BGH II ZB 6/21
Zulässigkeit von Partnerschaftsgesellschaft zwischen Tierarzt und Betriebswirt

19.05.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
15.02.2022
II ZB 6/21
NJW 2022, 2280

Leitsatz | BGH II ZB 6/21

Eine Partnerschaft zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt ist nach dem Heilberufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg zulässig.

Sachverhalt | BGH II ZB 6/21

Eine approbierte Tierärztin und ein Diplom-Betriebswirt (Diplom-Ökonom und LL. M. (corp.-restruc.)) gründeten eine Partnerschaftsgesellschaft, und meldeten diese beim Registergericht zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an. Gegenstand der Partnerschaft sollte „die gemeinschaftliche Berufsausübung als Tierarzt und beratender Betriebswirt im Rahmen des berufsrechtlich zulässigen Umfangs insbesondere Einrichtung, Ausstattung und Betrieb von tiermedizinischen Zentren, Praxen und dazugehörigen Hausapotheken sowie die Erbringung von Dienstleistungen für solche“ sein.

Das Registergericht nahm die Eintragung vor, wogegen die Landestierärztekammer Baden-Württemberg vorging. Nach § 21 a Abs. 1 S. 2 Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg (nachfolgend: BO) sei eine Partnerschaftsgesellschaft nur unter Tierärzten möglich.

Hierauf teilte das Registergericht mit, dass nach § 395 FamFG die Eintragung der Partnerschaft im Partnerschaftsregister wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig und daher von Amts wegen zu löschen sei. Gegen die Löschungsankündigung haben die Beteiligten Widerspruch eingelegt. Das AG Mannheim und das OLG Karlsruhe wiesen die Beschwerde zurück.

Entscheidung | BGH II ZB 6/21

Vor dem BGH hatte die Rechtsbeschwerde gegen die angekündigte Löschung Erfolg. Die Voraussetzungen für die gemeinschaftliche Berufsausübung der Tierärztin und des Diplom-Betriebswirts in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz liegen vor.

Da es sich bei der Berufsordnung der Tierärzte nicht um ein förmliches Landesgesetz handele, habe der BGH insoweit auch keine Entscheidung des BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
§ 21a Abs. 1 S. 2 BO verstoße gegen den Vorrang des Gesetzes, weil gem. § 30 a Abs. 1 S. 2 Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg (nachfolgend: HBKG BW) eine Praxis gemeinsam mit Personen geführt werden könne, die einen in § 1 Abs. 2 PartGG in der jeweils geltenden Fassung genannten staatlichen Ausbildungsberuf im Gesundheitswesen, einen naturwissenschaftlichen oder einen sozialpädagogischen Beruf angehörten. § 21a Abs. 1 S. 2 BO verbiete dagegen generell eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Tierärzten in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz.

Die nach § 30 a Abs. 1 S. 2 HBKG-BW ausdrücklich erlaubten interprofessionellen Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern könne durch das Satzungsrecht der Kammern nicht eingeengt werden. Auch § 31 Abs. 3 Nr. 11 HBKG BW idF vom 17.12.2015, wonach die Berufsordnung weitere Vorschriften über Berufspflichten, insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Berufsangehörigen und Angehörigen anderer Berufe, enthalten könne, lasse sich nicht entnehmen, dass der Landesgesetzgeber eine § 30 a Abs. 1 S. 2 HBKG-BW einschränkende Regelung durch den Verordnungsgeber gestatten wollte. Soweit der Landesgesetzgeber in § 30 a Abs. 1 S. 2 HBKG-BW die interprofessionelle Zusammenarbeit von Kammermitgliedern mit anderen dort genannten Berufen in Praxen ausdrücklich gestatte, fehle § 21a Abs. 1 S. 2 BO als untergesetzlicher Norm des Berufsrechts die Kraft für eine dahinter zurückbleibende Regelung.

Der BGH führt weiter aus, dass die in Art. 12 Abs. 1 GG normierte Berufsfreiheit insbesondere auch die Freiheit umfasse, den Beruf gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufe auszuüben. Im zu entscheidenden Fall lägen keine Gemeinwohlbelange vor, die den Ausschluss einer interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen einer Tierärztin und einem Betriebswirt rechtfertigen könnten. Zu nennen sei hier insbesondere die Verschwiegenheitspflicht, die der Zusammenarbeit zwischen Tierärzten und Diplom-Betriebswirten nicht entgegenstünden. § 30 a Abs. 1 S. 2 HBKG-BW sähe vor, dass Mitglieder der Landestierärztekammer eine Praxis mit Personen führen könnten, die einen in § 1 Abs. 2 PartGG genannten Beruf ausübten. Eine Zusammenarbeit in einer Praxis in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft sei demnach auch mit Personen gestattet, die keiner beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen bzw. bei denen ein Verstoß gegen eine berufliche Verschwiegenheitspflicht nicht strafbewehrt sei. Die den Tierärzten auferlegte Verschwiegenheitspflicht werde durch eine Zusammenarbeit mit einem Diplom Betriebswirt nicht stärker gefährdet als bei einer Zusammenarbeit mit den durch § 30 a Abs. 1 S. 2 HBKG-BW für eine interprofessionelle Zusammenarbeit ausdrücklich zugelassenen Berufen.

Praxishinweis | BGH II ZB 6/21

Für die Praxis ist diese Entscheidung sehr interessant, da der BGH hiermit vermutlich den weiteren Weg für berufsübergreifende Partnerschaften zwischen Angehörigen der Heilberufe (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Psychotherapeuten) und anderen Berufsgruppen geöffnet hat, so schon geschehen in seiner Entscheidung zu einer Partnerschaft wischen Apothekern und Rechtsanwälten (BGH ZIP 2016, 1115; dazu auch BVerfG v. 12.01.2016 – 1 BvL 6/13, NJW 2016, 700).

Mit der vorliegenden Entscheidung wird die Liberalisierung interprofessioneller Zusammenarbeit weitergeführt. Dass hier einiges in Bewegung ist, zeigt sich auch in der am 1. August 2022 in Kraft getretene BRAO-Reform, durch die die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten in Berufsausübungsgesellschaften mit Personen, die einen freien Beruf nach § 1 Abs. 2 PartGG ausüben, in § 59c Abs. 1 Nr. 4, § 59d BRAO neu geregelt wurde. In der Praxis ergeben sich hier aber viele offene Fragen.