BFH II B 37/21
Eine Kettenschenkung ist auch bei einheitlicher Urkunde möglich

13.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
28.07.2022
II B 37/21
GWR 2022, 327

Leitsatz | BFH II B 37/21

  1. Wird ein Gegenstand in der Weise verschenkt, dass der erste Empfänger ihn unmittelbar darauf an einen Dritten weiterreicht, ist im Verhältnis Zuwendender/erster Empfänger zu prüfen, ob bereits zivilrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vorliegt.
  2. Anderenfalls ist im Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger bzw. Dritter zu prüfen, ob dem ersten Empfänger eine Dispositionsbefugnis über den Gegenstand verbleibt. Fehlt es daran, liegt steuerrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vor.
  3. Werden die beiden Verträge in einer Urkunde zusammengefasst oder in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen, muss sich die Dispositionsbefugnis eindeutig aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben.

Sachverhalt | BFH II B 37/21

Mit einer notariellen Urkunde schenkte und übertrug der Beigeladene ein Grundstück auf seine Tochter, die einen Miteigentumsanteil von 50% hieran – in derselben Urkunde - wiederum an ihren Ehemann, den Kläger, weiterschenkte und übertrug. Das Finanzamt behandelte den Erwerb des Klägers als Schenkung des Beigeladenen und berechnete die Steuer hinsichtlich Steuerklasse und Freibetrag diesem Verwandtschaftsverhältnis entsprechend. Der Kläger war der Ansicht, dass ein Direkterwerb von seiner Ehefrau vorliegt und Steuerklasse sowie persönlicher Freibetrag entsprechend diesem Verwandtschaftsverhältnis festzusetzen seien. Das FG hat der Klage stattgeben und die Revision des Finanzamts nicht zugelassen, woraufhin das Finanzamt Nichtzulassungsrüge erhoben hat, u. a. mit dem Vortrag, die steuerliche Einordnung der in der Vertragsurkunde enthaltenen Schenkung und Weiterschenkung sei grundsätzlich klärungsbedürftig für den Fall, dass der zugrundeliegende Vertrag auslegungsbedürftig sei. Fraglich sei demnach, ob eine eindeutige Entscheidungsbefugnis des ersten Beschenkten festzustellen sei. Der BFH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Entscheidung | BFH II B 37/21

Die steuerliche Behandlung zweier in einer Urkunde verbundener Schenkungen ist nicht mehr klärungsbedürftig.

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es bei einem solchen Sachverhalt drauf an, ob die weitergebende Person eine eigene Entscheidungsbefugnis hatte. Diese liege regelmäßig nicht vor, sollte eine Schenkung und Weiterschenkung in einer Urkunde zusammengefasst sein, es sei denn, aus dem Vertrag oder aus den Umständen des Einzelfalls ergibt sich eindeutig etwas anderes.

Was sich aus dem Vertrag oder den Umständen ergibt, ist eine Frage des Einzelfalls und somit einer grundsätzlichen Klärung, wie das Finanzamt dies fordert nicht zugänglich. So ist im Verhältnis Zuwendender/erster Empfänger zu prüfen, ob bereits zivilrechtlich von einer unmittelbaren Schenkung des Zuwendenden an den zweiten Empfänger auszugehen sein könnte. Erst wenn zivilrechtlich zwei hintereinandergeschaltete Schenkungen bestehen, ist im Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger die Dispositionsbefugnis des zuerst Bedachten zu prüfen. Der Maßstab der „eindeutigen Entscheidungsbefugnis“ bezieht sich somit nur auf das Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger.

Praxishinweis | BFH II B 37/21

Die Entscheidung schafft weitere Rechtssicherheit für das Gestaltungsmodell der Kettenschenkung. Nach dem BFH ist die zweifache Anwendung günstiger Steuerklassen und Freibeträge mit diesem Modell somit grundsätzlich zulässig, sofern in der zweiten Schenkung die „eindeutige“ Entscheidungsbefugnis des ersten Beschenkten festgestellt wurde. Danach kann auch ein „verunglückter“, auslegungsbedürftige Vertrag im Rahmen der Tatsachenfeststellung durch Finanzamt oder Finanzgericht noch gerettet werden, wobei es wesentlich darauf ankommt, dass die Entscheidungsbefugnis des zwischenbeschenkten eindeutig festgestellt werden kann. Es ist allerdings im Interesse der Mandantschaft darauf zu achten, dass die Entscheidungsbefugnis des Zwischenbeschenkten bereits aus dem Vertrag selbst ersichtlich ist.