OLG Stuttgart 14 U 7/20
Der Parteiwille als Indikator für die Abgrenzung der Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) von der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB)

17.09.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Stuttgart
16.07.2020
14 U 7/20
EWiR 2021, 429 - 431

Leitsatz | OLG Stuttgart 14 U 7/20

  1. Die Gesellschaft gemäß §§ 705 ff. BGB unterscheidet sich von der Gemeinschaft gemäß §§ 741 ff. BGB durch die vertraglich vereinbarte Verpflichtung, über die gemeinschaftliche Berechtigung an den gemeinsamen Gegenständen hinaus einen gemeinsamen Zweck zu fördern. Die Gemeinschaft ist dagegen „Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft“.
  2. Maßgebend dafür, ob im konkreten Fall eine Gesellschaft oder eine Bruchteilsgemeinschaft begründet wurde, ist der Parteiwille.

Sachverhalt | OLG Stuttgart 14 U 7/20

Die Parteien streiten um die Rechtsverhältnisse an einer Heizanlage, welche in den 70er Jahren auf Grundlage einer Vorgabe im Bebauungsplan der Gemeinde Z ursprünglich auf dem Grundstück der Beklagten errichtet wurde. Die drei Wohnungseigentümergemeinschaften bestehend aus der Beklagten, der Klägerin und der nicht am Rechtsstreit beteiligten WEG AB, sowie ein Kindergarten werden zunächst über diese Anlage versorgt. In der Folgezeit schloss die Gemeinde einen notariellen Vertrag mit den Bauträgern zur näheren Regelung der Errichtung und des Betriebs der Heizungsanlage. Die dort verankerten Rechte und Pflichten sind teilweise mit Grunddienstbarkeiten besichert. Nachdem die WEG AB im September 2012 und die Klägerin im September 2014 von der Anlage abgekoppelt wurden, wird die Heizanlage schließlich im Jahr 2018 entfernt und durch ein Nachfolgemodell ersetzt. Das Nachfolgemodell versorgt lediglich die Beklagte und den Kindergarten.

Die Klägerin erhebt nunmehr Anspruch auf die anteilige Instandhaltungsrücklage (11.939, 92 Euro) und den anteiligen Wert des Heizölbestandes (5.712,30 Euro) sowie ein Abrechnungsguthaben (553,09 Euro) jeweils zum 31.12.2014 (Summe: 18.205,31 Euro).

Das Landgericht Stuttgart weist die Klage ab.

Entscheidung | OLG Stuttgart 14 U 7/20

Gegen das klageabweisende Urteil legt die Klägerin Berufung bei dem OLG Stuttgart ein. Dieses stellt fest, der Klägerin fehle es schon an der Parteifähigkeit, weshalb die Berufung als unzulässig zurückgewiesen wird.

Parteifähig ist gemäß § 50 ZPO, wer rechtsfähig ist. Das Gericht folgt in seinem Urteil dem der Vorinstanz, in welchem sich das LG Stuttgart umfassend mit einer Einordnung der Wohnungseigentümergemeinschaften als Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 741 ff. BGB oder als Gesellschaft gemäß §§ 705 ff. BGB befasst. Die Einordnung ist für die Zulässigkeit der Klage insofern ausschlaggebend, als dass eine Bruchteilsgemeinschaft kein Träger von Rechten und Pflichten sein kann, eine Gesellschaft hingegen schon. Während sowohl für die Bruchteilsgemeinschaft als auch für die Gesellschaft die Innehabung gemeinschaftlicher Rechte kennzeichnend ist, sind Gesellschafter darüber hinaus durch eine vertragliche Vereinbarung dazu verpflichtet, einen gemeinsamen Zweck zu fördern.

Das Gericht stellt zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein solcher übergeordneter Zweck vorliegt, auf den Parteiwillen ab und befasst sich dafür mit der Auslegung des notariellen Vertrags vom 29.10.1971 über die Heizzentrale. Nicht überzeugend ersieht es den dargelegten laufenden Geschäftsbetrieb als gemeinsames Ziel an, da es sich dabei lediglich um das gemeinsame Innehaben der Heizzentrale handele. Vielmehr spräche die Ausgestaltung des Vertrages für die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft. Der Vertrag spricht ausdrücklich von der „Gemeinschaft“ und nicht der Gesellschaft. Das Gericht geht aufgrund der notariellen Beurkundung des Vertrages und dem besonderen Kenntnisstand eines Notares auch davon aus, dass die Wortwahl bewusst erfolgt sei und nicht zufällig. Darüber hinaus spricht die Anwendung bestimmter Regelungen des WEG Rechts eher für eine Gemeinschaft. Hinzu kommt, dass die Parteien des ursprünglichen Vertrages eine Übertragbarkeit der Rechte und Pflichten erzielen wollte, welches bei einer Gesellschaft ohne die Zustimmung der anderen Gesellschafter nicht möglich wäre. Zuletzt spräche die Vereinbarung der Unauflöslichkeit der Gemeinschaft gegen die Gesellschaft, da § 723 Abs. 3 BGB ein Kündigungsverbot bei Gesellschaften festschreibt.

Das Gericht stellt mithin fest, dass es sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft um eine Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB handelt. Mangels Rechtsfähigkeit fehlt es der Klägerin folglich an Parteifähigkeit gemäß § 50 ZPO. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen.

Praxishinweis | OLG Stuttgart 14 U 7/20

Die Abgrenzung der Bruchteilsgemeinschaft von der Gesellschaft ist eine häufig auftretende Problematik, die für die Parteien im Prozess ausschlaggebende Folgen haben könnte. Es bietet sich daher an, dem Vertrag eine eindeutige Klausel beizufügen, die festlegt, welche Ausgestaltung die Vertragsparteien wünschen. Dem Gericht wird damit der Raum zur Auslegung genommen und ein ungewolltes Ergebnis vermieden.