BGH VIII ZR 109/18
Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechtes bei Übernahme eines Mietverhältnisses

17.01.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.11.2018
VIII ZR 109/18
RNotZ 2019, 204 = NZG 2019, 209

Leitsatz | BGH VIII ZR 109/18

Bei der in einem Kaufvertrag des Vermieters über ein Hausgrundstück enthaltenen Vereinbarung, wonach der Mieter einer Wohnung des Hauses ein lebenslanges Wohnrecht haben und eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch den in den Mietvertrag eintretenden Erwerber ausgeschlossen sein soll, handelt es sich um einen (echten) Vertrag zugunsten Dritter (hier: des Mieters) gemäß § 328 BGB. Der Mieter erwirbt hierdurch unmittelbar das Recht, auf Lebenszeit von dem Käufer die Unterlassung einer ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses zu verlangen.

Sachverhalt | BGH VIII ZR 109/18

Die Stadt Bochum vermietete im Jahr 1981 eine Wohnung an einen ehemaligen Bergmann, welcher im Besitz eines Bergmannversorgungsscheins war, sowie an seine Ehefrau. Die Stadt verkaufte diese sowie die noch weitere im Gebäude befindliche Wohnung im Jahr 2012.

Im entsprechenden Kaufvertrag wurde geregelt, dass den Mietern ein lebenslanges Wohnrecht zusteht. Das Mietverhältnis wurde übernommen, einschließlich der Regelung, dass keine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wegen Behinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung erfolgen darf. Dem Erwerber sollte lediglich eine Kündigung wegen einer erheblichen Pflichtverletzung des Mieters möglich sein. Zulässig sei darüber hinaus eine Kündigung mit gleichzeitiger Versorgung bzw. Versetzung in eine vergleichbare Wohnung aufgrund einer Wohnungsmodernisierung. Für den Fall, dass der Erwerber das Mietverhältnis ohne Zustimmung des Veräußerers, und vor allem ohne Vorliegen eines außergewöhnlichen Kündigungsgrundes beendet, wurde der veräußernden Stadt das Recht eingeräumt, den Kaufgegenstand lastenfrei zurückzukaufen, und durch eine im Grundbuch eingetragene Rückauflassungsvormerkung sowie ein Vorkaufsrecht gem. § 1094 Abs. 1 BGB, jeweils zugunsten des Veräußerers gesichert.

Schließlich sprach der neue Eigentümer, welcher zu diesem Zeitpunkt die weitere im Gebäude befindliche Wohnung bewohnte, den Mieter gegenüber eine Kündigung nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB (Kündigung eines im selben Haus wohnenden Vermieters), welcher diese unter Verweis auf das ihnen eingeräumte lebenslange Wohnrecht widersprachen.

Entscheidung | BGH VIII ZR 109/18

Sowohl die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung rückständiger Mieten als auch die Revision blieben erfolglos. Im Ergebnis wurde entschieden, dass das Mietverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung nicht beendet wurde, da diese gegen die kaufvertragliche Vereinbarung zwischen neuem Eigentümer und dem Voreigentümer verstoße.

Ob einem Mieter aus einer entsprechenden Vereinbarung, welche einen Vertrag zugunsten Dritter darstellt, ein Unterlassungsanspruch gegen den Erwerber als neuem Vermieter zusteht, ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Grundlage ist dabei der Wortlaut der getroffenen Vereinbarung sowie der objektive Parteiwille und der mit der Vereinbarung beabsichtigte Zweck. Das eingeräumte Wohnrecht und die im Kaufvertrag enthaltene Verpflichtung wurden vorliegend als ein echter Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB eingeordnet. Demnach wurden den Mietern eigene Rechte gegenüber dem Erwerber eingeräumt und eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie eine Kündigung nach § 573a BGB ausgeschlossen. Dabei ist es auch unerheblich, ob die Regelungen zum lebenslangen Wohnungsrecht eine Individualvereinbarung darstellt oder als allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen ist. Ebenso irrelevant ist, dass eine Kündigung gem. § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht explizit in der Aufzählung der vertraglich ausgeschlossenen Kündigungsmöglichkeiten enthalten ist, da es sich vorliegend nicht um eine abschließende Aufzählung handele. Zudem sollte beachtet werden, dass eine Kündigung gem. § 573a BGB ausdrücklich nicht auf einem Fehlverhalten des betroffenen Mieters beruht.

Für den Fall, dass man hier das Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen annehmen würde, wäre die getroffene Regelung auch nicht unwirksam, da die Klauseln weder überraschend waren (vgl. § 305c Abs. 1 BGB) noch den Vertragspartner unangemessen benachteiligen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB konnte hier nicht angenommen werden.

Zwar weicht die vorliegend getroffene Vereinbarung von § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB, dies bedeutet allerdings nicht, dass aus diesem Grund ihre Unwirksamkeit nach § 573a Abs. 4 BGB angenommen werden kann, da die Abweichung zugunsten des Mieters erfolgt.

Beabsichtigt war, die betroffenen Mieter dahingehend zu schützen und abzusichern, dass sie ihre Wohnung lediglich aufgrund einer selbst zu vertretenen Verfehlung verlieren können, so der BGH. Aus dem Umstand, dass der Mieter einen Bergmannsversorgungsschein hat (welcher in seiner Wirkung der Einstufung als Behinderter entspricht) sowie daraus, dass der Voreigentümer ein kommunales Unternehmen ist, ergibt sich zudem eine besondere Schutzbedürftigkeit, welche nicht außer Acht gelassen werden darf. Der Einwand des neuen Eigentümers, dass die allgemeinen Bestimmungen des Mietrechts völlig ausreichend und besondere Schutzmaßnahmen nicht erforderlich seien, stieß beim BGH nicht auf Zustimmung. Es sei dabei auch ohne Belang, dass eine entsprechende Schutzregelung nicht im ursprünglich geschlossenen Mietvertrag enthalten ist, da der Erwerber bei Eigentumswechsel gem. § 566 Abs. 1 BGB das Mietverhältnis übernimmt, und zwar samt allen zuvor zwischen Veräußerer und Mieter vereinbarten oder durch Ausübung von Gestaltungsrechten eingetretenen Änderungen und Ergänzungen. Bereits das Berufungsgericht stufte die Vereinbarung demnach als insgesamt „ausgewogen“ ein, da sie sowohl die Interessen des Mieters (Kündigungsschutz) als auch des Vermieters (kein vollständiger Kündigungsausschluss) berücksichtigt.

Schließlich wurde entschieden, dass sowohl das lebenslange Wohnrecht als auch das Rückforderungsrechts des Voreigentümers bei Verstoß gegen die im Kaufvertrag getroffene Vereinbarung dafür sprechen, dass die betroffenen Mieter aus dieser Vereinbarung Rechte unmittelbar gegenüber dem Erwerber ableiten können und er diese gegen sich gelten lassen muss. Eine Kündigung nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB kann in diesem Fall somit keinen Erfolg haben.

Praxishinweis | BGH VIII ZR 109/18

Die Gestaltung eines effektiven Mieterschutzes ist in notariellen Kaufverträgen auch ohne explizite Mitwirkung des betroffenen Mieters möglich. Den Mieterschutz betreffende Zusatzvereinbarungen werden oft beim Verkauf durch Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, getroffen. Dabei handelt es sich oftmals um Einschränkungen von Kündigungsmöglichkeiten.

Es ist in solchen Fällen jedoch ausdrücklich zu regeln, ob die dem Mieterschutz dienende Vereinbarung lediglich zwischen den Kaufvertragsparteien oder auch unmittelbar für den Mieter gelten soll. Zudem ist zu beachten, dass entsprechende Vereinbarungen nicht immer Inhalt des bestehenden Mietvertrages werden, sodass stets auch an die Aufnahme einer schuldrechtlichen Weitergabeverpflichtung in den Kaufvertrag gedacht werden sollte, damit auch etwaige Rechtsnachfolger daran gebunden sind.