KG Berlin 21 U 126/19
Beurkundungspflicht eines Baubetreuungsvertrags wegen Verknüpfungswillen der Parteien mit dem Grundstückskaufvertrag

20.04.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG Berlin
09.02.2021
21 U 126/19
NotBZ 2021, 306

Leitsatz | KG Berlin 21 U 126/19

  1. Ein Kaufvertrag über Miteigentum an einem Grundstück bildet eine rechtliche Einheit mit einem Begleitvertrag über Bau- oder Baubetreuungsleistungen, wenn diese Leistungen durch einen mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmer auf dem Grundstück erbracht werden sollen. Daher sind beide Verträge gemäß § 311b Abs. 1 S. 1 BGB notariell zu beurkunden. (Rn. 61) (Rn. 72)
  2. Ist der Kaufvertrag notariell beurkundet, der Begleitvertrag hingegen nicht, sind im Zweifel beide Verträge nichtig. (Rn.61)
  3. Auch wenn der Verkäufer bzw. der mit ihm verbundene Unternehmer dieses Vertragsmodell konzipiert hat, kann sich der Verkäufer grundsätzlich auf die Nichtigkeit berufen, wenn der Notar den Kaufvertrag ohne konkreten Hinweis auf das Risiko beurkundet hat. (Rn.93)
  4. Den Rückgewähranspruch des Verkäufers hat der Käufer nur Zug um Zug gegen Rückgewähr derjenigen Leistungen zu erfüllen, die er sowohl auf den Kaufvertrag als auch auf den Begleitvertrag erbracht hat. (Rn.117) (Rn.125) (Rn.130)

Sachverhalt | KG Berlin 21 U 126/19

Der Kläger ist Eigentümer mehrerer nebeneinander liegender Grundstücke, unter anderem auch der Grundstücke 1 und 2. Zusammen mit seinem Vater plante er diese Grundstücke mit Mehrfamilienhäusern zu bebauen, Miteigentum an den Grundstücken zu verkaufen und letzten Endes Wohneigentum an den einzelnen Wohnungen zu bilden, wozu sie sich auch der T GmbH bedienten.

Die Beklagte wollte im Jahr 2014 eine solche Wohnung zunächst auf dem Grundstück 1 erwerben. Am 05.05.2014 schloss die Beklagte dazu mit der T GmbH einen sogenannten Baubetreuungsvertrag, in welchem sich die T GmbH zur Planung und Bauüberwachung bezogen auf die Errichtung einer Wohnung auf dem Grundstück 1 zu einem Gesamtpreis von 240.000 Euro verpflichtete.

Am 12.05.2014 schlossen die Beklagte und der Kläger, welcher von seinem Vater vertreten wurde, durch vom Notar H beurkundet einen Kaufvertrag (Kaufvertrag 1) über einen Miteigentumsanteil von 20/100 an dem Grundstück 1 zum Kaufpreis von 10.000 Euro.

Am 14.07.2014 schlossen die Parteien zwei weitere, vom Notar H beurkundete Verträge. Mit einem Vertrag hoben sie den Kaufvertrag 1 wieder auf. Mit einem zweiten Vertrag (Kaufvertrag 2) verkaufte der Kläger der Beklagten einen Miteigentumsanteil von 20/100 an dem Grundstück 2 zum Kaufpreis von 20.000 Euro. Darin legen die Parteien fest, dass der Kaufpreis bis zum 31.08.2014 auf dem Konto des Notars H eingehen soll. Der Kläger bewilligt die Eintragung einer Vormerkung und erteilte ihr eine Belastungsvollmacht. Außerdem einigten sich die Vertragsparteien über den Übergang des Miteigentums an die Beklagte. Der Kaufpreis ging auf dem Konto des Notars ein, wurde von diesem jedoch unter Hinweis auf angebliche Gebührenansprüche bis heute nicht an den Kläger ausgeschüttet.

Die Erwerbsvormerkung wurde eingetragen, die Beklagte zahlte insgesamt 176.000 Euro auf den Baubetreuungsvertrag für vorgenommene Bauarbeiten. Das Miteigentum der Beklagten wurde nicht eingetragen. Nach Streitigkeiten über die wechselseitigen Verpflichtungen erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag 2 wegen Zahlungsrückstands und erteilte der Beklagten ein Betretungsverbot. Durch einstweilige Verfügung erwirkte er ein Erwerbsverbot, aufgrund dessen der Umschreibungsantrag der Beklagten zurückgewiesen wurde.

Der Kläger beantragt mit seiner Klage die Löschung der Vormerkung auf Erwerb eines Miteigentumsanteils am Grundstück 2. Die Beklagte erhebt Widerklage. Die Klage des Klägers wird abgewiesen. Dagegen wendet er sich mit seiner Berufung.

Entscheidung | KG Berlin 21 U 126/19

Die Berufung ist zulässig und begründet, soweit der Kläger die Beklagte auf Löschung ihrer Vormerkung auf Erwerb eines Miteigentumsanteils von 20/100 am Grundstück 2 in Anspruch nimmt, im Übrigen hat sie keinen Erfolg. Der Anspruch besteht nicht einredefrei sondern nur Zug um Zug gegen Zahlung von 196.000 Euro.

Der Anspruch auf Löschung der Vormerkung Zug um Zug gegen Zahlung von 196.000 Euro bestehe gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB. Die Beklagte habe die Erwerbsvormerkung durch die Bewilligung des Klägers, mithin durch seine Leistung erlangt. Dies geschah auch ohne rechtlichen Grund. Insbesondere sei der Kaufvertrag 2 nichtig, da er nicht die gesetzlich vorgeschriebene Form nach § 125 S. 1 BGB einhält. Der Grund für die Formnichtigkeit sei die mangelnde Beurkundung des Baubetreuungsvertrags, was zur Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB führe.

Die Beurkundungspflicht gemäß § 311b Abs. 1 S. 1 BGB bezieht sich auf sämtliche Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien ihr Vertrag zusammensetzt. Der Vertrag müsste nach dem Willen der Parteien demnach derart miteinander verknüpft sein, dass das Grundstücksgeschäft von dem Bauvertrag abhängt und mit diesem „stehen und fallen“ soll. Das KG sieht den Kaufvertrag 2 und den Baubetreuungsvertrag als rechtliche Einheit an. Der Vertrag betraf zwar ursprünglich Baubetreuungsleistungen auf dem Grundstück 1, sollte jedoch unstreitig auch Grundlage solcher Leistungen auf dem Grundstück 2 darstellen. Die Tatsache, dass die Beklagte lediglich Miteigentum an dem Grundstück erwerben sollte, begründet, dass nicht nur der Baubetreuungsvertrag vom Kaufvertrag 2 sondern sogar der Kaufvertrag 2 vom Baubetreuungsvertrag abhängt. Zusammenfassend reicht somit der privatschriftlich geschlossene Baubetreuungsvertrag der Beklagten ursprünglich mit der T GmbH nicht aus. Zu einer Heilung durch Eintragung des Eigentums gemäß § 311b Abs. 1 S. 2 BGB kam es nicht.

Damit habe der Kläger einen Anspruch auf Rückgewährung der Vormerkung in Form der Bewilligung der Löschung durch die Beklagte.

Der Anspruch sei auch nicht wegen der Kenntnis des Klägers vom Nichtbestehen seiner Schuld gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht des 25. Zivilsenats könne aus den Belehrungen des Notars H bei der Beurkundung des Kaufvertrags 2 keine positive Kenntnis des Klägers von der Nichtigkeit des Kaufvertrages abgeleitet werden. Dieser wies auf eine Beurkundungspflicht bei einer „Verknüpfungsabsicht“ der beiden Verträge hin, was nicht ausreichend klarstellen würde, dass bei Nichtigkeit des Baubetreuungsvertrags auch der Kaufvertrag nichtig sein könnte, selbst wenn dieser für sich genommen beurkundet wurde.

Der Anspruch sei nur Zug um Zug gegen Zahlung von 196.000 Euro zu gewähren, weshalb die Berufung auf den Anspruch auch nicht nach § 242 BGB wegen eines schlechthin untragbaren Ergebnisses für die Beklagte ausgeschlossen ist.

Darüber hinaus lasse sich der Anspruch auf Löschung aus § 894 BGB herleiten, Zug um Zug gegen Zahlung von 196.000 Euro.

Praxishinweis | KG Berlin 21 U 126/19

Die Pflicht zur Beurkundung von Grundstücksverträgen aus § 311b Abs. 1 S. 1 BGB bezieht sich auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien der Vertrag zusammensetzt. Betont werden sollte, dass dabei der Wille der Parteien ausgelegt wird, weshalb es auf eine Reihenfolge der Vertragsschließungen nicht ankommt. Bei einem Grundstücksvertrag, welcher ohne einen baurechtlichen Begleitvertrag leerlaufen würde, ist im Regelfall eine rechtliche Einheit dieser beiden Vereinbarungen gewollt. Dies führt zu einer Beurkundungspflicht beider. Mangelt es, wie im vorliegenden Fall, an einer Beurkundung führt dies im Zweifel zur Nichtigkeit des Gesamtvertrages. Eine solche könnte allerdings geheilt werden, indem das Eigentum im Grundbuch eingetragen wird.