OLG München 31 Wx 466/19
Auswahl eines ungeeigneten Sachverständigen – Testierfähigkeit

12.05.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
14.01.2020
31 Wx 466/19
NJW-RR 2020, 199

Leitsatz | OLG München 31 Wx 466/19

  1. Die Beurteilung der Testierfähigkeit des Erblassers im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich Fachärzten für Psychiatrie vorbehalten (stRspr).
  2. Die Auswahl eines ungeeigneten Sachverständigen stellt regelmäßig einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erheblich beeinträchtigt.
  3. Das Beschwerdegericht kann die Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Ausgangsgericht zurückgeben, wenn anderenfalls das Beschwerdegericht eine umfangreiche Beweisaufnahme durchführen müsste.

Sachverhalt | OLG München 31 Wx 466/19

Der am 1.1.2017 verstorbene, verwitwete Erblasser hatte zu Lebzeiten zwei Testamente errichtet.

Ein notarielles Testament im Jahr 2004, in dem er seinen Sohn, den Beschwerdeführer (auch Beteiligter zu 1) als Alleinerben einsetzte und ein weiteres, handschriftlichen Testament im Jahr 2007, in dem er seine drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die beiden anderen Geschwister (Beteiligte zu 2 und 3) beantragten beim Nachlassgericht jeweils die Erteilung eines Erbscheins, der Beschwerdeführer einen Alleinerbschein, die Beteiligten zu 2 und 3 jeweils zu 1/3 neben ihrem Bruder.

Daraufhin gab das Nachlassgericht ein Sachverständigengutachten über die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahre 2007 in Auftrag. Da der ursprünglich bestellte Sachverständige mitteilte, dass er in absehbarer Zeit nicht dazu komme, das Gutachten zu erstatten, beauftragte das Nachlassgericht einen anderen Sachverständigen.

Dieser kam zu dem Ergebnis, dass sich eine Testierunfähigkeit des Erblassers zum fraglichen Errichtungszeitpunkt nicht feststellen ließe.

Daher kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins aufgrund des Testaments von 2007 zugunsten der drei Kinder zu je 1/3 an.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1.

Entscheidung | OLG München 31 Wx 466/19

Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG München verwies die Sache zurück an das Nachlassgericht.

Da der vom Nachlassgericht beauftragte Sachverständige für die Klärung der Frage der Testierunfähigkeit nicht über die nach ständiger Rechtsprechung notwendige Qualifikation eines psychiatrischen Sachverständigen verfügte, war der entscheidungserhebliche Sachverhalt durch das Nachlassgericht nicht hinreichend aufgeklärt worden.

Das Verfahren litt insofern an einem wesentlichen Verfahrensfehler, der eine umfangreiche Beweisaufnahme des Beschwerdegerichts erforderlich machen würde, sodass die Sache nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG an das Nachlassgericht zurückzuverweisen war.

Das OLG betonte die mit der Frage der Testierfähigkeit verbundenen besonderen Schwierigkeiten und begründete damit das Erfordernis des Vorliegens der entsprechenden fachärztlichen Qualifikation.

Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit des Gutachtens über die Testierfähigkeit stellte die Auswahl eines ungeeigneten Sachverständigen einen erheblichen Verfahrensfehler dar, durch den der Anspruch der übrigen Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in gravierender Weise beeinträchtigt wurde.

Praxishinweis | OLG München 31 Wx 466/19

Es handelt sich hierbei um einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der fachlichen Qualität von Gutachten zur Beurteilung der Testierfähigkeit. Auch wenn unstreitig sein sollte, dass die Begutachtung der Testierfähigkeit die Expertise eines medizinischen Sachverständigen erfordert, so herrscht über die Zuständigkeiten innerhalb der teils schwer voneinander abzugrenzenden medizinischen Fachgebiete oftmals Unklarheit.

Die Entscheidung setzt insofern – im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung - einen klaren Maßstab für das Vorliegen der erforderlichen fachärztlichen Qualifikation.