BFH II R 13/20
Bestimmung des herrschenden Unternehmens i.S. des § 6a GrEStG bei mehrstufigen Beteiligungen

12.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
28.09.2022
II R 13/20
ZIP 2022, 2541

Leitsatz | BFH II R 13/20

Welches Unternehmen "herrschendes Unternehmen" und welche Gesellschaft "abhängige Gesellschaft" i.S. des § 6a GrEStG ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

Sachverhalt | BFH II R 13/20

Die Klägerin war zu 100 % an der grundbesitzenden D-GmbH beteiligt. Am 15.08.2011 wurde die D-GmbH als übertragende Gesellschaft auf die Klägerin als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Beteiligten bereits mehr als 5 Jahre ununterbrochen bestanden. Die Gesellschaften waren Organgesellschaften mit der F-AG als Organträgerin. Davor war die G-Stiftung umsatzsteuerliche Organträgerin, bis sie 2008 25,01 % ihrer Beteiligung an der F-AG verkaufte.

Das Finanzamt setzte gegenüber der Klägerin Grunderwerbssteuer fest, ohne den Begünstigungstatbestand des § 6a GrEStG zu berücksichtigen. Begründet wurde dies damit, dass die F-AG aufgrund der vorherigen Organschaft mit der G-Stiftung nicht während der gesamten Vorbesitzzeit von fünf Jahren Unternehmerin im Sinne des UstG gewesen sei. Nach Einspruch erging ein Änderungsbescheid, in welchem die Anwendbarkeit des § 6a GrEStG angenommen wurde. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Begünstigung entfallen würde, wenn die Mindestbeteiligung von 95 % der F-AG an einer der beteiligten Gesellschaften innerhalb von fünf Jahren nach der Verschmelzung unterschritten werde.

Am 05.07.2013 veräußerte die F-AG 26,8 % ihrer Anteile an der E-GmbH, woraufhin die Steuerbegünstigung nicht mehr gewährt wurde. Die fünfjährige Nachbehaltensfrist sei nicht eingehalten worden, da die F-AG als herrschendes Unternehmen nicht länger mittelbar über die E-GmbH zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt sei.

Das FG gab der Klage statt. Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Zum Erwerbszeitpunkt könne es nur ein herrschendes Unternehmen geben. Dies sei das Unternehmen, das die Voraussetzungen des § 6a S. 3 GrEStG erfülle und in keinem Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. § 6a S. 4 GrEStG zu einem anderen Unternehmen stehe. Im Streitfall sei dies allein die F-AG.

Entscheidung | BFH II R 13/20

Die Revision des Beklagten wird als unbegründet zurückgewiesen. Die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG sind nicht durch die Anteilsveräußerung nachträglich weggefallen.

Der durch die Verschmelzung bewirkte Übergang des Grundstückeigentums unterliegt der Grunderwerbsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG. Allerdings sind die Voraussetzungen der Befreiung nach § 6a S. 1 Hs. 1 GrEStG erfüllt, wonach für einen steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung die Steuer nicht erhoben wird. Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist dabei nicht auf Unternehmen im Sinne des UStG beschränkt.

Grundsätzlich gelten Vor- und Nachbehaltensfrist von fünf Jahren für die beteiligten Unternehmen. Gesellschaften, die erlöschen oder neu entstehen könnten als nichtexistente Gesellschaften diese Voraussetzung aber bereits aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen. Somit wären Verschmelzungen, Aufspaltungen, Abspaltungen zur Neugründung… nie nach § 6a GrEStG begünstigt, wenn sie zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers führen würden. Aufgrund dieses Wiederspruchs hat der Senat entschieden, dass die Fristen nur eingehalten werden müssen, wenn dies in dem betreffenden Umwandlungsvorgang möglich ist. Bei einer Verschmelzung muss daher z.B. nur die Vorbehaltensfrist eingehalten werden.

Nach § 6a S. 3 GrEStG müssen ein herrschendes Unternehmen und eine von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaft i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG am Umwandlungsvorgang beteiligt sein. Welches Unternehmen herrschend ist, richtet sich dabei nach dem zu befreienden Umwandlungsvorgang. Zunächst ist auf das unmittelbar beteiligte Unternehmen abzustellen, unabhängig davon, ob es bei mehrstufigen Beteiligungen selbst von einem anderen Unternehmen abhängig ist. Auch ist unerheblich, ob bei abhängigen Gesellschaften weitere Gesellschaften vom herrschenden Unternehmen abhängen, solange diese selbst nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind.

Dafür spricht der Wortlaut, der an den in § 6a S. 1 GrEStG genannten Rechtsvorgang anknüpft und auf die dort beteiligten Gesellschaften Bezug nimmt. Ob noch weitere herrschende oder abhängige Gesellschaften vorhanden sind, ist irrelevant. Auch die Systematik der Norm spricht für eine solche Auslegung. In S. 1 wird zunächst der steuerbare Vorgang definiert, S. 3 regelt, dass ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sein müssen. S. 4 definiert sodann die abhängige Gesellschaft und damit mittelbar das herrschende Unternehmen. Diese Definition grenzt jedoch weder den durch S. 3 geregelten Anwendungsbereich des § 6a Satz 1 GrEStG ein, noch erweitert sie ihn. Schließlich ist der Zweck des § 6a GrEStG, Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen zu erleichtern, sodass Unternehmen flexibel auf Marktveränderungen reagieren können. Dies gilt auch für Umwandlungsvorgänge, die zur Beendigung oder Neubegründung von Teilen eines Konzerns führen. Ob die am Umwandlungsvorgang beteiligten Unternehmen Teile eines weiteren Konzernverbunds sind, ist für die Steuervergünstigung unerheblich. Zwar möchten § 6a S. 3, 4 GrEStG ungewollte Mitnahmeeffekte vermeiden. Allerdings muss in Verschmelzungsfällen stets die Vorbehaltensfrist gewahrt sein, das qualifizierte Beteiligungsverhältnis also fünf Jahre vor dem Umwandlungsvorgang Bestand gehabt haben. Kurzfristige Gestaltungen sind damit ausgeschlossen

Folglich hat das FG den Änderungsbescheid zu Recht aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung sind nicht nachträglich weggefallen. Wie von § 6a Satz 3 GrEStG vorausgesetzt waren an dem Umwandlungsvorgang die Klägerin als herrschendes Unternehmen und die D-GmbH als abhängige Gesellschaft beteiligt. § 6a S. 4 GrEStG schließt die Begünstigung nicht aus. Die Vorbehaltensfrist wurde eingehalten, die Nachbehaltensfrist konnte umwandlungsbedingt nicht erfüllt werden, da die D-GmbH aufgrund der Verschmelzung erloschen war. Die Veräußerung der Anteile an der E-GmbH führt zu keiner Nachversteuerung, da weder die F-AG noch die E-GmbH an dem steuerbefreiten Umwandlungsvorgang i.S.d. § 6a S. 3 GrEStG beteiligt waren.

Praxishinweis | BFH II R 13/20

In seiner Entscheidung setzt sich der Bundesfinanzhof intensiv mit der Frage auseinander, welches Unternehmen im Rahmen einer Steuerbefreiung gem. § 6a GrEStG als herrschend anzusehen ist. Er argumentiert hierfür mit Wortlaut, Systematik und Telos der Norm und kommt zu dem Schluss, dass auf das unmittelbar am Umwandlungsvorgang beteiligte Unternehmen abzustellen ist. Dabei ist unerheblich, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Des Weiteren nimmt er Bezug auf seine Rechtsprechung vom 22.08.2019 (II R 18/19) und betont, dass die Vor- und Nachbehaltensfristen nur eingehalten werden müssen, wenn dies in dem betreffenden Umwandlungsvorgang möglich ist.