BFH II R 37/18
Dem Verkäufer vorbehaltene Nutzungen als grunderwerbssteuerrechtliche Gegenleistung

23.12.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
05.12.2019
II R 37/18
DStR 2020, 654

Leitsatz | BFH II R 37/18

Verpflichtet sich der Käufer beim Kauf eines Grundstücks, dieses dem Verkäufer ohne angemessenes Entgelt zur Nutzung zu überlassen, liegt darin eine Gegenleistung für das Grundstück.

Sachverhalt | BFH II R 37/18

Die Klägerin und Revisionsbeklagte erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 09.05.2012 ein parkähnliches, mit acht Gebäuden bebautes, als Kulturdenkmal erfasstes Grundstück vom Verkäufer. § 2 der Urkunde sah vor, dass der Verkäufer die bisherige Nutzung der Gebäude 2 und 5 für zunächst 30 Jahre unentgeltlich fortsetzen dürfe. § 4 der Urkunde legte den schlechten Gesamtzustand des Grundstücks dar und die Vereinbarung, dass deswegen kein Kaufpreis zu entrichten sei. Der Verkäufer wurde verpflichtet zur Ablöse von „Lasten“ 100.000,00 Euro an den Käufer einmalig zu zahlen.

Die Beklagte und Revisionsklägerin (das Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 13.11.2013 die Grunderwerbsteuer mit gesondert festgestelltem Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage (§ 138 BewG) fest. Im Einspruchs- und im Klageverfahren erfolgten Änderungen der Höhe der Bemessungsgrundlage. Das Finanzgericht hob den Steuerbescheid auf Antrag der Klägerin, die Grunderwerbsteuer sei auf 0,00 Euro zu beziffern, auf (FG Sachsen Urteil v. 22.6.2017 – 6 K 1514/15; EFG 2019, 1327), da im negativen Kaufpreis das 30jährige Nutzungsrecht der Gebäude 2 und 5 bereits eingepriesen gewesen sei.

Die Revision der Beklagten richtet sich gegen eine Verletzung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Bemessungsgrundlage für die zu erhebende Steuer sei die Gegenleistung, die sich im konkreten Fall aus dem für das Nutzungsrecht zu ermittelnden Kapitalwerts abzüglich der zu leistenden Zu-zahlung des Verkäufers in Höhe von 100.000,00 Euro bestimme.

Entscheidung | BFH II R 37/18

Auf die Revision wird das Urteil des FG Sachsen aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das FG hat durch die fehlende Einbeziehung der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzung in die Bemessungsgrundlage gegen § 8 Abs. 1 iVm § Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verstoßen.

Grundsätzlich bestimmt sich die Grunderwerbsteuer nach der Gegenleistung. Diese wird in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG legaldefiniert und beinhaltet die vorbehaltenen Nutzungen. Zu den vorbehaltenen Nutzungen zählen auch die Überlassung von Gebrauchsrechten, in denen ein geldwerter Vorteil zu sehen ist.

Ausnahmsweise sind vorbehaltene Nutzungen nicht als Gegenleistung für den Erwerb anzusehen, wenn die Nutzungen angemessen vergütet worden sind. Nach Auslegung des Vertrages erfolgt die Übertragung des Grundstücks unentgeltlich. Stattdessen ist der Verkäufer verpflichtet an den Käufer 100.000,00 Euro zu leisten. Daneben hat die Klägerin dem Verkäufer das Recht eingeräumt den Gebrauch der Gebäude 2 und 5 für den Zeitraum von 30 Jahren unentgeltlich fortzuführen. Die Auslegung des Wortlautes des Vertrages bestätigt nicht die Auffassung der Klägerin, dass das Nutzungsrecht in den Leistungsaustausch bereits eingepriesen sei, an dessen Berechnungsende der negative Kaufpreis von 100.000,00 Euro festgesetzt worden ist. Viel mehr stellt der Wert der Nutzungen eine zusätzliche Gegenleistung zum negativ festgelegten Kaufpreis dar und ist somit grundsteuerrechtlich relevante Gegenleistung.

Bemessungsgrundlage ist deswegen gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Wert der Nutzung abzüglich der Zuzahlung von 100.000,00 Euro.

Praxishinweis | BFH II R 37/18

Die Entscheidung des BFH zeigt exemplarisch auf, dass die Formulierungen des Kaufvertrages auch hinsichtlich der steuerlichen Betrachtung von großer Bedeutung sind. Die Beratungen durch einen versierten Steuerberater in enger Zusammenarbeit mit dem beurkundenden Notar ist unerlässlich, um eine optimale Gestaltung auch hinsichtlich der steuerlichen Aspekte zu erreichen. Es ist anzuraten mit einem im Steuerrecht erfahrenen und spezialisierten Notar Vorhaben größeren Umfangs zu verwirklichen.