LG Berlin 67 S 274/19
Berliner Mietendeckel verfassungswidrig?

09.05.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Berlin
12.03.2020
67 S 274/19
juris

Leitsatz | LG Berlin 67 S 274/19

Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 § 3 MietenWOG Bln i.d.F. v. 11.02.2020 mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 GG unvereinbar und deshalb nichtig ist.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | LG Berlin 67 S 274/19

Eine Vermieterin begehrt die Zustimmung zur Erhöhung der Miete bis hin zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Die beklagte Mietpartei wendete u.a. ein, dass die Mieterhöhung unzulässig sei, da sie gegen Art. 1 § 3 MietenWoG Bln verstoße.

Das Amtsgericht gab der Klage der Vermieterin statt.

Entscheidung | LG Berlin 67 S 274/19

Das Berufungsgericht ist hingegen der Auffassung, dass, wenn die Berliner Regelung zum Mietendeckel verfassungsgemäß sei, der Mieter sich gegen die Erhöhung wenden könne, da das Erhöhungsverlangen auf eine Miete gerichtet sei, die mit Art. 1 § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln nicht in Einklang stünde. Die verlangte Miete gehe über die sog. Stichtagsmiete hinaus und eine derartige Erhöhung sei unzulässig. Das Landgericht ist allerdings der Auffassung, dass die entsprechende Regelung, die das Land Berlin erlassen hat, mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 557 Abs. 1, 558 Abs. 1, 2 BGB unvereinbar und somit verfassungswidrig ist. Dem Land Berlin fehle die Gesetzgebungskompetenz. Es handele sich um einen Fall der konkurrierenden Gesetzgebung. Hier habe das Land Berlin nur eine Regelungsbefugnis, wenn von dieser seitens des Bundes kein Gebrauch gemacht worden sei. Im vorliegenden Fall seien aber vom Bund umfassende Regelungen getroffen worden und so trete die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG ein.

Die Kammer setzt sich sehr ausführlich mit den Argumenten, die das Land Berlin zugunsten seiner Kompetenz vorgebracht hat, auseinander, verwirft diese aber sämtlich.

Praxishinweis | LG Berlin 67 S 274/19

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin, die die Rechtsfrage nunmehr dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat, ist für die Praxis von enormer Bedeutung, da der Mietendeckel in Berlin die Mieten weit unter der ortsüblichen Miete einfriert, die Kalkulation vieler Wohnungseigentümer / Hauseigentümer zerstört und nach Ansicht vieler Experten dazu führt, dass der Mietwohnungsbau in derartigen Gebieten zum erliegen kommt. Nunmehr haben auch die gesamte FDP-Fraktion im Bundestag und fast alle Mitglieder der CDU-Fraktion eine Normenkontrollklage gegen das Berliner Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Man hofft zunächst darauf, dass das Bundesverfassungsgericht zeitnah entscheidet. Eine große Zahl der mit der Problematik befassten Juristen geht davon aus, dass die Berliner Regelung allein aus formellen Gründen verfassungswidrig ist.