BFH II R 36/18
Auslegung einer Vermächtnisanordnung

31.12.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
25.11.2020
II R 36/18
BeckRS 2020, 47532

Leitsatz | BFH II R 36/18

  1. Die Auslegung einer Vermächtnisanordnung ebenso wie die Ermittlung, ob ein Vermächtnis angenommen wurde, obliegt dem Tatsachengericht und ist für die Revisionsinstanz grundsätzlich bindend.
  2. Ob begünstigtes Vermögen durch Vermächtnis mit dem Tode des Erblassers erworben wurde (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), richtet sich nach dem Gegenstand des Vermächtnisses und nicht danach, was an Erfüllungs statt geleistet wird.

Sachverhalt | BFH II R 36/18

Die Klägerin legte Einspruch gegen einen gegen sie am 25.07.2014 durch das Finanzamt (Beklagte) ergangenen Bescheid ein, der sie auffordert Erbschaftssteuer gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu zahlen.

Der Klägerin wurde von ihrem Vater zunächst ein Quotennießbrauch an seiner KG-Beteiligung vermacht. Im Gegenzug verzichtete die Klägerin auf die Geltendmachung etwaiger Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass des Erblassers. Durch den in der Folgezeit geschlossenen Ehe- und Erbvertrag zwischen dem Erblasser und seiner Ehefrau wurde das Testament widerrufen. In dem Erbvertrag vermacht der Erblasser seiner Tochter unter anderem einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an der Kommanditbeteiligung des Erblassers an der KG sowie seiner Beteiligung an der Komplementär-GmbH. Ausdrücklich soll damit keine Mitgliedschaftsrecht verbunden sein, insbesondere kein Stimmrecht. Da sich die Beteiligungen des Erblassers inzwischen auf 1% reduziert haben, verpflichtet er seinen Sohn, der Erbe ist, den durch die Reduktion der Anteile entstandenen finanziellen Nachteil auszugleichen.

Nach dem Tod des Vaters schlossen die Geschwister eine Vereinbarung, um der Verpflichtung zum Nachteilsausgleich nachzukommen. Darin werden der Klägerin, entgegen der Bestimmungen im Erbvertrag, jeweils ein Quotennießbrauch an den dem Erben bereits vor dem Erbfall gehörenden Gesellschaftsbeteiligungen und Stimmrechte zugesprochen.

Durch Bescheid vom 17.07.2014 wird die Klägerin von der Beklagten zur Erbschaftssteuer für den Nießbrauch an 1% der Gesellschaftsbeteiligungen veranlagt. Daraufhin legte die Klägerin am 25.07.2014 Einspruch ein und beantragte die Gewährung der Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG. Im Rahmen der Einspruchsprüfung unterwarf das Finanzamt neben dem Nießbrauch auch den Nachteilsausgleich nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG der Erbschaftssteuerfestsetzung.

Entscheidung | BFH II R 36/18

Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage mit der Begründung ab, §§ 13a, 13b ErbStG sei nicht zu gewähren, da sich der Erwerb von Todes wegen durch die Klägerin nicht auf begünstigtes Vermögen erstrecke. Es ist überzeugt, der Erblasser habe ihr lediglich Quotennießbrauch an 1% der Gesellschaftsanteile und einen Nachteilsausgleich in Geld oder in Form einer weiteren Gewinnbeteiligung an der KG im Wege des Nießbrauchs, vermachen wollen. Gerade sollte beides nicht mit einer Mitunternehmerstellung verknüpft werden. Außerdem ist das Finanzgericht der Ansicht, die Klägerin habe die Mitunternehmeranteile nicht zur Abfindung eines ausgeschlagenen Vermächtnisses erworben, sondern das Vermächtnis gerade angenommen.

Der Bundesfinanzhof weist die Revision als unbegründet zurück. Das Finanzgericht habe zu Recht eine Begünstigung der Klägerin gemäß § 13a, 13b ErbStG abgelehnt.

Der Erwerb von Todes wegen, wozu unter anderem auch der Erwerb „durch Vermächtnis“ zählt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, §§ 2147 ff. BGB), unterliege gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftssteuer. Der Inhalt der letztwilligen Verfügung bestimmt den Gegenstand des Vermächtnisses, welcher gemäß §§ 1030, 1069 ff. BGB auch der Nießbrauch an einem Anteil an einer Personengesellschaft sein kann. Es ist daher zwischen dem Erwerb „durch Vermächtnis“ und dem Erwerb „aufgrund Vermächtnisses“, also das was der Vermächtnisnehmer zu dessen Erfüllung letztlich erhält, zu unterscheiden. Der ursprüngliche Inhalt des durch das Vermächtnis begründeten Schuldverhältnisses, welches auch den Erbschaftssteueranspruchs entstehen lässt, bleibe unberührt, wenn der Vermächtnisnehmer eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt.

Als vom Erblasser zugewendet gelte unter anderem auch, was als Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses gewährt werde (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). Die Vorschrift setze voraus, dass der Vermächtnisnehmer das ihm ausgesetzte Vermächtnis ausschlägt, sodass der Anfall des Vermächtnisses rückbezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls als nicht erfolgt anzusehen ist (§ 2180 Abs. 3 i.V.m. § 1953 Abs. 1 BGB). Die Gewährung der Abfindung durch den Erben für die Ausschlagung des Vermächtnisses sei hingegen nicht mit der Erfüllung des Vermächtnisses durch Leistung eines anderen Gegenstandes gleichzusetzen.

Das Revisionsgericht ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die aufgrund der festgestellten Tatsachen getroffene Würdigung durch das Finanzgericht gebunden. Es ist somit auch an die Auslegung eines Testaments oder Erbvertrags gebunden, sofern die Auslegung der in §§ 133, 157 BGB verankerten Grundsätze entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Dem Tatsachengericht obliegt somit die Auslegung des vermachten Gegenstandes und die Aufklärung, ob ein Vermächtnis angenommen oder ausgeschlagen wurde. Nach Feststellung dieser Tatsachen kann das Revisionsgericht anschließend deren rechtliche Einordnung überprüfen. Das Revisionsgericht ist mithin an die Feststellungen des Tatsachengericht gebunden, dass das Vermächtnis nicht die Einräumung einer Mitunternehmerstellung umfasse und, dass die Klägerin diese vielmehr als Leistung an Erfüllungs statt angenommen habe. Dafür erfolgt jedoch keine Gewährung einer Begünstigung gemäß §§ 13a, 13b ErbStG. Das Finanzgericht habe die Tatsachen rechtsfehlerfrei dahingehend eingeordnet, dass die Klägerin das Vermächtnis nicht ausgeschlagen habe. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe der Erblasser den Anspruch auf Nachteilsausgleich insoweit eingeschränkt, als dieser jedenfalls nicht mit einer Mitunternehmerstellung verknüpft sein sollte.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG.

Praxishinweis | BFH II R 36/18

Werden der Vermächtnisnehmerin auch zusätzliche Rechte aufgrund des testamentarischen Vermächtnisses zivilrechtlich zugesprochen, so müssen diese nicht zwangsläufig steuerrechtlich anerkannt werden. Für die steuerrechtliche Beurteilung des testamentarischen Vermächtnisses kommt es allein auf den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentsverfassung an. Diesen gilt es umzusetzen, um eine nachträgliche steuerliche Benachteiligung zu vermeiden.