BGH V ZR 61/19
Aufklärungspflichten des Grundstücksverkäufers über Beendigung der Gebäudeversicherung

30.11.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
20.03.2020
V ZR 61/19
BeckRS 2020, 8752

Leitsatz | BGH V ZR 61/19

  1. Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks muss den Käufer grundsätzlich nicht ungefragt darüber unterrichten, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Gebäudeversicherung besteht; ebenso wenig muss er ihn über eine nach Vertragsschluss erfolgte Beendigung einer solchen Versicherung informieren. Dies gilt auch dann, wenn eine Gebäudeversicherung nach der Verkehrsanschauung üblich ist.
  2. Erklärt der Verkäufer dagegen vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages, dass seine Gebäudeversicherung besteht und wird das Versicherungsverhältnis vor Umschreibung des Eigentums beendet, trifft ihn in aller Regel die vertraglich Nebenpflicht, den Käufer hierüber unverzüglich zu unterrichten.

(amtl. Leitsätze)

Sachverhalt | BGH V ZR 61/19

Am 03.02.2017 verkauften die Beklagten an die Klägerin ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In § 4 Nr. 1 des Vertrages hieß es:

„Der Besitz und die Nutzungen, die Gefahr und die Lasten einschließlich aller Verpflichtungen aus den den Grundbesitz betreffenden Versicherungen sowie die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten gehen auf den Käufer mit über mit dem Tag der Kaufpreiszahlung, jedoch nicht vor dem 02.05.2017.“

Anfang April kündigte der Versicherer die von den Beklagten unterhaltene Wohngebäudeversicherung mit Wirkung zum 10.05.2017. Die Beklagten informierten die Kläger hierüber nicht. Am 11.04.2017 erfolgte die Übergabe der Immobilie an die Klägerin. Im Juni 2017 kam es aufgrund eines Unwetters zu einem Schaden.

Die Klägerin verlangt unter anderem die Zahlung von Schadenersatz sowie die Feststellung der Umsatzsteuerzahlungsverpflichtung der Beklagten im Reparaturfall. Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb ebenso ohne Erfolg. Hiergegen wendet sie sich mit der vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidung | BGH V ZR 61/19

Die zulässige Revision hielt der BGH im Ergebnis für unbegründet, da der Klägerin keine Schadensersatz- oder Minderungsansprüche wegen eines Sachmangels zustünden.

Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche seien nicht einschlägig, weil der Unwetterschaden als Sachmangel erst nach Gefahrübergang aufgetreten sei.

Auch hafteten die Beklagten nicht gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, da keine der in Betracht kommenden Nebenpflichten verletzt worden sei.

Zum einen bestand gegenüber den Klägern keine Pflicht zur Neuversicherung des Grundstücks. Zwar schütze § 95 Abs. 1 VVG die Entstehung einer Sicherungslücke – sogar zwischen Gefahrübergang und Eigentumserwerbs. Denn der Käufer habe bereits hier regelmäßig ein Sacherhaltungsinteresse. Hieraus folge jedoch keine entsprechende Pflicht des Verkäufers. Anders läge es nur, wenn der Verkäufer sich vertraglich zu der Aufrechterhaltung einer bestehenden oder zu dem Abschluss einer neuen Gebäudeversicherung verpflichtet.

Zum anderen bestünde auf Seiten der Verkäufer keine Unterrichtungspflicht über das Bestehen der Gebäudeversicherung oder deren Beendigung nach Zugang der Kündigungserklärung des Versicherers. Zwar könne der Käufer ein Interesse an dem Bestehen (bzw. Fortbestehen) der Versicherung haben, da sie ihm schon ab Gefahrübergang Versicherungsschutz gewähren würde. Möchte er aber eine von dem Verkäufer abgeschlossene Versicherung nutzen, muss er sich bei diesem erkundigen, ob die Versicherung (noch) besteht. Tut er dies nicht, könne der Verkäufer davon ausgehen, dass der Käufer sich selbst um den erforderlichen Versicherungsschutz kümmere.

An dieser Risikoverteilung ändere sich nichts, wenn eine Gebäudeversicherung nach der Verkehrsanschauung üblich ist, da das Bestehen einer Gebäudeversicherung ab Gefahrübergang in den Verantwortungsbereich des Käufers falle.

Etwas anderes könne nur gelten, wenn der Verkäufer gegenüber dem (späteren) Käufer erklärt, dass eine Gebäudeversicherung besteht. Denn dieser setze einen Vertrauenstatbestand, obwohl kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Versicherung bestehe. Werde sodann das Versicherungsverhältnis beendet, treffe den Verkäufer in aller Regel die vertragliche Nebenpflicht, den Käufer hierüber unverzüglich zu unterrichten.

Praxishinweis | BGH V ZR 61/19

Für die Beratungspraxis empfiehlt es sich, die Frage nach einer Gebäudeversicherung im Vorfeld zu klären. Insbesondere für die Käufer wird es nach dieser Entscheidung Anlass geben, das Fortbestehen der Gebäudeversicherungen vertraglich festzuhalten. Verkäufern sei durch das Urteil dennoch zu Erkundungen bei ihren Versicherern geraten, da das Bestehen des Vertrages wie im vorliegenden Fall auch letztlich nur von ihnen abhängen kann.