LG Köln 91 O 12/20
Beschlussfassung in der digitalen Hauptversammlung – Regelung des Nachweisstichtags

22.10.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Köln
04.03.2021
91 O 12/20
NZG 2021, 872

Leitsatz | LG Köln 91 O 12/20

  1. § 1 III 2 GesRuaCOVBekG ist auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften nicht analog anwendbar.
  2. Die fehlerhafte Angabe des Nachweisstichtages ist hinreichend relevant, um eine Anfechtung der streitgegenständlichen Beschlüsse zu begründen. Nicht entscheidend hierfür ist, inwieweit der Verstoß kausal für die auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse war.

Sachverhalt | LG Köln 91 O 12/20

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten, welche eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Bonn ist. Hauptversammlungen der Beklagten sind nach § 18 Nr.3 der Satzung 36 Tage vor dem Tage der Versammlung einzuberufen. In der Satzung der Beklagten heißt es bezüglich der Teilnahmebedingungen in § 19 auszugsweise weiterhin:

„1. Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nur diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich unter Vorlage eines Nachweises ihres Anteilsbesitzes bei der Gesellschaft unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse anmelden. (…)

2. Der Nachweis des Aktienbesitzes ist durch Bestätigung eines zur Verwahrung von Wertpapieren zugelassenen Instituts zu erbringen. Er muss sich auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung beziehen (…).“

Im Zuge der Corona-Pandemie im Jahr 2020 entschied sich der Vorstand der Beklagten zusammen mit dem Aufsichtsrat dafür, aus Gründen des Gesundheitsschutzes eine virtuelle Hauptversammlung durchzuführen. Hintergrund war die Gewährleistung der Teilnahme möglichst vieler Aktionäre und der Ausschluss jeglichen Gesundheitsrisikos der Teilnehmer. Die Einberufung im elektronischen Bundesanzeiger vom 31.07.2020 lud die Aktionäre zur Hauptversammlung am 25.08.2020 ein. Als Anmeldebedingungen wurde in der Einberufung u.a. angegeben, dass sich der Nachweis des Aktienbesitzes auf den Beginn des 13.08.2020 (0.00 Uhr) beziehen muss. In der virtuellen Hauptversammlung selbst wurden mehrere Beschlüsse gefasst, welche auch bei Einhaltung der satzungsmäßig vorgegebenen Fristen nicht anders beschlossen worden wären.

Die Kläger haben daraufhin Anfechtungsklage nach § 246 AktG erhoben mit dem Antrag, die Beschlüsse für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass die Beschlüsse nichtig sind, hilfsweise festzustellen, dass die Beschlüsse unwirksam sind. Sie sind der Ansicht, die Einberufung zur Hauptversammlung sei fehlerhaft, da der Nachweisstichtag fehlerhaft angegeben sei. § 1 III 2 GesRuaCOVBekG sei gerade nicht anwendbar.

Entscheidung | LG Köln 91 O 12/20

Die Klage hatte Erfolg.

Das LG Köln stellte zunächst klar, dass es nicht auf die Verfassungsmäßigkeit des GesRuaCOVBekG ankommt, da die Beklagte jedenfalls in erheblichem Maße gegen ihre Satzung verstoßen hat.

Die Begründetheit der Klage folgt mithin aus § 243 I Var.2 AktG und beruht auf der Verletzung der Satzung durch die Beklagte, insbesondere der unrichtigen Angabe des Nachweisstichtages. Laut ihrer Satzung hat sich der Nachweis auf den 21. Tag vor der Versammlung zu beziehen. Die Regelung in § 1 III 2 GesRuaCOVBekG, die eine Verschiebung des Nachweisstichtages auf den 12. Tag vor der Versammlung vorsieht, findet hingegen gerade keine Anwendung. § 1 III 2 GesRuaCOVBekG adressiert nur börsennotierte Aktiengesellschaften und kann auch nicht analog auf die Beklagte angewandt werden. Hierzu fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke, denn auch § 123 IV 2 AktG bezieht sich allein auf börsennotierte Aktiengesellschaften. Das LG Köln stellt in diesem Zusammenhang fest, dass sowohl vor als auch nach der Einführung des § 1 III 2 GesRuaCOVBekG bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften allein die Satzung maßgeblich ist. Die Satzung der Beklagten regelt die Fristen für den Nachweisstichtag ausdrücklich, sodass auch kein Raum für eine ergänzende Auslegung der Satzung besteht. Könnte der Vorstand hingegen den Nachweisstichtag ändern, bestünde insbesondere die Gefahr, dass für niemanden mehr ersichtlich sei, welcher Nachweisstichtag nun maßgeblich sei.

Weiterhin stellt das LG Köln ausdrücklich fest, dass es nicht darauf ankommt ob der Satzungsverstoß auch kausal für die Beschlussfassung war. Vielmehr ist im Rahmen des Anfechtungsgrundes und der Rechtsfolge der Anfechtbarkeit nach § 243 I AktG auf die Relevanz des Verstoßes abzustellen. Diese ergibt sich aus den mit dem Nachweisstichtag verbundenen Rechten der Aktionäre. Denn der Nachweisstichtag bestimmt, wer an der Hauptversammlung teilnehmen und abstimmen darf.

Praxishinweis | LG Köln 91 O 12/20

Mit dieser Entscheidung wird nicht zuletzt die Bedeutung des Nachweisstichtages und der dazugehörigen Satzungsregelungen hervorgehoben. Werden Hauptversammlungen im Zuge der Corona-Pandemie weiterhin als virtuelle Hauptversammlung abgehalten, so sollten insbesondere nicht börsennotierte Aktiengesellschaften nicht vorschnell auf die Regelung in § 1 III 2 GesRuaCOVBekG zurückgreifen, sondern die in der Satzung geregelten Fristen zwingend einhalten – anderenfalls droht die Anfechtung der gefassten Beschlüsse. Für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften gilt jedoch völlig unabhängig von den aktuellen Umständen, dass allein die Satzungsregelungen maßgeblich sind. Diesen ist insofern also Beachtung zu schenken.