BGH XI ZR 535/17
Aufklärungspflicht des Kreditgebers hinsichtlich des Wertes der finanzierten Immobilie

20.01.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
08.01.2019
XI ZR 535/17
BKR 2019, 245

Leitsatz | BGH XI ZR 535/17

Zur Anwendbarkeit des Vergleichswertverfahrens bei der Feststellung des Verkehrswerts einer Immobilie.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | BGH XI ZR 535/17

Die Kläger verlangten von der beklagten Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit einem von ihr finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung, deren Kaufpreis den Verkehrswert in sittenwidriger Weise überschritten hatte.

Die Kläger schlossen mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über den Kaufpreis der Immobilie in Höhe von 33.900 € und leisteten im Folgenden Ratenzahlungen in Höhe der Hälfte der Darlehensvaluta.

Nachdem die Kläger erfolgreich vom Kaufvertrag zurücktraten, weil der Kaufpreis in sittenwidriger Weise überhöht gewesen ist, verlangten sie von der Bank als Darlehensgeberin die Rückzahlung bereits geleisteter Raten sowie unter anderem die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer in diesem Zusammenhang auftretender Vermögensschäden. Die Beklagte habe im Zuge der Abwicklung des Finanzierungsgeschäfts ihre Aufklärungspflicht hinsichtlich des überhöhten Kaufpreises verletzt.

Entscheidung | BGH XI ZR 535/17

Der BGH äußerte sich in seinem Beschluss zur Aufklärungspflicht des Darlehensgebers hinsichtlich der Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages und bestätigte seine bisherige Rechtsprechung.

Demnach sei eine Aufklärungspflicht bezüglich der Unangemessenheit eines Kaufpreises aus einem Grundstückskaufvertrag grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn die Bank positive Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen habe. Nur dann treffe sie eine Pflicht, ihr präsentes Wissen dem Darlehensnehmer und Käufer der Immobilie zu offenbaren.

Den damit geforderten Wissensvorsprung muss sich die Bank jedoch nicht durch eigene zusätzliche Nachforschungen aneignen. Sie trifft insoweit nicht die Pflicht, eigene Überprüfungen zur Wirtschaftlichkeit des Geschäfts bzw. zur Angemessenheit des Kaufpreises in Ansehung des Verkehrswertes anzustellen.

Davon sei nur abzuweichen, wenn sich nach den Umständen des Einzelfalles eine Sittenwidrigkeit geradezu aufdrängen musste. Würde die Bank sodann von einer Aufklärung absehen, wäre dies ein Verstoß gegen Treu und Glauben.

Jedoch fehlte es vorliegend gerade an solchen Umständen. Insbesondere habe die Bank keine eigene Wertermittlung zum Ertragswert einer Immobilie anzustellen. Die bloße Ermittlung des Beleihungswertes begründe jedenfalls noch keinen derartigen Wissensvorsprung, der eine Aufklärungspflicht begründen würde. Vielmehr liege eine solche Ermittlung im eigenen Interesse der Bank, um für den Fall der Zwangsvollstreckung die Realisierung eigener Ansprüche abschätzen zu können.

Im Rahmen dessen hat es der BGH als unzulässig angesehen, dass das zuvor zuständige Berufungsgericht den Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks durch Bilden eines Mittelwertes aus einem Sachverständigengutachten hinsichtlich des bei Wohnimmobilien üblichen Vergleichswertes sowie dem Ertragswert ermittelt hat. Indem das Gericht keinen Hinweis auf die Anwendung derartiger eigener Sachkunde gegeben hat, habe es den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

Praxishinweis | BGH XI ZR 535/17

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass sich der Käufer einer Immobilie des damit verbundenen Risikos bewusst sein sollte. Insbesondere kann er nicht auf die finanzierende Bank vertrauen, um hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Geschäfts Legitimation zu erfahren und bei enttäuschten Ertragserwartungen diese in Anspruch zu nehmen.