahmeverpflichtung betreffend das Gemeinschaftseigentum nach Feststellung der Abnahmereife durch den TÜV sowie eine endgültige Abgeltungsregelung für Ansprüche wegen verzögerter Fertigstellung enthalten.

Der Kläger berief sich auf den Bauträgervertrag und verlangte Hinterlegung der Fertigstellungsrate auf ein Notaranderkonto Zug um Zug gegen Besitzübergabe des Sondereigentum. Im Hinblick auf die Überschreitung des Fertigstellungstermins rechnete der Kläger mit dem sich aus dem Bauträgervertrag ergebenden Schadensersatzbetrag. Bis auf die Fertigstellungsrate sowie den Sicherheitseinbehalt wurden die fälligen Kaufpreiszahlungen gezahlt.

Der klägerische Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte richtete sich auf Übergabe der bezugsfertigen Wohnung und wurde durch das LG mit Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen legte der Kläger sofortige Beschwerde ein, der das LG mit Beschluss nicht abgeholfen hat. Dem tritt der Kläger mit der sofortigen Beschwerde an das KG entgegen.

Entscheidung | KG 21 W 17/19

Die sofortige Beschwerde hatte im Wesentlichen Erfolg. Das Gericht ging davon aus, dass der Kläger von der Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übergabe der vertragsgegenständlichen Wohnung Zug um Zug gegen Abnahme des Sondereigentums verlangen konnte.

Es bestünde ein Grund zum Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Bauträger, die bezugsfertig hergestellte Wohneinheit dem Erwerber zu übergeben, wenn - auch unter eingeschränkter Erkenntnismöglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes - zuverlässig erkennbar sei, dass nach dem materiellen Recht ein dahingehender Anspruch des Erwerbers einredefrei besteht und der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert hat. Diese Voraussetzungen seien erfüllt.

Der Verfügungsanspruch auf Übergabe der Wohnung ergebe sich aus dem Bauträgervertrag. Gerügte Mängel seien hierfür nicht hinderlich, da sie der Wohnnutzung nicht entgegenstünden. Auch sei der Kläger zur Abnahme des Sondereigentums unter Vorbehalt von Rechten bereit gewesen.

Der Verfügungsgrund sei die erhebliche Beeinträchtigung die es darstelle, wenn dem Erwerber eine bezugsfertig hergestellte Wohnung nicht übergeben werde. Denn in Fällen der eigenen Wohnnutzung durch den Erwerber habe er sein Lebensplanung regelmäßig darauf eingerichtet, die Wohnung zum vereinbarten Zeitpunkt nutzen zu können. Für andernfalls entstehende zusätzlichen Kosten trüge der Erwerber das Insolvenzrisiko des Veräußerers oder habe möglicherweise selbst keinen adäquaten Ersatz. Es gelte im Ergebnis nichts anderes, wenn der Erwerber die Wohnung als Kapitalanlage dienen sollte. Auch in diesem Fall fehle es an der zumutbaren Substituierbarkeit des betroffenen Wirtschaftsguts. Anders als bei vertraglichen Leistungen bindet der Bauträgervertrag aufgrund der bis zur Bezugsfertigkeit gezahlten Kaufpreisraten erhebliche Mittel des Erwerbers, die er möglicherweise fremdfinanziere und die sich aufgrund einer unberechtigten Verweigerung der Übergabe sodann nicht amortisierten.

Aus diesem Grund sei dem Erwerber nicht zumutbar, den Übergabeanspruch im Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Die Dauer eines solchen Rechtsstreits und die damit verbundene finanzielle Belastung stellten in der vorliegenden Konstellation den Verfügungsgrund dar. Dem stünde auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht entgegen. Denn das unter dieser Bedingung müsse das verfassungsmäßige Gebot effektiven Rechtsschutzes den Vorrang gegenüber dem Interesse eines säumigen Schuldners haben, gerichtliche Prozesse zu entschleunigen.

Schließlich habe der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert, da er die Übergabe nicht von der Hinterlegung noch nicht fälliger Kaufpreisraten abhängig machen durfte. Diese Klausel sei als Verstoß gegen das Klauselverbot nach § 309 Nr. 2 lit. a) BGB unwirksam. Denn sie führe dazu, dass der Erwerber im Streitfall gezwungen sei, zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen auf Freigabe der hinterlegten Schlussrate zu klagen, anstatt sich gegenüber dem Vergütungsanspruch des Bauträgers auf Minderungs- und Leistungsverweigerungsrechte berufen zu können. Die Klausel laufe darauf hinaus, dass §320 BGB zumindest eingeschränkt werde und das Recht auf Minderung bis zu einer endgültigen Einigung oder Streitentscheidung ausgesetzt werde. Zwar diene sie dem Sicherungsbedürfnis des Bauträgers, allerdings wahre sie die Interessen des Erwerbers nur unzureichend, weil der Zweck der Leistungsverweigerungsrechte sich nicht in der Sicherung des Gegenanspruchs erschöpfen. Um den Schutzzweck des Klauselverbots zu gewährleisten, könne die Zahlungsabrede gem. § 306a BGB auch nicht als zulässige Vorleistungspflicht des Erwerbers ausgelegt werden.

Praxishinweis | KG 21 W 17/19

Vom einstweiligen Rechtsschutz dürfte Mandanten vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung in solchen Konstellationen nunmehr nicht weiter abzuraten sein, um die Wohnung in Besitz nehmen zu können. Auch stellt das Gericht fest, dass die - nicht unübliche - Klausel, nach der der Erwerber verpflichtet ist, die Schlussrate auf einem Notaranderkonto zu hinterlegen, nach dieser Rechtsprechung unwirksam wäre.