KG 22 W 55/21
Bestellung von Organvertretern durch GmbH- Gesellschafterversammlung trotz Insolvenzeröffnung

27.04.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
29.11.2021
22 W 55/21
ZIP 2022, 30

Leitsatz | KG 22 W 55/21

  1. Die Entscheidung des Registergerichts, eine Anmeldung auf Eintragung der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers zurückzuweisen, kann nicht durch einen Gesellschafter der GmbH mit der Beschwerde angegriffen werden. Der Gesellschafter wird durch die Entscheidung nicht unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt.
  2. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens steht der Bestellung anderer Organvertreter durch die Gesellschafterversammlung nicht entgegen.
  3. Das Registergericht hat zu prüfen, ob der angemeldete Geschäftsführerwechsel ordnungsgemäß beschlossen worden ist. Dabei ist wegen der Gesellschafterstellung der Beschließenden die zuletzt in den Registerordner aufgenommene Gesellschafterliste maßgebend. Bei zwei Listen, die am selben Tag aufgenommen worden sind, ist die jüngere maßgebend.

Sachverhalt | KG 22 W 55/21

Die Beteiligte zu 1 ist eine GmbH, welche seit dem 04.12.2019 im Handelsregister eingetragen ist. Am 07.12.2020 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Eine Gesellschafterliste wurde am 06.12.2019 in den Registerordner aufgenommen. Danach sind Gesellschafterinnen die Beteiligte zu 3 (6.667 Geschäftsanteile) und die C. UG (haftungsbeschränkt und mit 18.333 Geschäftsanteilen). Eine andere Liste vom 02.11.2020, welche am 11.11.2020 aufgenommen wurde, weist die Beteiligte zu 3 als Alleingesellschafterin aus. Die Liste wurde vom Notar S unterschrieben und enthält zudem Hinweise auf eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Anteile. Eine weitere Liste vom 05.11.2020 weist wieder den Gesellschafterstand aus 2019 aus.
Der Beteiligte zu 2 erklärte am 30.12.2020 seine Bestellung zum Liquidator und die Abberufung des eingetragenen und einzigen Geschäftsführers H an. Diese Erklärung beruht auf einem Gesellschafterbeschluss vom 29.12.2020, welcher die Beteiligte zu 3 als einzige Teilnehmerin ausweist. Die Anmeldung vom 30.12.2020 wurde vom AG mit Beschluss vom 22.04.2021 zurückgewiesen, da es an der Zustimmung der weiteren Gesellschafterin mangele. Diese sei laut der Gesellschafterliste vom 05.11.2020 nämlich weiterhin als Gesellschafterin anzusehen. Gegen diesen Beschluss erheben die Beteiligten zu 2 und 3 Beschwerde mit der Begründung, die Abberufung sei wirksam beschlossen worden und die Liste vom 05.11.2020 entfalte keine Legitimationswirkungen. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung | KG 22 W 55/21

Die Beschwerde, erhoben durch die Beteiligte zu 3, sei insoweit gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG als unzulässig zurückzuweisen, da diese nicht beschwerdebefugt ist. Es fehle sowohl an der Erfüllung der Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG als auch an der unmittelbaren Beeinträchtigung der Beteiligten zu 3. Vielmehr sei sie als Gesellschafterin allenfalls mittelbar beeinträchtigt, wenn ihr Beschluss vom Registergericht nicht umgesetzt wird. Eine Anmeldung erfolge allerdings im Namen der Gesellschaft bzw. im Namen der Anmeldepflichtigen. Diese seien bei der GmbH die Geschäftsführer bzw. Liquidatoren.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 sei hingegen sowohl statthaft als auch im Übrigen zulässig. Er sei durch die Abberufung des bisherigen Geschäftsführers zum Vertretungsorgan der Gesellschaft berufen worden, weshalb er auch beschwerdebefugt sei. Allerdings habe das AG die Beschwerde zu Recht zurückgewiesen, da sie unbegründet ist.

Zunächst führe ein Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft zu einer Abwicklung nach den Regeln der InsO und nicht nach § 66 Abs. 1 GmbHG. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die Organstruktur nicht fortbestehen und keine neuen Vertretungsorgane bestellt werden können. Vielmehr sei der Erhalt der Organstruktur für die weitere Handlungsfähigkeit der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin notwendig. Dies sei schon deshalb notwendig, da dem Insolvenzverwalter für gesellschaftsinterne Angelegenheiten keine Zuständigkeit zukommt.

Das AG habe die Anmeldung trotzdem zu Recht abgewiesen, da der Beschluss über die Abberufung des bisherigen Vertreters und die Bestellung des Beteiligten zu 2 nicht wirksam sei. Dem Registergericht obliege die Pflicht zu prüfen, ob die angemeldete Tatsache tatsächlich eingetreten ist. Der Beschluss vom 29.12.2020 wurde allein von der Beteiligten zu 3 gefasst, obwohl die Gesellschafterliste vom 05.11.2020 die C.UG als weitere Gesellschafterin ausweist. Darüber hinaus habe es keine Einladung durch den Geschäftsführer gegeben. Mangels Genehmigung durch die C.UG sei der Beschluss daher gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog nichtig. Da die zuletzt in den Registerordner aufgenommene Liste maßgeblich sei, ist die Beteiligte zu 3 nicht als Alleingesellschafterin anzusehen (vgl. § 40 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Die Liste vom 05.11.2020 sei auch nicht gemäß § 242 BGB unbeachtlich. Daher beruht die Anmeldung nicht auf einem wirksamen Gesellschafterbeschluss.

Praxishinweis | KG 22 W 55/21

Das Gericht hebt hervor, dass an dem Bestehen und Fortbestehen der Organstruktur innerhalb der Gesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts ändert. Vielmehr obliegen der Gesellschaft auch weiterhin gewisse gesellschaftsinterne Zuständigkeiten, auf die der Insolvenzverwalter keinen Einfluss hat. Sollten die Strukturen jedoch geändert werden, so gilt die zeitlich zuletzt eingereichte Gesellschafterliste, was auch Einfluss auf die Wirksamkeit zu fassender Gesellschafterbeschlüsse hat.