KG 22 W 46/19
Durchführung von Mitgliederversammlungen einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung ohne Einladung des Geschäftsführers

24.03.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
17.07.2020
22 W 46/19
NZG 2020, 1305

Leitsatz | KG 22 W 46/19

Sieht der Gründungsvertrag einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung mit Sitz in Deutschland die Durchführung von Mitgliederversammlungen auf Einladung des Geschäftsführers vor, führt eine Durchführung ohne eine solche Einladung zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Eine Anwendung der §§ 241 ff. AktG scheidet aus.

Sachverhalt | KG 22 W 46/19

Die Beteiligte ist eine Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung.

Abweichend von den gesetzlichen Regelungen sah der Gründungsvertrag der Beteiligten die Durchführung von Mitgliederversammlungen auf Einladung des Geschäftsführers als Regelfall der Beschlussfassung vor.

Mit einer notariell beglaubigten elektronischen Erklärung meldeten zwei Mitglieder der Beteiligten an, dass der bisherige Geschäftsführer abberufen und im Rahmen einer Mitgliederversammlung die Auflösung der Gesellschaft und ihre Bestellung zu einzelvertretungsbefugten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Liquidatoren beschlossen worden sei.

Der Anmeldung waren ein Protokoll der Mitgliederversammlung, eine Anwesenheitsliste, die Versammlungseinladung, die Vollmachten sowie die Mitteilung der Tagesordnung, die 14 Tage vor der Versammlung per E-Mail versandt worden war, beigefügt.

Laut des Protokolls waren 40 Mitglieder auf der Versammlung persönlich vertreten und 47 durch Bevollmächtigte. Nach der Feststellung einer fehlenden Beschlussfähigkeit wurde eine halbe Stunde später eine Folgeversammlung eröffnet. In dieser wurde einstimmig der bisherige Vorstand abberufen und ein neuer Vorstand bestellt. Weiter wurde der bisherige Geschäftsführer einstimmig abberufen und mit absoluter Mehrheit der vertretenen Stimmen die Anmelder zu Geschäftsführern bestellt. Weiter wurde einstimmig die Auflösung der Gesellschaft und ein Weiterwirken der neu gewählten Geschäftsführer als Liquidatoren beschlossen.

Den Anmeldern war zwischenzeitlich durch gerichtliche Entscheidung die Geschäftsführungsbefugnis erteilt worden. Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Tagesordnung war die Entscheidung jedoch bereits wieder aufgehoben.

Das AG wies die Anmeldung mit Beschluss vom 02.04.2019 zurück, da der streitgegenständliche Beschluss nicht wirksam gefasst worden sei.

Die EWiV-VO lasse zwar zu, dass die Satzung der Gesellschaft – wie hier – eine 2/3 Mehrheit für den Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft vorsehen könne. Wegen des personenbezogenen Charakters der EWiV sei aber von einer 2/3 Mehrheit aller Mitglieder auszugehen. Außerdem bestünden Bedenken, ob die Versammlung ordnungsgemäß einberufen worden sei. Die bestellten Liquidatoren seien zur Einladung wohl nicht (mehr) befugt gewesen, die mitgeteilte Tagesordnung sei auch in Bezug auf die Auflösung zu unbestimmt und schließlich sei auch fraglich, ob alle Mitglieder eingeladen worden seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Gesellschaft Beschwerde eingelegt. Dieser hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 27.06.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung | KG 22 W 46/19

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. In der Begründung führte das KG aus, das AG habe die Eintragung des Ausscheidens des bisherigen Geschäftsführers, die Auflösung und die Eintragung der beiden Anmeldenden als neue Liquidatoren zu Recht abgelehnt, da die in der streitgegenständlichen Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse unwirksam seien.

Dies ergebe sich schon daraus, dass die Tagesordnung nicht durch geschäftsführende Personen mitgeteilt worden war.

Zwar kommt nach der EWiV-VO grundsätzlich jede Form der Beschlussfassung in Betracht, jedoch war im vorliegenden Fall die Beschlussfassung in einer Mitgliederversammlung als Organ der EWiV im Gründungsvertrag ausdrücklich vorgesehen und dort als Regelform der Beschlussfassung festgelegt.

Weiterhin war im Gründungsvertrag der Beteiligten – abweichend von den Mitgliedschaftsrechten nach Art. 17 IV EWiV-VO – die Zuständigkeit des Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft für die Ladung zu der Versammlung geregelt worden. Hiergegen war indes verstoßen worden, denn zum Zeitpunkt der Mitteilung der Tagesordnung war die gerichtliche Entscheidung, mit der den beiden Anmeldern zuvor die Geschäftsführungsbefugnis vorübergehend erteilt worden war, bereits wieder aufgehoben.

Wie auch im Gründungsvertrag der Beteiligten ausdrücklich vorgesehen, stellt die Mitteilung der Tagesordnung einen bedeutsamen Teil der Ladung der Mitglieder zu der einberufenen Versammlung dar. Dies folgt daraus, dass die Mitteilung der Tagesordnung den geladenen Mitgliedern als Entscheidungsgrundlage dafür dient, ob eine Teilnahme ihrerseits erforderlich ist oder nicht.

Mangels Regelugen in der EWiV-VO gelte für die EWiV bezüglich Beschlussmängeln nach deutschem Recht ergänzend das Recht der offenen Handelsgesellschaft, § 1 EWiV-Ausführungsgesetz. Eine Anwendung der §§ 241 ff. AktG scheide demnach aus, mit der Folge, dass grundsätzlich jeder Fehler in der Beschlussfassung – so auch die fehlende Befugnis zur Mitteilung der Tagesordnung - zur Nichtigkeit des gefassten Beschlusses führt.

Eine Ausnahme gelte lediglich in Bezug auf Verfahrensfehler, wenn eine Auswirkung auf die Abstimmung ausgeschlossen werden kann. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn nicht sichergestellt ist, dass sowohl die Ladung als auch die Mitteilung der Tagesordnung jedem Mitglied rechtzeitig zugegangen ist. Auch aus diesem Umstand ergebe sich im vorliegenden Fall die fehlende Eintragungsfähigkeit.

Praxishinweis | KG 22 W 46/19

Es handelt sich hierbei um eine praktisch bedeutsame Entscheidung, denn Fehler in Ladungen zu beschlussfassenden (Mitglieder-)Versammlungen gehören zur Tagesordnung.

So folgt hieraus für die EWiV, dass die fehlende Befugnis zur Mitteilung der Tagesordnung automatisch die Nichtigkeit des gefassten Beschlusses zur Folge hat. §§ 241 ff. AktG finden weder auf die EWiV noch im Falle einer offenen Handelsgesellschaft Anwendung.

Eine Ausnahme gilt nur für solche Verfahrensfehler, die sich nachweislich nicht auf die Abstimmung ausgewirkt haben.