BGH V ZR 77/21
Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten

18.07.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
11.03.2022
V ZR 77/21
ZIP 2022, 893

Leitsatz | BGH V ZR 77/21

  1. Für ein Beschlussmängelverfahren, in dem die Wirksamkeit der einseitigen Bestellung des Verwalters durch den teilenden Eigentümer im Streit steht, ist der Verwalter als berechtigt anzusehen, die beklagten übrigen Wohnungseigentümer zu vertreten und für diese Zustellungen entgegenzunehmen. (Rn. 8)
  2. Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung, mit der sich der zunächst zum Verwalter bestellte teilende Eigentümer die einseitige Bestimmung eines anderen Verwalters in der Aufteilungsphase vorbehält, ist unter Geltung des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung jedenfalls insoweit unwirksam, als der Vorbehalt nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fortgelten soll. (Rn. 11)
  3. Der Mangel der Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten wird geheilt, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen; dabei kommt es nicht darauf an, ob den Wohnungseigentümern die fehlende Einberufungsberechtigung bekannt war. (Rn. 18)

Sachverhalt | BGH V ZR 77/21

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage wurde von einer Bauträgerin errichtet und aufgeteilt. Der Teilungsplan vom November 2017 enthält eine Klausel, wonach die Bauträgerin erste Verwalterin wird und ihr das Recht obliegt, bis zum vollständigen Bezug des Objekts für einen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2020 einen anderweitigen Verwalter einseitig zu bestimmen.

Die Klägerin kaufte eine Wohnung in der Anlage und wurde im Januar 2019 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im April 2019 bestimmte die Bauträgerin die L GmbH & Co. KG zur Verwalterin und schloss mit dieser einen Verwaltervertrag ab. Zu diesem Zeitpunkt war die Anlage noch nicht vollständig bezogen. Mit Schreiben vom 28. Mai 2019 lud die L GmbH & Co. KG zur ordentlichen Eigentümerversammlung für den 14. Juni 2019 ein. In der Versammlung wurden Beschlüsse über den Wirtschaftsplan für das Jahr 2019 und über den Plan für die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage 2019 gefasst. Alle Eigentümer waren anwesend und stimmten ab. In der Ladung war eine solche Beschlussfassung für das Jahr 2020 angekündigt worden.

Der gegen die Beschlüsse gerichteten Beschlussmängelklage der Klägerin hat das Amtsgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

 

Entscheidung | BGH V ZR 77/21

Die Revision ist zulässig aber unbegründet.

Die Revision ist nicht deshalb unzulässig, weil es an einem von der Verwalterin wirksam bestellten Prozessbevollmächtigten fehlt. Denn die Aufhebung eines Beschlusses über die Bestellung der Verwaltung führt analog § 47 FamFG weder zur Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen, die der Verwalter namens der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber Dritten vorgenommen hat, noch zur Unwirksamkeit des Verwaltervertrags. Zwar ist bei unwirksamer einseitiger Verwalterbestellung die Interessenlage nicht identisch, denn es fehlt schon an einem ursprünglich wirksamen Beschluss und der Bestellungsakt ist von Anfang an und von vornherein unwirksam. Doch auch hier besteht ein starkes Bedürfnis nach dem Schutz des Rechtsverkehrs. Dass die organschaftliche Vertretungsbefugnis insoweit unterstellt wird, liegt insbesondere im Interesse des klagenden Wohnungseigentümers. Denn die Wirksamkeit der Bestellung muss überprüft werden können. Andernfalls wäre der Verwalter nämlich von vornherein nicht Zustellungsvertreter, obwohl im Zeitpunkt der Klageerhebung noch gar nicht geklärt ist, ob seine Bestellung unwirksam ist. Jedenfalls bei Beschlussmängelverfahren, in denen die Wirksamkeit der einseitigen Bestellung des Verwalters im Streit steht, ist der Verwalter daher als berechtigt anzusehen, die Wohnungseigentümer zu vertreten und für diese Zustellungen entgegen zu nehmen.

Ein Beschlussmangel liegt nicht deshalb vor, weil die Verwalterin nicht befugt war, die Eigentümerversammlung einzuberufen. Zwar wurde die L GmbH & Co. KG nicht wirksam zur Verwalterin bestellt, denn ihre einseitige Bestellung erfolgte nach Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung, mit der sich der zunächst zum Verwalter bestellte teilende Eigentümer die einseitige Bestimmung eines anderen Verwalters in der Aufteilungsphase vorbehält, ist gemäß § 26 Abs. 1 Satz 5 WEG aF jedoch insoweit unwirksam, als der Vorbehalt nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fortgelten soll. Denn ab Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft beschließen nach § 26 Abs. 1 Satz 5 WEG aF die Wohnungseigentümer über die Bestellung. Entgegenstehende Gestaltungen sind nach dem gesetzgeberischen Zweck des § 26 Abs. 1 Satz 5 WEG aF entweder unmittelbar oder über § 134 BGB, das lässt der BGH offen, unwirksam.
Dieser Einberufungsmangel wurde jedoch in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 3 GmbHG geheilt. Denn obwohl die Einberufung nicht durch (wirksam bestellten) Verwalter erfolgt ist, war die L GmbH & Co. KG jedenfalls potenziell einberufungsberechtigt und es handelte sich folglich um eine Eigentümerversammlung. Mit der Anwesenheit und Abstimmung aller Wohnungseigentümer bei der Eigentümerversammlung wurde der Einberufungsmangel geheilt. Das gilt unabhängig von mangelnder Kenntnis der Eigentümer von dem Einberufungsmangel.

Praxishinweis | BGH V ZR 77/21

Sind sämtliche Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Eigentümerversammlung anwesend und stimmen ab, dann werden hierdurch in entsprechender Anwendung von § 51 Abs. 3 GmbHG Einberufungsmängel geheilt. Das schafft Rechtssicherheit, bedeutet aber auch, dass Mängel im Nachhinein nicht mehr gerügt werden können und der Beschluss nicht mehr angegriffen werden kann.

Gestaltungen in der Gemeinschaftsordnung, die dem zunächst zum Verwalter bestellten teilenden Eigentümer das Recht einräumen, einseitig einen Verwalter zu bestimmen, sind nach alter Rechtslage insoweit unwirksam, als dass das Recht auch nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fortgelten sollen. Das gilt auch für den § 26 Abs. 5 WEG in seiner aktuellen Fassung und ist daher bei der Verwalterbestellung und Strukturierung der Gemeinschaftsordnung zu beachten.